Multiples Myelom: Refraktärität – Konsequenzen?

Entsprechend den Kriterien der International Myeloma Working Group (IMWG)1 ist ein Myelom refraktär bei mindestens 30 Tagen unter Therapie und Progredienz innerhalb von 60 Tagen nach der letzten Gabe des Medikaments. Nachdem wir die meisten PatientInnen mit einer Erhaltungstherapie oder in späteren Linien mit einer angepassten, eventuell deeskalierten Therapie behandeln, ist die neuerliche Behandlung nach Eintreten einer Lenalidomid-Refraktärität die häufigste Konstellation. Bei Relapse unter Lenalidomid-Erhaltung bringt eine Steigerung der Dosis und die Ergänzung von Steroiden oder die Kombination mit anderen Medikamenten bestenfalls eine kurzzeitige Stabilisierung. Es wird eher die komplette Umstellung, möglichst mit Class-Switch, empfohlen. Bei fitten PatientInnen soll mit einer Triple-Therapie behandelt werden. Die meisten Kombinationen sind bereits mittels Phase-III-Studien etabliert, für manche Kombinationen existieren gute Phase-II-Studien.2, 3 Das Ausschöpfen aller Möglichkeiten ist wichtig, da viele PatientInnen spätere Therapielinien wegen Komplikationen oder zu rascher Progredienz nicht mehr erreichen.4 Insbesondere ein früher Relapse (z.B. innerhalb von 12-18 Monaten nach einer autologen Stammzelltransplantation) bedeutet eine äußerst schlechte Prognose. Die Therapie sollte bereits bei biochemischer Progredienz eingeleitet werden, zumindest aber bei raschem Anstieg des Gradienten bzw. der freien Leichtketten im Serum.
Bei triple-class-refraktären PatientInnen ist eine sehr schlechte Prognose vorhanden, aber hier gibt es nunmehr neue Optionen: Zugelassen ist Selinexor + Dexamethason nach dem STORM-Trial.5 Zu beachten ist hierbei die hohe Rate an Übelkeit, Thrombopenie, Hyponatriämie und Neutropenie, die Begleittherapie muss konsequent umgesetzt werden. Weiters bereits verfügbar ist Belantamab mafoditin6, das ebenso eine circa 30%ige Response-Rate aufweist, meist im Laufe der Zeit aber wegen Kerato-Toxizität unterbrochen werden muss – dennoch können Remissionen lange anhalten. Eine Zulassung ist auch bald für Teclistamab zu erwarten, ein bispezifischer Antikörper, der in der Phase-Ib/II-Studie MajesTEC-1 eine Response-Rate von 62 % erreicht hat und lange Remissionen bewirken kann.7 Das Management des Zytokin-Freisetzungssyndroms (engl.: cytokine release syndrome, CRS) und das Auftreten von anhaltenden Neutropenien trotz Remission, stellen Herausforderungen im Management dar. Vielversprechende Medikamente erzielten nach Phase-II/III- Studien trotz guter Remissionsraten aufgrund von gehäuften tödlichen Infektionen keine Zulassung, darunter PD-1-Hemmer (trotz guter Rationale mit Förderung des immungenic cell death), Venetoclax (nur durch weitere Studien bei t(11;14) könnte eine Zulassung in dieser Subgruppe erreicht werden) und das Peptid-Drug-Konjugat Melflufen. Das Infektionsmanagement ist in diesen späten Erkrankungsphasen von enormer Bedeutung.8
Schließlich ist nunmehr eine Zulassung eines CAR-T-Zell-Präparats (Idecabtagen Vicleucel, Ide-cel) vorhanden9, jedoch kann trotz des hohen Preises die Nachfrage derzeit nur auf dem lukrativeren US-Markt bedient werden. Noch bessere Daten mit nahezu 100 % Remissionsrate und langen Remissionen zeigte Ciltacabtagene Autoleucel (Cilta-cel).10 Hier ist die Zulassung ebenso bald zu erwarten, eine Heilung ist jedoch auch damit nicht zu erreichen.
Die Anzahl an weiteren präklinischen und klinischen Studien auf Basis von neuen Ansätzen der Präzisionsmedizin oder aufgrund von neuen Technologien ist gerade beim multiplen Myelom riesig und sollte in den nächsten Jahren viele neue, aber auch dringlich erforderliche Möglichkeiten liefern.