HNO-Ausbildung: Für Allgemeinmediziner nur noch freiwillig

ARZT & PRAXIS: Früher war HNO als Ausbildungsfach für Allgemeinmediziner für mindestens zwei Monate verpflichtend. Was hat sich durch die neue Ärzte-Ausbildungsordnung geändert?

Peter Franz: Die Ausbildung nach der neuen Ärzte-Ausbildungsordnung, die seit 2015 in Kraft ist, beginnt mit einer neunmonatigen Basisausbildung, die für alle angehenden Allgemeinmediziner und Fachärzte verpflichtend ist. Daran schließt für die allgemeinärztliche Ausbildung ein 27-monatiger Spitalsturnus an und zum Schluss noch eine verpflichtende Lehrpraxis in der Ordination eines Arztes für Allgemeinmedizin für sechs Monate. Im 27-monatigen Spitalsturnus gibt es einige vorgeschriebene Fächer, wie zum Beispiel Innere Medizin, Kinder- und Jugendheilkunde, Frauen- und Geburtsheilkunde sowie Orthopädie und Psychiatrie. Zusätzlich müssen zwei Wahlfächer in der Dauer von mindestens drei Monaten absolviert werden.
Unglücklicherweise sind gerade jene Fächer Wahlfächer, die für Allgemeinmediziner ganz besonders wichtig sind. Und eines davon ist die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Es ist so, dass etwa 60 % der Diagnosen beim praktischen Arzt HNO-Diagnosen sind, und die werden jetzt nicht mehr verpflichtend im Spital unterrichtet. Weitere Wahlnebenfächer sind Haut- und Geschlechtskrankheiten und die Neurologie. Auch Hauterkrankungen sind ein häufiges Krankheitsbild, wegen dem Patienten zum praktischen Arzt gehen, und dasselbe gilt für die Neurologie.

Was bedeutet das konkret für die ­klinische Praxis?

Jeder Allgemeinmediziner sollte lernen, richtig ins Ohr und in den Mund zu schauen. Das ist relativ einfach, man braucht aber doch einige Kunstgriffe, entsprechendes Wissen und Erfahrung, um richtig beurteilen zu können. Bei Kindern ist es beispielsweise manchmal gar nicht so einfach, zwischen einem Paukenerguss und einer Otitis media zu unterscheiden. Und genau diese Unterschiede kann man auf einer Fachabteilung lernen. Dasselbe gilt auch für die Diagnose des Schwindels und dessen Zuordnung. Ein HNO-bedingter Schwindel ist zwar dramatisch in der Symptomatik, aber ungefährlich, während bei einem neurologisch bedingten Schwindel oft akuter Handlungsbedarf besteht. Auf einer HNO-Fachabteilung kann man gut lernen, verschiedene Formen des Schwindels zu diagnostizieren. Bei jenen, die das Wahlfach nicht absolvieren, bleibt zu hoffen, dass sie sich diese Fähigkeiten in der Lehrpraxis aneignen.

Glauben Sie, dass das in Zukunft Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben wird?

Aktuell werden die – ich nenne sie jetzt einmal „Wald-und-Wiesen-Diagnosen“ der HNO zu einem großen Teil von den Allgemeinmedizinern abgefangen und versorgt. Dazu zählen unter anderem Mittelohrentzündungen, Sinusitis und Halsentzündungen. Wenn Allgemeinmediziner diese Erkrankungen zukünftig nicht mehr an einer Fachabteilung vermittelt bekommen, kann es schon sein, dass sich das auf die Qualität der Versorgung auswirkt. In einer Großstadt wie Wien funktioniert die Kommunikation zwischen den Allgemeinmedizinern und den HNO-Fachärzten sehr gut und wir haben hier den Vorteil, dass schwierigere Fälle rasch zugewiesen werden können. Ich könnte mir aber vorstellen, dass im ländlichen Bereich der Allgemeinmediziner noch viel mehr gefordert ist. Da die neue Ärzte-Ausbildungsordnung erst 2015 begonnen hat, werden wir die Auswirkungen erst in einigen Jahren zu spüren bekommen.

Ist bekannt, wie viele angehende ­Allgemeinmediziner HNO als Wahlfach belegen?

Ich habe seit Kurzem den ersten Kollegen im Wahlfach HNO an meiner Abteilung. Von unserem Bundesfachgruppenobmann, Herrn Dozent Luxenberger, habe ich eine aktuelle Auswertung erhalten, wie viele Allgemein-mediziner HNO wählen. Seit Bestehen der Ausbildungsstellenverwaltungsapplikation wurden in Summe 1.426 Ärzte als in Ausbildung zur Allgemeinmedizin nach der neuen Ärzte-Ausbildungsordnung stehend gemeldet. Davon waren 201 Personen auf einer Ausbildungsstelle mit dem Fachbereich HNO. Das entspricht etwa 14 %. Aufgrund der bis jetzt vorliegenden Daten und Erfahrungen lässt sich dadurch aber leider noch nicht prognostizieren, wann diese Kollegen fertig sein werden, und dementsprechend auch nicht, wie viele das Wahlfach noch im Rahmen ihrer Ausbildung absolvieren werden. Die jungen Kollegen beginnen die Ausbildung mit den ganzen internistischen Fächern und machen erst zum Schluss die Wahlfächer. Die Ausbildung nach der neuen Verordnung ist seit dem 1. März 2015 möglich, womit die ersten fertigen, vollständig nach dem neuen System ausgebildeten Allgemeinmediziner für März 2021 zu erwarten sind.

Stehen den Kollegen alternative ­Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für HNO zur Verfügung?

In beiden Häusern des Wiener Krankenanstaltenverbundes, in denen ich Vorstand bin, also in der Rudolfstiftung und im Donauspital, werden wir im kommenden Jahr entsprechende neue Möglichkeiten schaffen und an mehreren Tagen im Jahr Fortbildungsseminare im Krankenhaus anbieten – insbesondere für jene Kollegen, die die Ausbildung zum Allgemeinmediziner machen und nicht das Wahlfach HNO absolvieren. Ich hoffe, das Interesse wird groß sein.

Im Oktober fand der 62. Österreichische HNO-Kongress in Bregenz statt. Was war Ihr persönliches Highlight der diesjährigen Veranstaltung?

Das Thema des heurigen HNO-Kongresses war die Altersmedizin, der Fokus lag unter anderem auf Schluckstörungen, die gerade bei Älteren zur stillen Aspiration führen können, und auf der hörprothetischen Versorgung. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Assoziation zwischen Hörstörungen und der Entwicklung von Demenz. Man konnte nämlich nachweisen, dass Innenohrschwerhörigkeit in jüngeren Lebensjahren eine der wichtigsten Prädispositionen für die Entwicklung einer Demenz ist. Die rechtzeitige Diagnose und Behandlung von Schwerhörigkeit bekommen damit noch zusätzliche Bedeutung.

Vielen Dank für das Gespräch!