Veranstaltungsbericht Interpharm 2014: Neues aus der Arzneimittel-Pipeline

Nachdem Almorexant im Rennen um den ersten Orexin-Antagonisten zur Behandlung von Schlafstörungen im Zulassungsverfahren gescheitert ist, stellt nun Suvorexant die Speerspitze dieser hochinteressanten Arzneistoffklasse dar. Suvorexant blockiert die Rezeptoren der Neurotransmitter Orexin A und B, welche im Hypothalamus an der Weckreaktion beteiligt sind. In klinischen Studien überzeugte Suvorexant bezüglich der wichtigen Parameter-Verkürzung der Einschlafzeit und der Verkürzung der Wachzeiten. Die Schlafeffizienz wurde um 5–13 % im Vergleich zu Placebo verbessert, wobei die Dosierungen von 40–80 mg die stärksten Effekte, aber auch die meisten Nebenwirkungen zeigten. Man darf gespannt sein, ob und in welcher Form die Zulassung gelingt.

Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)

Heute stehen neben den Prostanoiden und den Endothelin-Rezeptor-Antagonisten auch PDE-5-Inhibitoren zur Verfügung. Wenngleich mit den aktuellen Wirkstoffen eine Lebenszeitverlängerung der Patienten erreicht werden kann, bleibt die PAH dennoch eine unheilbare Erkrankung. Der Bedarf an neuen Therapieoptionen ist daher ungebrochen. Mit Macitentan wurde aktuell die Palette der Endothelin-Rezeptor-Antagonisten um einen besonders gewebegängigen Vertreter erweitert. Bei weitem interessanter ist jedoch die Entwicklung von Selexipag, des ersten oral verfügbaren selektiven IP-Rezeptor-Agonisten. Selexipag aktiviert den PGI2-Rezeptor (= Prostacyclin-Rezeptor), bewirkt dadurch eine Reduktion des Gefäßwiderstandes und hemmt die Proliferation der Gefäßmuskelzellen. Die Ergebnisse aus einer Phase-II-Studie zeigen, dass das Konzept funktioniert. Der periphere Gefäßwiderstand sank um ca. 30 % und die Leistungsfähigkeit der Patienten nahm entsprechend zu. Gegenwärtig wird Selexipag in einer Phase-III-Studie mit den Endpunkten Mortalität und Morbidität geprüft. Die Ergebnisse dazu sollen noch in diesem Jahr publiziert werden.

Neue Optionen gegen Hypercholesterinämie

LDL-Partikel werden aus dem Plasma hauptsächlich durch LDL-Rezeptoren in die Hepatozyten aufgenommen. Alleine daraus ergibt sich, dass eine hohe LDL-Rezeptordichte auf Hepatozyten vorteilhaft sein sollte. Das wird u. a. dadurch erreicht, dass ein Teil der LDL-Rezeptoren wiederverwendet werden. Dieses „Recycling“ der LDL-Rezeptoren wird durch die Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Type 9 (PCSK9) negativ reguliert. PCSK9 bindet an die LDL-Rezeptoren und führt zu deren Abbau. Daraus leitet sich die Hypothese ab, dass eine Hemmung von PCSK9 in einer verstärkten Expression hepatischer LDL-Rezeptoren resultiert und in der Folge LDL-C noch effizienter aus dem Plasma entfernt wird. Somit stellt eine therapeutische Inhibition von PCSK9 (z. B. durch monoklonale Antikörper aber auch durch andere Mechanismen) eine potente Intervention für eine LDL-C-Senkung dar, deren klinische Bedeutung aktuell in großen Studienprogrammen geprüft wird. Mehrere Firmen entwickeln Hemmstoffe gegen dieses Protein in der Hoffnung, neue Therapieoptionen bei der Behandlung der Hypercholesterinämie in die Hand zu bekommen.

Antidot gegen Antikoagulanzien

Dass man auch Wirkstoffe gegen Wirkstoffe machen kann, zeigen die Bemühungen, Antidote gegen moderne Antikoagulanzien zu entwickeln. Denn bei allen Vorteilen, die die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) mit sich bringen, gibt es einen entscheidenden Nachteil: Man kann deren Aktivität derzeit noch nicht antagonisieren. Ein Antidot gegen Faktor-Xa-Gerinnungshemmer könnte die Anwendung dieser neuen oralen Antikoagulanzien bald sicherer machen. In ersten klinischen Studien konnte das Molekül Andexanet Alfa (PRT4445) dosisabhängig die gerinnungshemmende Wirkung von Rivaroxaban aufheben. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten dabei nicht auf.

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

Patienten, die an Morbus Crohn erkrankt sind, dürfen auf Vedolizumab, einen darmspezifischen, humanisierten, monoklonalen Antikörper hoffen. Während alle bisher zur Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) verfügbaren Antikörper TNFα; blockieren, bindet Vedolizumab an ein Integrin (Integrine sind Adhäsionsmoleküle, die die Verbindung zwischen zwei Zellen ermöglichen) und unterbindet dadurch die Entzündungsaktivität. Ergebnisse aus Studien über die Gabe von Vedolizumab zur Remissionseinleitung und Erhaltung bei Colitis ulcerosa bzw. Morbus Crohn wurden im August 2013 im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Es zeigte sich eine bessere Ansprechrate bei Colitis ulcerosa als bei Morbus Crohn nach sechs Wochen Therapie. In der Colitis ulcerosa-Gruppe mit Vedolizumab kamen ernsthafte Infektionen nicht häufiger vor als unter Placebo. Mit der Zulassung ist für das 2. Quartal 2014 zu rechnen.

Quelle: Vortrag „Neues aus der Pipeline: Nur neu oder auch innovativ?“, Interpharm 2014, 29. 03. 2014 in Berlin