Fortbildung – über den Tellerrand hinausschauen

ARZT & PRAXIS: Herr Doktor Thalhammer, Sie sind Universitätsprofessor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien, außerdem Additivfacharzt für Infektiologie und Tropenmedizin. Wo ­liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?

Mein Forschungsschwerpunkt ist einerseits die Pharmakokinetik von Anti­infektiva bei Organersatzverfahren, das heißt, meine Arbeitsgruppe beschäftigt sich beispielsweise damit, welche Dosierung eines bestimmten Antibiotikums bei Patienten, die dreimal wöchentlich dialysiert werden müssen, adäquat ist. Hier sind meine Mitarbeiter unter der Federführung von Dr. Vossen dabei, auch ein In-vitro-Modell zu etablieren.
Mein zweiter wissenschaftlicher Schwerpunkt ist das moderne Wundmanagement. Hier ist es uns gelungen, eine prospektive, randomisierte, doppel­blinde Studie zu konzipieren. Für diese Studie suchen wir übrigens noch Patientinnen oder Patienten mit einem ­venösen Ulkus.

Neben der Forschung und Ihrer Tätigkeit als Arzt sind Sie auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT). Welche Aktivitäten setzt die ÖGIT im Bereich der ärztlichen Fortbildung?

Die Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropen­medizin ist im Bereich der „infektiologischen“ Fortbildung sehr aktiv. Vor zehn Jahren haben die Kollegen Prof. Weiss und Prof. Wenisch den 1. Österreichischen Infektionskongress auf die Beine gestellt, den wir gemeinsam sehr erfolgreich als den Infektionskongress in Österreich etablieren konnten. Mittler­weile kann man sagen, es trifft sich bei diesem Event das infektiologisch-­mikrobiologische „Who is who“ von Österreich, alle am Fach interessierten Kollegen, sodass die Teilnehmerzahl jährlich steigt – 2016 werden wir wahrscheinlich 500 (!) Kolleginnen und Kollegen in Saalfelden bei unserem jährlichen Kongress begrüßen können.
Neben dem jährlichen Infektionskongress organisieren wir regelmäßig Konsensus-Meetings, deren Ergebnisse auf unserer Homepage (www.oegit.eu) frei zugänglich sind. Und last but not least gibt es noch die Veranstaltungsreihe „Giftiger Dienstag“ (seit 1997!), „Giftiger Donnerstag Hospital“, „Giftiger Samstag“ sowie „Gift-Tage“ zu speziellen Themenkreisen, die federführend von mir gemeinsam mit Karl Buresch von Medical Dialogue in Kooperation mit der ÖGIT, dem Fortbildungsreferat der Wiener Ärztekammer sowie der Medizinischen Universität Wien organisiert werden. Das jeweils aktuelle Fortbildungsangebot kann auf www.infektiologie.co.at eingesehen werden. In diesem Zusammenhang darf ich mich bei allen Beteiligten sehr herzlich für die langjährige Unterstützung bedanken.

Als Fortbildungsbeauftragter der ÖGIM sind Sie speziell für Fortbildung im Bereich des Faches Innere Medizin mit seinen zahlreichen Subdisziplinen verantwortlich. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Im Bereich der Inneren Medizin gibt es zahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten, die jedoch sehr oft sehr spezifisch auf die einzelnen Teilfächer bzw. auf die (neuen) Sonderfächer zugeschnitten sind. Mir ist wichtig, dass wir Internisten trotz der notwendigen Spezialisierung das Gesamtfach nicht aus den Augen verlieren. Deshalb ist es in meinen Augen notwendig, auch über den eigenen Tellerrand zu blicken. Um das zu erreichen, versuche ich bei der Fortbildungsreihe „Innere Medizin compact“ das Organ in den Mittelpunkt zu stellen und trockenere Themen mittig zu positionieren, damit die interessanteren Themen am Rand als Magnet wirken können.
Neben diesen Fortbildungsmöglichkeiten hält die Österreichische Gesellschaft für Innere Medizin seit mehr als zehn Jahren Seminare mit Fallbeispielen zur Vorbereitung auf die Facharzt­prüfung in Kooperation mit der Donau-Universität Krems ab. Und auf unserer Jahrestagung bieten wir seit zwei Jahren erfolgreich Hands-on-Kurse sowie eine interaktive Fortbildungsschiene an.

Welche Aktivitäten setzt die ÖGIM, um Ärzte zur Fortbildung zu motivieren?

Gemeinsam mit unseren ­Medienpartnern (Ärztekammer für Wien, MedMedia, Medizin Medien Austria) sowie unserer ÖGIM-App versuchen wir, die Kolleginnen und Kollegen auf unsere zahlreichen Veranstaltungen aufmerksam zu machen. Der wichtigste Motivationsfaktor sind meiner Meinung nach qualitativ hochwertige Veranstaltungen, aus denen die Kollegenschaft Wissen und praktische Tipps für die tägliche Patientenversorgung mitnehmen kann. Erfüllen wir den Qualitätsanspruch, haben wir die beste Werbung, die es gibt, gratis: die Mundpropaganda. Der „Fortbildungsmitbewerb“ wächst stark und es sollte sich allein die Qualität durchsetzen – diese kann man an den Teilnehmerzahlen ablesen. Unsere sind sehr zufriedenstellend.

Was könnte man Ihrer Meinung nach verbessern bzw. stärken?

Ein Rückschlag war die Abmahnung durch einen Rechtsanwalt, weil ein Handout, welches zum Download zur Verfügung gestellt wurde, ein nicht lizenziertes Foto enthielt. Vorträge leben natürlich teilweise von Bildern – ein Bild sagt mehr als tausend Worte –, nur hat dies unter den Referenten zu großer Verunsicherung geführt. Juristisch gesehen war die Abmahnung korrekt, allerdings stellt sich die Frage, ob dies bei akademischen Fortbildungen ebenso zutrifft. Künftig wird es keine oder nur abgespeckte Handouts geben. Hier ist die Österreichische Ärztekammer sicher gefordert, auch in Anbetracht der Tatsache, dass ab 1. September 2016 die Diplom-Fortbildungs-Punkte überprüft werden.

Die von Ihnen geleitete, beliebte Fortbildungsreihe „ÖGIM FLIP“ wird auch 2016 fortgeführt – unter dem Namen „ÖGIM – Innere Medizin compact“. Was ist neu gegenüber den letzten Jahren?

Die „Innere Medizin compact“ fand erstmals im Jahr 2007 statt, im Folgejahr gab es an die 300 Teilnehmer. Anschließend mussten wir eine schöpferische Pause einlegen, 2013 konnte gemeinsam mit den Medizin Medien Austria (­großer Dank an Frau Tschapka!) „ÖGIM FLIP“ aus der Taufe gehoben werden. Im heurigen Jahr kehren wir zu unseren Wurzeln zurück: Gemeinsam mit MED­ahead, der Medizinischen Universität Wien sowie dem Fortbildungsreferat der Wiener Ärztekammer wird die alt-neue Veranstaltung „Innere Medizin compact“ (www.oeimc.at/) am 29. ­Februar 2016 im Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien stattfinden. Unser Medienpartner MEDahead wird wieder jener sein, mit dem wir 2007 die ersten Veranstaltungen ausgerichtet haben. Neu ist hingegen der Veranstaltungsort: Der Van-Swieten-Saal ist ein toller Veranstaltungsraum der Medizinischen Universität Wien – flexibel und technisch auf dem neuesten Stand, strahlt er das Flair der ehrwürdigen medizinischen Schulen aus. Auch die „Giftigen Samstage“ werden ab 2016 hier stattfinden. Das Konzept der Veranstaltungsserie bleibt unverändert, da es sich in all den Jahren bewährt hat.

Welche Themen stehen heuer im ­Vordergrund und nach welchen Gesichts­punkten wurden diese ausgewählt?

Das Programm ist breit gefächert, organ­orientiert und innerhalb eines Organs versuche ich, ebenfalls jeweils vier unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Da nicht jedes Jahr alle Organe ­abgebildet werden können, gibt es jährlich andere Organschwerpunkte, wobei unser zentrales Organ aufgrund seiner Bedeutung jedes Jahr vorkommt: das Herz. Zu den einzelnen Themen versuche ich immer die österreichischen Spitzenmediziner als Vortragende zu gewinnen – ein Unterfangen, das fast immer gelingt. Da dies eine ÖGIM-Veranstaltung ist, bemühe ich mich auch, alle Bundesländer in die Gestaltung, d. h. als Referenten, einzubinden.

Wer sollte diese Fortbildungsreihe ­besuchen?

ALLE, natürlich! Unsere angehenden Mediziner, Jungdoktoren, Altdoktoren, Internisten, Nicht-Internisten. Die Veranstaltung steht allen Medizinerinnen und Medizinern offen, das belebt auch die Diskussion. Am 23. Mai 2016 findet auch eine „Innere Medizin compact SPEZIAL“-Veranstaltung statt, die wir gemeinsam mit der Herzchirurgie der MedUni Wien ausrichten werden. Es sind ALLE herzlich eingeladen und es sollen auch ALLE kommen!

Auch für jene, die keine Zeit haben, die einzelnen Veranstaltungen persönlich zu besuchen, werden die Fortbildungs­inhalte nutzbar gemacht. Wie?

Die Inhalte der einzelnen Veranstaltungen werden durch einen ausgezeichneten Medizinjournalisten aufbereitet und nach Freigabe durch die einzelnen Referenten sowie Prüfung durch ein Review Board als DFP-Beitrag erscheinen. Bei Versäumen der Liveveranstaltung ist so ein ergänzendes Literaturstudium möglich.

Neben Veranstaltungen und dem ­klassischen Literaturstudium gewinnen auch digitale Fortbildungsformate immer mehr an Bedeutung. Wie sehen Sie ­diesen Trend?

E-Learning ist zweifelsfrei auf dem Vormarsch und bei FLIP war ich selbst überrascht darüber, wie groß die Zugriffszahlen auf den Videostream waren. Diese Option wird es aufgrund der geschilderten Rechtsproblematik bei der „Inneren Medizin compact“ einstweilen nicht geben, da es weder den Referenten noch den Veranstaltern zumutbar ist, zehnseitige Verträge abschließen zu müssen, wie dies bei manchen Kongressen, die entsprechende Videos anbieten, inzwischen üblich ist. Allerdings können wir dies vielleicht mit einer Fortbildungs-App kompensieren. Derzeit basteln wir daran.

Sie selbst sind Autor der App „Anti­biotika & Antiinfektiva“. Was kann diese App, was erwartet den User?

Die App „Antibiotika & Antiinfektiva“ hat den „Schlanken Thalhammer“, der in sechs Auflagen erschienen ist, abgelöst. Der iOS-User muss die App zwar einmalig käuflich erwerben, es entstehen jedoch keine weiteren Kosten, die App kann offline verwendet werden und wird von mir regelmäßig aktualisiert. Die App deckt alle Fragen zu Indikationen, Dosierungen und Nebenwirkungen von Antiinfektiva ab. Sie wird auch von der Expertenplattform coliquio zu den 25 wichtigsten Mediziner-Apps gezählt.

Welche Art der Fortbildung bevorzugen Sie persönlich?

Ich persönlich bevorzuge Livever­an­staltungen, weil eine direkte Diskussion mit den Vortragenden möglich ist und man durch die Diskussion auch weitere ­Aspekte kennenlernen kann. E-Learning mittels Videostream hat den großen Vorteil, zeitunabhängig und ­portionsweise konsumiert werden zu können, nur bin ich persönlich hierfür meist zu ungeduldig – daher doch lieber live.