Wirksame Strategienfür ein „Better-Aging“

„Die Summa Summarum des Alters ist eigentlich niemals erquicklich“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe in einem Brief im Dezember 1798. Mindestens so alt wie dieser Brief des berühmten Literaten ist der Wunsch des Menschen, gesund zu altern und möglichst lange ohne körperliche Gebrechen aktiv und fit bleiben zu können. Die Forschung hat mittlerweile einige Rezepte für dieses „Better-Aging“ gefunden. Dabei dreht sich alles um die Themen Vorsorge und Lebensstil. Die Johns Hopkins University in Baltimore/USA hat nach zahlreichen Forschungen zum Thema vier Haupt­aspekte für Gesundheit im Alter ausgemacht, die man schon in jungen Jahren beherzigen sollte: Nichtrauchen, ein gesundes Körpergewicht, 30 Minuten körperliche Aktivität pro Tag und eine gute Lebensmittelauswahl.1

Eine gute körperliche Fitness senkt das kardiovaskuläre Risiko deutlich. Dies hat auch eine jüngere norwegische Studie erneut bewiesen, für die 4.527 Personen neun Jahre lang beobachtet wurden. Im Gruppenvergleich zwischen der Quartile mit den besten und derjenigen mit den schlechtesten VO2max-Werten ergab sich ein beeindruckendes Ergebnis – unabhängig von Geschlecht und Alter: Kardiorespiratorisch fitte Menschen hatten ein um 48 % geringeres Risiko, an einer koronaren Erkrankung zu sterben. Die Teilnehmer waren zwischen 19 und 89 Jahre alt.2 Bewegung bringt aber offenbar noch einen weiteren Effekt, weil sie Einfluss auf die Telomerlänge hat. Eine Telomerverkürzung wurde in den vergangenen Jahren als wesentlicher Faktor der Alterung identifiziert. Bei der Geburt beträgt die durchschnittliche Telomerlänge 10.000 bps („base pairs“), im Alter von 20 Jahren rund 8.000 bps. Pro Jahr werden nach aktuellen Schätzungen 35–150 bps verloren. Bei einer Länge von weniger als 4.500 bps werden die Chromosomen instabil, die Wahrscheinlichkeit für schwere gesundheitliche Probleme oder Mortalität steigt exponentiell.3 In einer Studie konnte bereits ein zweiwöchiges Training bestehend aus Aerobic- oder Hochintensiveinheiten die Telomerlänge im Vergleich zur Kontrollgruppe verdoppeln.4 Damit wurden Ergebnisse aus Tierversuchen bestätigt, wonach ein guter Grad an körperlicher Aktivität die Aktivität der Telomerase ­erhöht.5

Auch die Ernährung leistet einen wesentlichen Beitrag für ein Better-Aging. Oxidativer Stress wirkt sich negativ auf die Telomerlänge aus,5 wodurch der ausgiebigen Zufuhr von Antioxidanzien ein wichtiger Stellenwert zukommt. Reaktive Sauerstoffspezies („reactive oxygen species“, ROS) begünstigen auch die Hautalterung. Carotinoide, Flavonoide, Omega-3-Fettsäuren sowie die Vitamine A, C, D und E wirken diesen Prozessen entgegen.6 Oft wird eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr als Faktor für ein Better-Aging vergessen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu berücksichtigen, dass mit steigendem Alter das Durst­gefühl abnimmt und damit eine Vulnerabilität für Dehydration besteht.7

Autophagie und Spermidin

Ein Schlüssel, um die Zellalterung zu verlangsamen, liegt in der Fähigkeit der Zellen, ihre alten Bestandteile aufzuarbeiten und wiederzuverwerten. Dieses als „Autophagie“ bezeichnete Phänomen wurde vom Japaner Yoshinori Ōhsumi näher erforscht – der Zellbiologe erhielt dafür im Jahr 2016 den Nobelpreis. Demnach werden die zu recycelnden Materialien in Membranen verpackt, welche sackförmige Vesikel bilden. Diese werden dann zu den Lysosomen transportiert und dort abgebaut. Der Prozess der Autophagie hilft bei der raschen ­Bereitstellung von Energie und von ­Bausteinen für die Zellerneuerung. Beschädigte Proteine und Organellen werden beseitigt, was den negativen Folgen des Alterns entgegenwirkt. Selbst bei ­Infektionen spielt die Autophagie eine Rolle, weil mit ihrer Hilfe eindringende Bakterien und Viren eliminiert werden können.8

Angeregt wird die Autophagie durch kontrolliertes Fasten, Bewegung und ­einen natürlicherweise im Körper vorkommenden Stoff namens Spermidin. Da der Gehalt im Körper mit steigendem Alter sinkt, muss eine verstärkte alimentäre Zufuhr erfolgen. Quellen in der Nahrung sind Weizenkeime, gereifter Käse, Erbsen, Äpfel, Nüsse, Pilze, Kartoffeln und Salat.9 Auch eine Supplementierung kann erwogen werden.

Studien mit Spermidin sind vielversprechend verlaufen. Eine Langzeitstudie aus Südtirol (n = 829) hat ergeben, dass ein höherer Konsum von Spermidin über 20 Jahre mit einem reduzierten Mortalitätsrisiko (5,7 Jahre) korreliert.10 Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Karl-Franzens-Universität Graz und der Medizinischen Universität Graz fand in Tiermodellen heraus, dass sich Spermidin positiv auf das Herz auswirkt. Die Herzelastizität wurde erhöht, Verdickungen an den Herzwänden nahmen ab. Zudem konnte der Blutdruck gesenkt werden.11

Literatur:

1 Johns Hopkins University

2 Letnes JM, Dalen H, Vesterbekkmo EK et al., Peak oxygen uptake and incident coronary heart disease in a healthy population: the HUNT Fitness Study. Eur Heart J Nov. 2018; ehy708

3 Health Clinics for Autoimmune and Chronic Diseases

4 Werner CM, Hecksteden A, Morsch A et al., Differential effects of endurance, interval, and resistance training on telomerase activity and telomere length in a randomized, controlled study. Eur Heart J. 2019 Jan 1; 40(1)

5 Nomikos NN, Nikolaidis PT, Sousa CV et al., Exercise, Telomeres, and Cancer: “The Exercise-Telomere Hypothesis”. Front Physiol. 2018; 9:1798

6 Schagen SK, Zampeli VA, Makrantonaki E at al., Discovering the link between nutrition and skin aging. Dermatoendocrinol 2012 Jul 1; 4(3):298–307

7 Harvard Medical School: Nutrition and Aging. Jul 2015

8 Eckert N, Medizin-Nobelpreis 2016 geht nach Japan – Zellbiologe Yoshinori Ohsumi für Erforschung der Autophagie ausgezeichnet. Medscape 2016

9 Heidegger D, Neue Studie: Spermidinreiche Ernährung hält den Menschen länger jung. Medizinische Universität Innsbruck 2018

10 Kiechl S, Pechlaner R, Willeit P et al., Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study. Am J Clin Nutr. 2018 Aug 1; 108(2)

11 Eisenberg T, Abdellatif M, Kiechl S et al., Cardioprotection and lifespan extension by the natural polyamine spermidine. Nat Med. 2016 Dec; 22(12):1428–1438