Interview

Oberstes Ziel: Betroffene im Beruf halten

ARZT & PRAXIS: Kürzlich fand in Linz der 2. Berufsdermatologische Kongress statt. Wie haben Sie die Veranstaltung erlebt?
Dr.in Barbara Ebner: Ich habe mich sehr gefreut, dass wir den Berufsdermatologischen Kongress schon zum zweiten Mal in Linz veranstalten durften. Von den ca. 60 Teilnehmenden waren der Großteil Dermatolog:innen, aber auch Arbeitsmediziner:innen, Allgemeinmediziner:innen und einige Pflegefachkräfte besuchten die Veranstaltung.
Sehr positiv habe ich die Bereitschaft zur Vernetzung empfunden, denn gerade die Behandlung von Berufsdermatosen erfordert eine gute Zusammenarbeit von Dermatologie, Arbeits- und Allgemeinmedizin.
Der Themenbogen spannte sich von der Diagnostik und Therapie beruflich bedingter chronisch entzündlicher Hautkrankheiten wie Psoriasis, atopische Dermatitis oder Handekzem bis hin zum weißen Hautkrebs als „neue“ Berufskrankheit.

Wie häufig sind berufsbedingte Hauterkrankungen?
Berufsdermatosen waren lange Zeit die zweithäufigste Gruppe von Berufserkrankungen – nach der Lärmschwerhörigkeit. Mit Beginn der Coronapandemie verdrängten die Infektionskrankheiten, einschließlich COVID-19, die berufsbedingten Hauterkrankungen vom zweiten auf den dritten Platz .
In Europa liegt die Zahl der Berufsdermatosen bei 0,5–1 Neuerkrankungen pro 1.000 Beschäftigte pro Jahr. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein, denn viele berufsbedingte Erkrankungen werden nicht als solche erkannt oder gemeldet. Im Berufsdermatologischen Zentrum in Linz haben wir seit der Eröffnung im Jahr 2019 mehr als 600 Abklärungen bezüglich des Verdachts auf eine beruflich bedingte Kontaktallergie durchgeführt.
Zu den häufigsten Berufsdermatosen zählen das irritativ-toxische Handekzem, gefolgt vom kontaktallergischen und atopischen Handekzem. Zunehmendes Interesse gilt dem beruflich bedingten Hautkrebs.

Stichwort Hautkrebs als Berufskrankheit: Wie ist hier die aktuelle Situation?
In Österreich wird eine Berufskrankheit generell nur als solche anerkannt, wenn der Beruf bzw. die schädigende Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird. Dieser Unterlassungszwang bei schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankungen ist in unserem Nachbarland Deutschland Anfang 2021 gefallen. Zusätzlich gibt es in Deutschland die Möglichkeit, den durch UV-Strahlung verursachten weißen Hautkrebs (aktinische Keratose oder Plattenepithelkarzinom) als Berufskrankheit anerkennen zu lassen. Das geht in Österreich leider noch nicht. Eine Meldung und Anerkennung sind jedoch durch die sogenannte „Generalklausel“ möglich. Durch diese Generalklausel stehen auch Krankheiten unter Versicherungsschutz, die nicht in der Liste der Berufskrankheiten enthalten sind, sofern sie nachweisbar berufsbedingt sind und durch schädigende Stoffe oder Strahlen hervorgerufen werden.
Weißer Hautkrebs als Berufserkrankung betrifft insbesondere Outdoor-Worker wie Bauarbeiter:innen, Dachdecker:innen und Landwirt:innen. Aber auch Fahrradkurier:innen oder Skilehrer:innen sind in ihrem Beruf teils massiver Sonnenstrahlung ausgesetzt.

Wie kompliziert ist die Anerkennung einer Berufsdermatose?
In diesem Prozess spielen die betreuenden Ärzt:innen – von Dermatolog:innen über Arbeitsmediziner:innen bis hin zu Hausärzt:innen – eine essenzielle Rolle. Wichtig ist, dass die Kolleg:innen für das Problem sensibilisiert sind und bei Verdacht auf eine beruflich bedingte Hauterkrankung eine Meldung erstatten. Damit erhöht sich die Chance der Betroffenen, dass ihnen geholfen wird, indem sie eine adäquate und spezielle Betreuung erhalten.
In der Vergangenheit wurde den Patient:innen primär geraten, ihren Beruf aufzugeben und sich umschulen zu lassen. Heute versuchen wir, die Patient:innen nach Möglichkeit so zu betreuen, dass sie ihren Beruf weiter ausüben können. Eine Berufsaufgabe hat ja nicht nur wirtschaftliche Folgen – wenn z. B. ausgebildete Facharbeiter:innen nicht weiter zur Verfügung stehen –, die meisten Menschen haben sich für einen Beruf entschieden, der ihnen liegt und den sie gerne ausüben, sodass eine Umschulung nicht immer einfach ist.

Inwieweit unterscheidet sich die Betreuung von Patient:innen mit Berufsdermatosen von jener anderer dermatologischer Patient:innen?
Grundsätzlich sind wir als Dermatolog:innen dafür ausgebildet, Hauterkrankungen zu erkennen und adäquat zu behandeln. Die Diagnose beruflich bedingter Hauterkrankungen ist aber oft knifflig. Man muss sich in die Arbeitsabläufe der Patient:innen hineindenken und mit den Patient:innen ausführliche Gespräche führen, um beispielsweise gezielt nach Kontaktallergenen suchen zu können. Werden Kühlschmiermittel mit bestimmten Bioziden verwendet? Besteht Kontakt zu Epoxidharzen, und sind diese ausgehärtet oder nicht ausgehärtet? Diese kleinen, aber feinen Details können von großer Relevanz sein, wenn es darum geht, auf welche Substanzen getestet werden soll.
Die Therapiemaßnahmen richten sich nach dem jeweiligen Krankheitsbild. Große Bedeutung kommt der Beratung und Implementierung geeigneter Schutzmaßnahmen zu. Hier spielt auch die Arbeitsmedizin eine wichtige Rolle, beispielsweise, wenn es um die Abänderung von Arbeitsprozessen geht. Die Betroffenen benötigen eine individuelle Schutzausrüstung, die von dem/der Dienstgeber:in bereitzustellen ist. Dazu zählen z. B. spezielle Schutzhandschuhe, aber auch Pflegeprodukte, die nach der Arbeit angewendet werden sollen.
Zusammenfassend benötigen Patient:innen mit Berufsdermatosen eine interdisziplinäre und differenzierte Betreuung, um das oberste Ziel, den Verbleib im Beruf unter Erhalt der Hautgesundheit, zu erreichen.