Volksleiden Allergie

Gegenwärtig leidet nicht ganz ein Drittel der österreichischen Bevölkerung an einer Allergie. Die Tendenz ist steigend. So wies bereits der erste „Österreichische Allergiebericht“ im Jahr 2006 etwa 20 % Allergiker:innen aus, der Österreichische Gesundheitsbericht 2016 (Berichtszeitraum 2005–2014/2015) dann bereits im Schnitt 24 %. Spitzenreiter war die Altersgruppe der 15- bis 59-Jährigen. Hier ­klagen zwischen 25 % und 29 % über eine Allergie. Neuere Daten aus der laufenden Austrian LEAD Study des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengesundheit besagen, dass bereits 37 % der untersuchten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen einen positiven Hautallergietest aufweisen. Die meisten reagieren nicht nur auf ein einziges Allergen, im Schnitt sind es drei unterschiedliche Allergene, die häufigsten sind dabei Milben und Gräser.

Genetisch vs. nichtgenetisch

Als Ursachen für das erhöhte Allergierisiko kommen etwa genetische Faktoren wie die Prädisposition (Tabelle), die Veranlagung zur überschießenden Bildung von IgE-Antikörpern oder Veränderungen in der HLA-assoziierten allergischen Reaktionsbereitschaft der T-Zellen in Frage. Die wesentlichen atopischen Erkrankungen sind das atopische Ekzem, die Nahrungsmittelallergie, die allergische Rhinokonjunktivitis und das (allergische) Asthma. „Atopisch“ bedeutet die Neigung zur überschießenden Bildung von IgE-Antikörpern im Rahmen der Typ-1-Allergie vom Soforttyp.

Nichterbliche Faktoren wären bspw. intensive Allergenexposition (z. B. Umweltbelastung durch Feinstaub, Arbeitsbedingungen), verändertes Ernährungsverhalten, stark übertriebene Hygiene oder eine erhöhte Permeabilität der Haut- und Schleimhautbarriere durch bakterielle oder virale Infektionen und chemische Noxen. Auch psychische Faktoren wie z. B. eine hohe Stressbelastung können die Reaktionsbereitschaft erhöhen. Es stellt sich also insgesamt die Frage, ob man selbst dazu beitragen kann, die Allergiebereitschaft (der Kinder) nach Möglichkeit zu verringern. Primärprävention wird insbesondere bei Risikogruppen mit genetischer Vorbelastung wirksam, richtet sich aber auch an die Gesamtbevölkerung.

Evidenzbasierte Primärprävention

Die S3-Leitlinie Allergieprävention gibt insbesondere Empfehlungen zur Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft und der Stillzeit sowie zur Säuglingsernährung, zur Biodiversität (Stichwort „Bauernhofeffekt“) und Haustierhaltung sowie zur Exposition gegenüber Luftschadstoffen.

Ernährung der Mutter. Während der Schwangerschaft und der Stillzeit soll die Ernährung ausgewogen, abwechslungsreich und nährstoffbedarfsdeckend sein. Eine prophylaktische Meidung von potenziellen Nahrungsmittelallergenen ist nicht notwendig.

Ernährung des Kindes. Für die ersten 4 bis 6 Lebensmonate soll möglichst ausschließlich gestillt werden, später auch noch weiter neben der Beikost, letztere soll frühestens ab Beginn des 5. und spätestens ab Beginn des 7. Lebensmonats begonnen werden und möglichst vielfältig sein (Ausnahme: rohes Hühnerei). Eine Zufütterung von kuhmilchbasierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen sollte bei Stillwunsch der Mutter vermieden werden. Soja- und Getreidedrinks sowie Tiermilchen (andere als Kuhmilch) haben keine allergiepräventive Wirkung.

Übergewicht. Übergewicht bei Mutter und Kind ist mit Asthma assoziiert und soll vermieden werden.

Tierhaltung. Personen ohne erkennbares erhöhtes Allergierisiko sollen die Haustierhaltung mit Katzen oder Hunden nicht einschränken. Familien mit Kindern mit bereits bestehendem atopischem Ekzem sollten keine Katze neu anschaffen. Es gibt klare Hinweise darauf, dass das Aufwachsen auf dem Bauernhof vor der Entwicklung von Asthma und auch allergischen Erkrankungen schützt (frühzeitige unspezifische Immunstimulation u. a. durch die mikrobielle Zusammensetzung des Hausstaubs).

Arzneimittel und Impfungen. Antibiotika in Schwangerschaft und Kleinkindalter sollten mit Bedacht eingesetzt werden, da u. a. eine Erhöhung des Risikos für späteres allergisches Asthma beim Kind beobachtet wurde. Alle Kinder, auch Risikokinder, sollen nach den derzeitigen Empfehlungen geimpft werden. Impfungen erhöhen das Allergierisiko nicht.

Exposition gegenüber Schadstoffen. Aktive und passive Exposition gegenüber Tabakrauch soll vermieden werden. Dies gilt bereits während der Schwangerschaft. Ein Innenraumklima, das Schimmelpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtigkeit, mangelnde Ventilation), sollte vermieden werden. Die Exposition gegenüber Stickoxiden, Ozon und Feinstaub der Partikelgröße < 2,5 μm (zumeist KFZ-bedingt) ist mit einem erhöhten Risiko – besonders für Asthma – verbunden und sollte gering gehalten werden.

Therapie

Zuallererst sollte nach Möglichkeit eine Allergenkarenz eingehalten werden, dies ist jedoch nicht immer möglich. Daneben ist die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) die einzige kausale Therapiemöglichkeit von IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Sie kann gegebenenfalls auch einen Etagenwechsel (etwa in Richtung allergisches Asthma) verhindern. Das auslösende Allergen wird hierbei wiederkehrend subkutan oder sublingual verabreicht, die Therapie dauert mitunter bis zu 3 Jahre und erfordert eine entsprechende Adhärenz.

Je nach Klinik und Lokalisation der allergischen Entzündungsreaktion (Konjunktivitis, Rhinitis, allergisches Asthma, Exanthem, Urtikaria, Magen-Darm-Erscheinungen etc.) kommt eine große Bandbreite an ­Pharmaka zur Anwendung, die sowohl lokal als auch systemisch eingesetzt werden. Die Gruppe der „Antiallergika“ greift an unterschiedlichen Stellen der allergischen Reaktions­kaskade ein und umfasst u. a. ­neben den ­Antihistaminika auch Glukokortikoide, Mastzellstabilisatoren (z. B. Cromoglicinsäure), Leukotrienantagonisten (z. B. Montelukast), Anti-IgE-Antikörper (Omalizumab bei schwerem allergischem Asthma) sowie Sympathomimetika (z. B. lokal zur Schleimhautabschwellung, als Inhalation zur Bronchienerweiterung oder in Form von Adrenalin i. m. bei Anaphylaxie) oder Immunsuppressiva (z. B. Ciclosporin).

Prinzipiell sollte bei Verdacht auf Allergie ­jedenfalls ärztliches Personal konsultiert werden: Eine frühzeitige und leitliniengerechte Therapie kann einen Etagenwechsel verhindern!

Selbstmedikation

Augentropfen: Erhältlich sind Präparate mit H1-Antihistaminika (z. B. Levocabastin, Azelastin) und Mastzellstabilisatoren (Cromoglicinsäure). Letztere müssen rechtzeitig angewandt werden, da die Wirkung erst zeitversetzt eintritt.

Nasentropfen/-sprays: Lokale Sympathomimetika zur Schleimhautabschwellung sollten nur kurzfristig eingesetzt werden; H1-Antihistaminika, Cromoglicinsäure (Zeitverzögerung beachten); schutzfilmbildende Nasensprays; physiologische oder hypertone Salzlösungen zum Befeuchten und Durchspülen empfehlenswert.

systemisch: Für die orale Therapie sind wirksame und gut verträgliche H1-Antihistaminika der 2. Generation erhältlich, die nur einmal täglich eingenommen werden müssen und vergleichsweise eher nebenwirkungsarm sind (z. B. Fexofenadin, [Levo-]Cetirizin, [Des-]Loratadin).

topisch: Mittlerweile sind auch in Österreich rezeptfreie Glukokortikoidformulierungen erhältlich, die sich zur kurzfristigen Therapie von erythematösen, entzündlichen oder allergischen Hauterkrankungen eignen. Topische H1-Antihi
staminika (Bamipin, Diphenhydramin etc.) eignen sich je nach Präparat insbesondere auch zur Linderung von Juckreiz, lokalen Schmerzen und Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut (Insektenstiche, Sonnenallergie etc.).

weitere Alternativen bzw. begleitende Optionen: befeuchtende/pflanzliche/homöopathische Augentropfen und/oder Nasensprays, Präparate aus Traganthwurzel, Ω-3-Fettsäuren etc.