AML: Innovative Therapie­strategien – Immuntherapie und neue Substanzen

Galt die akute myeloische Leukämie (AML) noch in den 1960er Jahren als unheilbar, zeigte das darauffolgende Jahrzehnt bereits durchschlagende Erfolge: das „3+7“-Regime wurde etabliert, der „Graft-versus-Leukämie“-Effekt der allogenen Stammzelltransplantation (HSZT) beschrieben und mit Azacitidin wurden gute Ergebnisse erzielt. Neue und zielgerichtete Strategien entwickelten sich aus zwei wesentlichen Erkenntnissen der AML-Biologie: einerseits deren enorme genetische Heterogenität, andererseits der Existenz von „leukämischen Stammzellen“ (LSC), die in erster Linie für Krankheitspersistenz und Relaps verantwortlich sind. Basierend darauf wurden bereits einige Pharmaka entwickelt und zugelassen: Midostaurin und Gilteritinib für FLT3-mutierte Leukämien, Ivosidenib und Enasidenib für jene mit IDH1/2-Mutation sowie Gemtuzumab-Ozogamicin für CD33-positive AML, Venetoclax mit BCL2 als Target, Glasdegib mit der Hedgehog-Signaltransduktionskette. Überdies wurde CPX-351 als liposomale Cytarabin/Daunorubicin-Formulierung und orales Azacitidin für die Erhaltungstherapie der AML bewilligt. Neue in klinischer Prüfung befindliche Strategien beinhalten neue Substanzen, wie z.B.  Eprenetapopt für TP53-mutierte AML und Myelodysplastische Syndrome, aber auch neue Kombinationen, wie z.B. Venetoclax mit intensiver Chemotherapie und HSZT. Orales Azacitidin wird für die Erhaltung post HSZT geprüft. Ein großes Feld der klinischen Entwicklung widmet sich der Immuntherapie. Ideale Voraussetzung dafür ist die Identifizierung eines Neoantigens, das bevorzugt auf AML-Blasten und LSC, nicht jedoch auf gesunden hämatopoetischen Stammzellen exprimiert ist. Dagegen werden monoklonale Antikörper entwickelt, die ggf. mit Pharmaka konjugiert sind oder als bispezifische Antikörper zusätzlich CD3-Lymphozyten binden und Zytotoxizität auslösen. Beispiele sind Magrolimab (gegen CD47 gerichtet) und Cusatuzumab (gegen CD70 gerichtet). Flotetuzumab, ein DART („dual affinity retargeting“)-Antikörper, bindet sowohl CD123, ein LSC-spezifisches Antigen, als auch CD3-positive T-Zellen. In früher Entwicklung sind genetisch modifizierte CAR-T-Zellen, deren wesentliche Zielantigene CLL1 und CD123 sind. Eine wesentliche Herausforderung immuntherapeutischer Strategien bei der AML – neben der Frage des optimalen Zeitpunktes – ist jene, dass eine profunde Immundefizienz vorliegt, die durch leukämische Zellen in ihrer Funktion als „myeloische Suppressorzellen“ verursacht wird.