DAS SCHLUSSWORT: Alte und neue Mythen in der Medizin

Subjektive Wahrnehmungen und Wahrheiten von Gesundheit stammen teilweise aus vorwissenschaftlichen Zeiten und halten sich dennoch bis heute in Medizin und Gesellschaft auf unerwartete Weise. Moderne Kommunikationsmöglichkeiten tragen ihres dazu bei, dass sich unbewiesene Theorien und falsche Erwartungen rascher denn je verbreiten. Wo viele Daten, da auch viele Interpretationsspielräume.

Immer deutlicher zeigt sich: Medizin ist nicht allmächtig. Unterstützung bekommt diese – be- und widerlegbare – Theorie von den Ergebnissen der heurigen Gesundheitsgespräche am Europäischen Forum Alpach. Wir wissen, dass wir nichts wissen und es ist weder be- noch widerlegt, ob zum Beispiel Disease-Management-Programme wirklich Leben retten oder nur die Statistik der Erkrankten hinauftreiben. Oder ob Fleisch krebserregend ist und Krebs endlich heilbar ist. Auf den Punkt brachte es der finnische Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Teppo Järvinen: „Eine retrospektive Analyse der im New England Journal of Medicine zwischen 2001 und 2010 erschienenen Studien mit 363 in der Medizin praktizierten Therapien hat ergeben, dass ein erheblicher Teil dessen, was wir tun, nichts anderes als medizinischer Abfall ist.“

Mit einigen hartnäckigen Mythen kann auch die Medizinprodukte-Branche gut mithalten, wie etwa mit der Überzeugung, dass Medizinprodukte überaus unsichere Hilfsmittel der Mediziner sein müssen und daher eine neue Verordnung dringend erforderlich sei. Nur so könne das Dahinscheiden vieler Patienten – verursacht durch schlecht funktionierende oder qualitativ mangelhafte Medizinprodukte – eingedämmt werden. Dem Aberglauben ist auch mit Fakten nicht entgegenzutreten, obwohl der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in einer Publikation belegt, dass nur 0,2% aller dokumentierten Fälle von Behandlungsfehlern auf ein Medizinprodukt zurückzuführen ist. Der Rest liegt etwa in der mangelnden Hygiene oder der faschen Anwendung, also Faktoren, die vom Produkt selbst gar nicht zu beeinflussen sind.

Ein weiterer Mythos hält sich ebenso hartnäckig und macht vielen Anwendern oft das Leben schwer: Es muss gespart werden, vorzugsweise an teuren Medizinprodukten, die ohnehin nichts bringen würden. Dass Forschung und Entwicklung in der Medizinprodukte-Branche seit jeher eine wesentliche Rolle spielen und nur so hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards, aber auch Einsparungen im Gesundheitswesen garantiert werden können, bleibt im Verborgenen. Kürzere Krankenhausaufenthalte, eine kürzere Heilungsdauer und verbesserte Prozesse sowie eine verbesserte Lebensqualität spielen in der öffentlichen Spardebatte meist eine geringe Rolle. Damit im Zusammenhang steht bereits der nächste hartnäckige Aberglaube: Medizinprodukte-Unternehmen werden als Wirtschaftsfaktor überschätzt. Tatsächlich aber generiert jeder Euro an Produktion der AUSTROMED-Mitgliedsunternehmen einen weiteren Euro an Produktion in der heimischen Wirtschaft. Der so ermittelte Produktionswert beläuft sich damit auf mehr als 3,4 Milliarden Euro. Ähnlich verhält es sich mit den geschaffenen Arbeitsplätzen: Je ein Beschäftigter innerhalb der AUSTROMED-Mitglieder sichert indirekt mehr als einen weiteren Arbeitsplatz in Österreich. In Summe sind das rund 20.000 Arbeitsplätze.

Nahtlos erfolgt damit der Übergang zum nächsten Mythos: Den Unternehmen ginge es doch ohnehin viel zu gut. Dringend sind aus Sicht der AUSTROMED jene politischen Rahmenbedingungen schaffen, die die gewachsene Struktur und das gesunde Unternehmensumfeld unserer Branche erhalten und diese nicht durch einseitige Maßnahmen zur Kostendämpfung aufs Spiel setzen. Und auch der Bundeskanzler forderte kürzlich in einem in einem Gastkommmentar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Umdenken hin zu mehr Investitionen, um die heimische Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Nur Österreich als starker Standort gewährleistet eine patienten- und anwendernahe Versorgung!Wie Aufklärung in der Medizin nun an Stelle des Aberglaubens treten kann, konnte letztendlich auch in Alpbach nicht restlos geklärt werden. Halten wir es vorläufig mit den Science Busters und ihrem gleichnamigen Buch „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ und setzen wir unermüdlich die Arbeit als Interessensvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen im Sinne der neuen Aufklärung fort!n

Ihr

Christian Braun