Wa„ Wir müssen Apotheken-Finanzierung überdenken“

Welche Erwartungen und welche Forderungen haben Sie an die künftige Regierung?

Jürgen Rehak: Was wir wollen, ist, dass uns die künftige Bundesregierung dabei unterstützt, unsere Angebote für die Bevölkerung umzusetzen beziehungsweise weiter aufrecht zu erhalten – etwa Sicherheitschecks bei Medikamenten, Medikationsanalyse oder die weiter-hin gute Versorgung durch unsere Bereitschaftsdienste. Dazu gehört, dass wir die Finanzierung der Apotheken gemeinsam überdenken müssen, um sie nachhaltig sicher-zustellen. Wie genau, muss besprochen werden – denkbar wäre etwa eine Abgeltung der Nachtdienste durch die öffentliche Hand.

Wie läuft das Onlineprojekt des Verbandes – wie ist der Zwischenstand?

Bei unserem Onlineprojekt – einer Landingpage, die die Leistungen aller österreichischen Apotheken präsentiert und die Menschen virtuell zur nächstgelegenen Apotheke bringt – sind wir in der Umsetzung angelangt und optimistisch, dass wir in den nächsten Monaten online gehen können.

Wie ist der Zwischenstand im Hinblick auf die Umsetzung der Fälschungsrichtlinie?

In der Praxis sehen wir, dass das System da und dort noch an Kinderkrankheiten leidet. An der Therapie wird bereits gearbeitet – dennoch ist davon auszugehen, dass die aktuell geltende Übergangsfrist verlängert wird. Das heißt, dass es auch in Zukunft möglich sein wird, Packungen, die etwa einen nicht lesbaren Strichcode haben, trotz-dem abgegeben werden.

Welche gesundheitspolitische Bilanz ziehen Sie für 2019? Wo gab es Fortschritte, wo Rückschritte, und welche Dinge sind liegen geblieben?

Aus Apothekersicht ist es schmerzhaft, dass die Apothekengesetz-Novelle nicht umgesetzt wurde, obwohl sie schon fertig im Ministerium liegt. Damit liegt etwas auf Eis, das spürbare Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung bringen könnte – etwa über Erlaubnis für Apotheken, Arzneimittel zuzustellen. Das würde einen enormen Benefit für die Versorgung gerade in ländlichen Regionen bringen. Definitiv positiv ist die Neuregelung der Dotierung des Reservefonds. Der Reservefonds ist eine grundsätzlich gute Einrichtung zur Absicherung der Gehälter der angestellten Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, allerdings aktuell zu hoch dotiert. Mit der Neuregelung haben wir eine Entlastung für die Apothekenbetriebe geschafft, die in den kommenden Jahren bis zu 10 Millionen an Einsparungen bringen wird.

Welche Anliegen der Apothekerschaft konnten umgesetzt werden?

Mit dem Platzen der Regierung im Mai ist natürlich viel Sand ins Getriebe gekommen. Das ist für uns schmerzhaft, aber wir werden dran bleiben und die eigentlich fertige Novelle des Apothekengesetzes weiter vorantreiben. Dass wir trotz eines langen Interregnums eine Neudotierung unseres Reservefonds geschafft haben, ist ein großer Erfolg.

 

Welche Erwartungen und welche Forderungen haben Sie an die künftige Regierung von ÖVP und Grünen?

Ulrike Mursch-Edlmayr: Wir freuen uns über das strategische Bekenntnis zur öffentlichen Apotheke als sicherem Arzneimittelversorger in der bestehenden flächendeckenden Verteilung. Die Rolle der heimischen Apotheken als zentrale Versorgungsstufe ist von der kommenden Bundesregierung fix in der Architektur des österreichischen Gesundheitssystems zu verankern. Mit Rudi Anschober hat die neue Bundesregierung ein überaus engagiertes, pragmatisch agierendes Mitglied mit langjähriger politischer Erfahrung und großer sozialer Kompetenz. Wir brauchen eine Stärkung der Apotheke vor Ort, um die rasant wachsenden Herausforderungen auch in Zukunft meistern zu können. In Deutschland etwa ist ein Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken in Ausarbeitung. In Großbritannien investiert die Regierung umgerechnet fast 15 Milliarden Euro, um die Rolle der dortigen Apotheken zu stärken und auszubauen. Auch in Österreich würden die Menschen von einem ähnlichen Engagement der kommenden Regierung profitieren.

Stichwort Lieferengpässe: Was braucht es, damit sich die Situation 2020 nicht verschlimmert, sondern vielmehr sogar verbessert?

Die Bemühungen der ständig tagenden Taskforce werden hoffentlich in konkrete Maßnahmen münden. Wir erwarten mehr Transparenz und die Umsetzung einer Verordnung über Meldeverpflichtungen des Zulassungsinhabers bei Einschränkungen der Vertriebsfähigkeit. Zusätzlich ist die Möglichkeit von Exportverboten bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln im Falle von Lieferengpässen geplant. Im Hinblick auf mehr Transparenz braucht es eine tagesaktuelle Datenlage auch in der Ärztesoftware, damit der Arzt schon bei der Verschreibung eines Arzneimittels auf die Daten zur aktuellen Liefersituation zugreifen kann.

Was sind die Punkte, die im kommenden Jahr Ihrer Meinung nach auf jeden Fall gesundheitspolitisch umgesetzt werden müssen?

Die Preisstruktur der Medikamente muss mit Fokus auf Anpassung auf den europäischen Durchschnitt und auf Indexierung überdacht werden, vor allem bei niedrigpreisigen Arzneimitteln und im generischen Bereich. Die Rahmenbedingungen für Produktion und Lagerung von Arzneimitteln in Europa müssen verbessert werden. Wir erwarten erfolgreiche Vertragspartner- und Wirtschaftsverhandlungen mit der neuen Sozialversicherung und mit dem Dachverband. Zudem ist die geplante Apothekengesetznovelle voranzutreiben.

Wie rüstet sich die Kammer für weitere Liberalisierungsversuche wie zuletzt durch dm oder die Bundeswettbewerbsbehörde?

Die Apothekerkammer hat ihre vielen Argumente gegen derartige Versuche schon bisher immer klar kommuniziert und wird dies auch weiterhin tun. Liberalisierung darf niemals auf Kosten der Patienten- und Arzneimittelsicherheit gehen und auch niemals auf dem Rücken der Apothekerschaft geschehen.