„Wichtige Rolle für Apotheken in der Primärversorgung“

Apotheker Krone: Wird das Gesundheitswesen mit den geplanten Kostensteigerungen auskommen?

Sabine Oberhauser: Mit den nunmehr im Finanzausgleich vereinbarten Ausgabenobergrenzen wurde ein getreppter Dämpfungspfad bis 2021 vereinbart. Einen solchen Pfad gab es bereits seit dem Jahr 2012, und wir sind in Summe unter den Ausgabenobergrenzen geblieben. Alle Berechnungen sagen uns, dass es sich auch mit dem neuen Pfad ausgehen wird – natürlich geht es darum, dass Effizienzen gehoben werden und dass das Geld dorthin fließt, wo es am besten und nützlichsten für die Menschen eingesetzt ist.

Wie schätzen Sie die künftigen Entwicklungen im Arzneimittelsektor ein

Oberhauser: Österreich kann sich vorstellen, auch europaweit den Einkauf auszuschreiben. Warum und in welchem Ausmaß? Bei allen Maßnahmen steht die bestmögliche Versorgung der PatientInnen im Mittelpunkt. Mein Ziel ist, die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung in Österreich und den sehr guten Zugang und die Finanzierung aller notwendigen, aber auch innovativen Arzneimitteln und Therapien weiterhin sicherzustellen. Daher gilt es, auch in Zukunft Maßnahmen – gemäß der neuen Zielsteuerung – zu setzen, die das gewährleisten. Dabei sind sowohl nationale als auch internationale Kooperationen denkbar. Für größere Patientengruppen werden in der Regel bessere Bedingungen bei der Medikamentenbewirtschaftung erzielt – bei einzelnen Produkten sind wir der Meinung, dass sich ein länderübergreifender Einkauf womöglich als sinnvoll erweisen kann. Ein flächendeckender gemeinschaftlich europäischer Medikamenteneinkauf ist jedoch keinesfalls angedacht.

Wo stocken die Gespräche über einen Erstattungskodex neu?

Oberhauser: Die Gespräche zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der pharmazeutischen Industrie – unter der Leitung und Moderation des Gesundheitsministeriums – sind sehr weit gediehen, aber noch nicht abgeschlossen. Handlungsbedarf besteht aus unserer Sicht besonders hinsichtlich der Preisregelungen für Nachfolgeprodukte sowie der Regelungen zur „no box“.

Woran kann es liegen, dass manche Biosimilars in Österreich gar nicht am Markt sind oder einen vergleichsweise geringen Marktanteil haben?

Oberhauser: Die Verfügbarkeit von Biosimilars ist eine noch verhältnismäßig neue Entwicklung – wir müssen hier noch entsprechende Regelungen auf die neuen Bedingungen anpassen. Dazu möchten wir für die Produzenten von Biosimilars auch geeignete und in anderen europäischen Ländern bereits erprobte Anreize setzen. Dank Biosimilars können wir bestimmte Therapien hoffentlich schon bald für größere Patientengruppen anbieten. Besonders in Skandinavien zeichnen sich hier Entwicklungen ab, die uns in dieser Meinung bestärken.

Die wirtschaftliche Lage der Apotheken ist zunehmend angespannt. Wie könnte man gegensteuern?

Oberhauser: Die österreichischen Apotheken erfüllen eine wichtige Versorgungsfunktion und haben – abgesehen von der Möglichkeit der Abgabe durch ärztliche Hausapotheken – ein Monopol zur Abgabe von Arzneimitteln. Das ist ein wichtiger Beitrag zur hohen Qualität bei der Versorgung mit Medikamenten und deren Sicherheit. Im internationalen Vergleich gesehen, haben die österreichischen Apotheken weiterhin eine ausgesprochen hohe Versorgungskonzentration und stehen auf einem wirtschaftlich sehr soliden Fundament. Außerdem zählen unsere Apothekerspannen immer noch zu den höchsten innerhalb Europas.

In anderen Ländern übernehmen Apotheken zunehmend ärztliche Aufgaben: Impfen und anderes. Ist das in Österreich mittel- beziehungsweise langfristig auch denkbar?

Oberhauser: Der Schwerpunkt der Apotheken sollte weiterhin auf der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung liegen. Hier gibt es sicher noch da und dort Nachholbedarf, zum Beispiel bei der Zustellung von Medikamenten oder auch bei den Öffnungszeiten beziehungsweise der Erreichbarkeit öffentlicher Apotheken. Ich würde mir wünschen, dass man hier mehr Service zur Verfügung stellt. Auch im Rahmen der Primärversorgung werden Apotheken zunehmend eine wichtige Rolle spielen, da auch die wohnortnahe und umfassende Versorgung mit Medikamenten ein wichtiger Bestandteil ist.

Wie beurteilen Sie die Sorge der Ärztekammer, dass Gesundheitskonzerne Primärversorgungszentren übernehmen beziehungsweise die öffentliche Hand diese führt?

Oberhauser: Die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Ärzte so gut miteinander zusammenarbeiten können, dass sie dauerhaft so ein Zentrum führen, ist eher gering – das hat schon bei den „Ärzte-GmbH“ kaum funktioniert. Ich kann verstehen, dass Veränderungen auch zu Verunsicherung führen. Aber aus meiner Sicht ist diese Sorge nicht nachvollziehbar. Was hier als Gesundheitskonzern bezeichnet wird, das sind Ambulatorien – die gibt es auch heute schon in einigen Leistungsbereichen. Die Primärversorgungszentren und -netzwerke sollen ihre Leistungen als Kassenleistungen anbieten – ich glaube nicht, dass hier für Konzerne das große Geschäft zu finden sein wird. Wir wollen auch durch gesetzliche Maßnahmen sicherstellen, dass solche neuen Formen der Primärversorgung nicht durch Investoren mit ausschließlichen Gewinninteressen betrieben werden können. Es werden also nach wie vor hauptsächlich Zusammenschlüsse von Ärztinnen und Ärzten sein, die die Primärversorgung organisieren. Hier wollen wir auch das Rad nicht neu erfinden, sondern auf die bewährten Modelle zurückgreifen. Aber klar ist auch, dass es eine niederschwellige Form der Zusammenarbeit geben wird müssen – insbesondere wenn es sich um Netzwerke handelt. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür sollen in den nächsten Monaten geschaffen werden.