Zwischen Prävention und Überdosierung

Die Basis eines gesund funktionierenden Immunsystems bilden bestimmte Lebensstilfaktoren, wie ausreichend Schlaf, regelmäßige moderate Bewegung, Stressmanagement und eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Gemüse, Obst, Protein, Vollkornprodukten und fermentierten Lebensmitteln für ein gesundes Darmmikrobiom. Der Zusammenhang zwischen Darmflora und Immunsystem liegt unter anderem darin begründet, dass sich ein Großteil der antikörperproduzierenden Zellen im Darm befindet. Die effektivste Präventionsstrategie bleibt jedoch nach wie vor das Einhalten von Hygienemaßnahmen.

Unterstützende Supplemente

Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit immunmodulierenden Mikronährstoffen wie Vitamin C, Vitamin D, B-Vitaminen, Zink, Selen oder Eisen können einen gesunden Lebensstil sinnvoll ergänzen, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Besonders bei nachgewiesenem Mangel oder der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe wie Schwangeren, chronisch Erkrankten oder älteren Personen ist eine gezielte Supplementierung oft notwendig. Auch für gesunde Erwachsene kann eine Basisversorgung mit Multivitamin-Mineral-Präparaten präventiv wirken: Eine aktuelle Studie zeigt, dass eine chinesische Kohorte nach dreimonatiger Einnahme seltener an Erkältungen oder grippalen Infekten erkrankte als die Kontrollgruppe. Dennoch gilt: Das Ziel ist ein ausgeglichenes Immunsystem, kein überstimuliertes.

Mehr ist nicht immer besser

Viele Patient:innen wollen sich und ihrer Gesundheit etwas Gutes tun und nehmen täglich mehrere NEM ein. Dabei wird das Risiko einer Überdosierung oft unterschätzt. Die Kombination aus Multivitaminpräparat, Monopräparaten, Erkältungskombinationspräparat und angereicherten Lebensmitteln kann bei längerfristiger Einnahme unbewusst zu hohen Spiegeln führen. Diese sind bei wasserlöslichen Mikronährstoffen meist unproblematisch, können aber beispielsweise bei Vitamin D, Zink oder Selen zu Komplikationen führen. Die monatelange Einnahme von ≥ 50.000 IE Vitamin D pro Tag kann zu einer Hyperkalzämie führen, die sich mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit äußert. Zink wird meist bereits über die Ernährung in ausreichenden Mengen aufgenommen. Bei zusätzlicher Supplementierung kann jedoch die Tagesmaximaldosis von 40 mg überschritten werden, was Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Magenkrämpfe und Störungen des Immunsystems zur Folge haben kann. Auch bei Selen ist Vorsicht geboten, da die therapeutische Breite des Spurenelements sehr gering ist. Eine durch ständige Einnahme von Selen über Nährstoffpräparate ausgelöste Selenose führt zu neurologischen Störungen, Müdigkeit, Gelenkschmerzen, gastrointestinalen Beschwerden und im weiteren Verlauf auch zu Haarausfall, brüchigen Nägeln und Dermatitis. In der Beratung sollte auf das unterschätzte Risiko einer übermäßigen Einnahme hingewiesen werden.

Wenn man doch krank wird

Ist der Infekt bereits da, steht nicht mehr die Supplementierung, sondern die Symptomlinderung im Vordergrund. Die herkömmliche Erkältung ist viral bedingt und in den meisten Fällen selbstlimitierend. Als wichtige Basis für die Heilung gelten ausreichende Flüssigkeitszufuhr von 2–3 Litern täglich, um die Schleimhäute feucht zu halten, und genügend Ruhe und Schlaf, damit das Immunsystem effektiv arbeiten kann. Bei Schmerzen, Fieber oder Entzündungen kann Ibuprofen oder Paracetamol eingenommen werden, wobei moderates Fieber bis 38,5 °C nicht unterdrückt werden sollte, da es Teil der körpereigenen Immunantwort ist. Lokale Anwendungen wie Nasenspülungen mit isotonischer Kochsalzlösung oder warme Halswickel können ebenfalls zur Linderung der Beschwerden beitragen. Ergänzend können ausgewählte Phytotherapeutika die symptomatische Behandlung unterstützen. Unter anderem fördern Thymian und Primel das Abhusten, während Salbei und Isländisches Moos Halsschmerzen lindern. Im Beratungsgespräch kann somit für alle Patient:innen eine individuelle Lösung gefunden werden.