Es begann im Oktober …

Liebe Leserin, lieber Leser,

es begann an einem kühlen Oktobermorgen mit einem Druckgefühl beim Schlucken im Bereich der linken Gaumenmandel, setzte sich mit Schmerzen beim Schlucken, belegten Mandeln, einer zervikalen Lymphknotenschwellung fort und mündete in hohem Fieber – ich hatte zum zweiten Mal in meinem Leben eine Angina tonsillaris.

Die von mir in dieser Angelegenheit aufgesuchte, trotz eines unglaublichen Patientenansturms sehr freundliche HNO-Ärztin wollte mir nach einer eingehenden Untersuchung a priori Amoxicillin und Clavulansäure verschreiben. Mich auf das „Antibiotika-Wahlfach“ bei Professor Wolfgang Graninger besinnend, fragte ich allerdings nach Penicillin V als Therapieoption (übrigens eine Entdeckung der Firma Biochemie im Unterinntaler Dorf Kundl). Wirkt es doch sehr gut, schnell und nebenwirkungsarm gegen β-hämolysierende A-Streptokokken, die in der weit überwiegenden Zahl der Fälle für die bakteriellen Tonsillitiden verantwortlich sind. Und bei Antibiotika gilt bekanntlich: So breit wie nötig, so eng wie möglich – das Mikrobiom, über das Sie mehr auf den Seiten 7–9 im Interview mit Univ.-Prof. Dr. Georg Stingl lesen können, freut sich.

Zurück zum „Fallbericht“: Erfreulich war, dass ich vom fachlichen Standpunkt aus richtig lag. Unerfreulich war, dass Penicillin V zu dieser Zeit nicht bzw. schlecht lieferbar war, wie mir die mich behandelnde HNO Ärztin darlegte. Ich entschied mich dafür, mein Glück herauszufordern, und bat trotzdem um ein Rezept für Penicillin V. Bei der dritten Apotheke, die nun bereits eine Nachtapotheke war, hatte ich Erfolg – und drei Tage später waren alle Symptome verschwunden.

Für die Lieferschwierigkeiten gibt es laut AGES 3 vordringliche Gründe:

  1. die ausgelagerte Produktion (v. a. nach Indien und China)
  2. die Fusionierung von Pharmaunternehmen (dadurch öfter Produktion nur an einem einzigen Ort)
  3. Parallelhandel

Gerade der dritte Punkt wird in Form der Parallelexporte zurzeit wieder stark thematisiert. Die Ärztekammer pocht auf mehr Transparenz im System, sodass ersichtlich ist, wer sich mithilfe der Parallelexporte „auf Kosten der österreichischen Patientinnen und Patienten“ bereichert. Gleichzeitig soll endlich die Verknüpfung des Registers von Medikamenten mit Vertriebseinschränkungen mit der Arztsoftware erfolgen, damit schon für Verschreibende klar ersichtlich ist, ob ein Medikament auch lieferbar ist.

Eine echte Lösung des Parallelhandel-Problems wäre wohl nur auf EU-Ebene machbar, etwa in Form einer EU-weiten Preisfestsetzung bei Medikamenten. Wenn man allerdings bedenkt, wie schwierig im Gesundheitssektor bereits österreichweite Regelungen gefunden werden können, ein unwahrscheinliches Szenario.

Ich möchte mich bei Ihnen im Namen des gesamten Teams von ARZT & PRAXIS für Ihr Interesse im Jahr 2022 bedanken und wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr 2023!

Herzlichst
Ihr

Dr. Sebastian Pokorny
Chefredakteur