„Fortbildung geht uns alle an“

Arzt & Praxis: Heuer wird zum zweiten Mal überprüft, ob alle tätigen Ärzte ihrer Fortbildungspflicht nachgekommen sind – Stichtag ist der 1. September. Welches Ergebnis erwarten Sie sich?

Thomas Szekeres: Ich bin beeindruckt und stolz darauf, dass bei der ersten Überprüfung im Jahr 2016 fast 100 % der Ärzteschaft die Vorgaben erfüllt haben, und erwarte mir ein ähnliches, wenn nicht noch besseres Ergebnis für dieses Jahr. Den gesetzlichen Auftrag an die Ärzte, sich fortzubilden, gibt es zwar schon lange, nur wurde dies bis vor wenigen Jahren nie kontrolliert und auch nicht geahndet. Mittlerweile muss der Fortbildungsnachweis mit einem gültigen DFP-Diplom oder der erforderlichen Anzahl an DFP-Punkten erbracht werden – das wird von der Akademie der Ärzte überprüft und bei Nichteinhaltung durch den Disziplinaranwalt der Ärztekammer verfolgt. Dazu muss man sagen, dass wir weitgehend der einzige Beruf sind, wo das in dieser Form passiert. Außer den Piloten fällt mir keine einzige Profession ein, wo die Überprüfung der Fortbildung so streng umgesetzt wird.

Bei der ersten Überprüfung im Jahr 2016 haben etwas mehr als 1.300 Ärzte den Fortbildungsnachweis auch bis zum Ablauf der Nachfrist nicht erbracht. Welche Konsequenzen hatte das für die Betroffenen?

Das betraf in erster Linie Ärztinnen und Ärzte, die bereits in Pension und nicht mehr wirklich ärztlich tätig waren, deren Ordination aber noch angemeldet war. Viele dieser Ordinationen sind mittlerweile geschlossen. Ganz vereinzelt gibt es auch Ärzte, die sich weigern, den Fortbildungsnachweis zu erbringen. In diesem Fall werden empfindliche Geldstrafen verhängt – das kann aber auch bis zum Entzug der Berufsberechtigung gehen. Jeder Fall wird individuell und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände behandelt.

Was macht ein gutes Fortbildungsan­gebot aus?

Es gibt eine Fülle von unterschiedlichen Fortbildungen, die gerne in Anspruch genommen werden, und das auch an sehr attraktiven Veranstaltungsorten wie etwa in Museen oder im Gebäude der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Aber natürlich sind die Themen und die Vortragenden das eigentlich Spannende und das, was die Zuhörer mitreißt.
Auch die Akademie der Ärzte hat ein tolles Programm anzubieten – ich denke da zum Beispiel an die Ärztetage in Grado oder Velden, die, wie mir auch Kollegen bestätigen, immer spannender und interessanter werden und auch immer besser besucht sind. Solche Fortbildungstage machen auch mir viel Spaß. Die Themen sind gut, man trifft Kollegen und kann, wenn das Wetter mitspielt, die Pausen nutzen, um das Meer oder den Wörthersee zu genießen. Aber auch die Landesärztekammern in den Bundesländern bemühen sich, aktuelle Fortbildungen mit Fokus auf verschiedene Fachbereiche zu organisieren.

Wie stehen Sie zu Fortbildungsveranstaltungen, die von der Industrie unterstützt werden?

Was wir ablehnen, ist ein Einfluss der Industrie auf die Fortbildung und deren Inhalte. Es soll verhindert werden, dass gewisse Präparate oder Behandlungspfade beworben werden. Unsere Fortbildungen in Wien finanzieren wir ohne Hilfe der Industrie. Die Unterstützung beschränkt sich lediglich auf die Standgebühr bei der Industrieausstellung. Eine Einflussnahme der Firmen auf das Programm darf es aber nicht geben. Selbst wenn man nur die wissenschaftlichen Hintergründe zu einem Präparat präsentiert, sollte das unabhängig von der Industrie geschehen. Es soll nicht der Fall sein, dass sich eine Firma Fortbildungen kauft, um ihr Präparat zu promoten.

Welche Rolle spielt medizinische Fortbildung für Sie persönlich?

Da ich hauptberuflich weiterhin am Allgemeinen Krankenhaus Wien als Oberarzt im Labor tätig bin und die Kammerfunktion eigentlich eine nebenberufliche Tätigkeit darstellt, muss auch ich meinen Fortbildungsnachweis erbringen. Dadurch, dass ich viel auf Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen bin, gelingt mir das problemlos. Angenehm finde ich, dass sich die Administration der Fortbildungspunkte in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat und die Punkte in vielen Fällen automatisch auf das Fortbildungskonto gebucht werden.

Was halten Sie vom neuen Onlineauftritt von meindfp.at?

Das neue Log-in-System ist zwar beim ersten Mal ein bisschen mühsam, hat aber zwei große Vorteile: Es funktioniert auf allen Websites der Ärztekammer und ist zudem sehr sicher. In Zeiten wie diesen ist es enorm wichtig, auf die Sicherheit im Internet zu achten. Die Akademie der Ärzte bemüht sich, das österreichische Fortbildungsangebot auf ihrer Website zu konsolidieren und den Kollegen eine gute Übersicht zu geben. Ich finde vor allem die Möglichkeit toll, direkt online Punkte zu erwerben, und ich kenne viele Kollegen, die das sehr gerne in Anspruch nehmen und sich viele DFP-Punkte direkt im Internet erarbeiten.

Print oder digital – was ist beliebter?

Das ist wahrscheinlich eine Generationenfrage. Ich gehöre jener Gruppe an, die gerne ein Buch oder eine Broschüre in der Hand hat, musste aber natürlich auch lernen, mit elektronischen Medien umzugehen. Die Jüngeren haben selbstverständlich eine größere Affinität zum Digitalen. Ich denke aber, dass es auch in Zukunft ein Nebeneinander geben wird. Es wäre wirklich schade, würde das Buch oder die Zeitschrift aussterben. Für mich ist es ein schönes Gefühl, die Seiten durchzublättern; das Tablet nehme ich nur auf Reisen zur Hand – da ist es praktikabler. Ein großer Vorteil der digitalisierten Fortbildung ist aber sicherlich auch, dass ich praktisch von überall aus Lernvideos anschauen oder Artikel herunterladen kann. Die Möglichkeiten, sich online fortzubilden, werden immer vielfältiger und besser, und ich kenne auch viele ältere Kollegen, denen das Spaß macht. Ich persönlich muss jedoch zugeben, dass ich mir im Internet noch keinen einzigen DFP-Punkt erarbeitet habe.

Wie sehen Sie die zunehmende Digitalisierung in der Medizin abseits der Fortbildung?

Digitalisierung in der Medizin ist ein spannendes, wenngleich auch sehr breites Thema. Was man dabei allerdings beachten muss, ist, dass eine Behandlung immer einen persönlichen Kontakt zum Patienten voraussetzt. Es ist jedoch möglich, einen ersten Eindruck über ein Foto oder ein Videotelefonat zu gewinnen. Hier gibt es bereits viele hilfreiche Applikationen, beispielsweise auch bei der Verlaufskontrolle von chronischen Erkrankungen – ich denke da etwa an digitale Apps für die Blutzuckermessung bei Diabetespatienten. Allerdings wird die Digitalisierung niemals den persönlichen Kontakt und auch niemals die physikalische Krankenuntersuchung ersetzen können, insbesondere nicht das An- und Begreifen des Patienten sowie die persönliche Interaktion.

Stichwort „persönliche Interaktion“ – warum werden Arzt-Patienten-Gespräche nicht refundiert?

Zuwendungsmedizin ist etwas, das vor allem der Hausarzt besonders gut machen kann, da er die Patienten und ihre Familien meist über eine lange Zeit hinweg begleitet und besonderes Vertrauen genießt. Wir wissen, dass 95 % der Patienten ihren Hausarzt maximal schätzen – viel mehr als den niedergelassenen Fach- oder Spitalsarzt. Deshalb ist es wichtig, dass es den Hausarzt auch weiterhin gibt und die beruflichen Rahmenbedingungen attraktiviert werden. Einerseits durch die Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin und andererseits durch eine Honorierung, die sich an jener der Fachärzte orientiert. Dazu gehört auch eine Refundierung der Zuwendungsmedizin. Leider ist das alles noch nicht der Fall.
Aktuell sinkt die Zahl der Kassenärzte jedoch, was unweigerlich zu einem Anstieg der Patientenzahlen in den einzelnen Ordinationen führt und noch weniger Zeit für Gespräche und Beratung lässt.

Woran liegt es, dass die Bewerbungen um Kassenstellen zurückgehen?

Das ist einerseits vom Fach abhängig, aber auch davon, dass die jüngeren Kollegen, die bald zu mehr als der Hälfte Kolleginnen sind, eine private Ordination bevorzugen, um nicht im Korsett der Krankenkasse zu stecken. Ich habe unlängst mit einer Kinderärztin gesprochen und konnte nachvollziehen, warum sie sich nicht um einen Kassenplatz bewirbt. Die Kollegin, die selbst gern Kinder hätte – was für eine Kinderärztin nicht ganz unerwartet ist –, kann aus einer Kassenordination heraus nicht in Karenz gehen. Das geht in einem Angestelltenverhältnis wesentlich einfacher. Wichtig ist es also, Modelle zu entwickeln, bei denen man auch für längere Zeit aus einer Kassenordination herausgehen kann – eventuell durch die Zusammenarbeit mit anderen Kollegen, wo einer den anderen vertreten kann.

Sind die Schienen für diese Modelle bereits gelegt, etwa durch die Möglichkeit, dass Ärzte andere Ärzte anstellen können, oder durch Primärversorgungseinrichtungen?

Die Anstellung von Ärzten bei Ärzten ist sicherlich eine große Hilfe. Auch weil viele jüngere Kolleginnen und Kollegen sich nicht gleich zu Beginn ihrer Karriere um die Einrichtung der Ordination, das Personal oder die Farbe der Vorhänge kümmern wollen … sie möchten Medizin machen! Die Zahl derer, die sich die Führung einer Ordination „antut“, nimmt ab. In diesem Zusammenhang haben die Primärversorgungseinrichtungen auch eine Bedeutung, man darf sie in ihrer Leistungsfähigkeit aber auch nicht überbewerten: Dass sie etwa den klassischen Hausarzt ersetzen können, glaube ich nicht und hoffe es auch nicht. Ein Nebeneinander macht jedoch Sinn.

Wo sehen Sie die Vor- beziehungsweise Nachteile der Zentren?

Der Patient kann sich den behandelnden Arzt nicht mehr so einfach aussuchen, dafür gibt es längere Öffnungszeiten. Wir wissen aus Beispielen in Wien, dass dieses Modell vor allem für das jüngere Patientenkollektiv attraktiv ist. Beim klassischen Hausarzt ist nicht nur ein engerer Patientenkontakt, sondern auch die lokale Nähe gegeben. Die wohnortnahe Betreuung und damit die Möglichkeit, dass auch ältere und behinderte Patienten ihren Arzt leicht erreichen können, ist ein wichtiger Aspekt in der Versorgung.

Welche gesundheitspolitischen Erwartungen haben Sie an die aktuelle Übergangsregierung?

Natürlich hätten wir lieber auf eine politisch so turbulente Zeit verzichtet, aber ich bin optimistisch, dass die Republik unter der Expertenregierung mit Mag. Dr. Brigitte Zarfl als Gesundheitsministerin gut weiterfunktionieren wird und dass aktuelle Anliegen, bei denen es eine schnelle Entscheidung braucht, auch umgesetzt werden können, zum Beispiel im Falle von Grippewellen, Masern etc. Das große Fragezeichen ist, wie es mit der Sozialversicherung und der Zusammenlegung der Krankenkassen weitergeht. Hier wurden zwar schon viele Entscheidungen getroffen, es sind aber auch noch einige Fragen offen – insbesondere die Rolle der Bundesländer, sowohl die der Bundesländer-Ärztekammern als auch die der Bundesländerstellen der Krankenkasse. In der Vergangenheit wurden sehr viele Vereinbarungen auf regionaler Ebene getroffen, und das war unserer Meinung nach auch gut so, da es sehr schwierig ist, von Wien aus zu entscheiden, in welchem Vorarlberger Tal beispielsweise welcher Facharzt sinnvoll ist und welche Stelle nachbesetzt werden muss und welche nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

„Wir Ärzte sind weitgehend die einzige Berufsgruppe, bei der die regelmäßige Fortbildung nicht nur verpflichtend ist, sondern auch überprüft wird.“ − a.o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres