Einkaufen nach Plan

Hersteller und Händler von Medizinprodukten haben den Schwerpunkt ihrer heimischen Zielmärkte in Einrichtungen der öffentlichen Hand, wie etwa Krankenhäusern, Spitalsträgern oder Sozialversicherungen. Diese Kunden unterliegen dem Vergaberecht, das heißt, dass alle Beschaffungsvorgänge den Regeln des EU-Rechtes und des österreichischen Vergaberechtes unterliegen. Damit ist der Vorgang des „Einkaufens“ formalisiert und sowohl für Anbieter als auch Nachfrager ein Set an Rechten und Pflichten festgeschrieben. Das hat Vor- und Nachteile, wie Rechtsanwalt MMag. Robert Keisler, Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz im Team für Vergaberecht, Wettbewerbsrecht und Öffentliches Recht, weiß: „Ein wichtiger Vorteil ist, dass das Vergaberecht von Grundsätzen geprägt ist, die das Geschäftsleben fair gestalten sollen. Dazu gehören etwa die Gleichbehandlung und die Tranparenz. Letztere verpflichtet Auftraggeber zur öffentlichen Bekanntmachung und eröffnet potenziellen Interessenten überhaupt erst die Möglichkeit, über den Beschaffungsbedarf informiert und mit einem Angebot dabei zu sein. Auch die Nachteile kennt Keisler genau: „Sie ergeben sich vor allem aus der Formalisierung der Angebotsprozesse. Da sind Fristen einzuhalten, Nachweise vorzulegen oder Formulare auszufüllen und all das bindet gerade in kleineren Unternehmen wertvolle Ressourcen.“

War früher alles besser?

Vor dem Inkrafttreten des EU-harmonisierten Vergaberechtes waren genau diese Formalismen nicht vorhanden. Kundenbeziehungen waren wirklich noch echte „Beziehungen“, die über Jahre hinweg bestanden und kaum Mitbewerbern Chancen ließen, zum Zug zu kommen. Eine der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit den neuen Regelungen sieht der Jurist im Machtkampf zwischen Preis und Qualität. „Auch das hat zwei Seiten. Die Auftraggeber haben einen Ermessensspielraum, welche Rolle die Qualität im Verfahren spielen soll. Hier denke ich, dass wir vermutlich am heimischen Markt keine Produkte im Verkehr haben, die den grundlegenden Anforderungen nicht entsprechen würden. Technisch gesehen müssen ja alle Medizinprodukte einem Zertifizierungsprozess unterworfen werden und über eine CE-Kennzeichnung verfügen. Andererseits sind öffentliche Auftraggeber gefordert, mit den Mitteln aus Steuern und Abgaben sparsam umzugehen und den billigeren Anbieter auszuwählen“, sagt Keisler. Berechtigte Kritik wird daher laut, wenn es darum geht, dass innovative Produkte den Weg zum Patienten finden sollen, denn die sind oft teurer und werden daher in Billigstbieterverfahren das Nachsehen haben.

 

 

Qualität kann honoriert werden

Damit im Zusammenhang steht auch das Thema der Standortsicherung: „Im Gesetz ist der EU-weite Wettbewerb eine grundlegende Forderung. Auch ein Auftraggeber kann es nicht steuern, aus welchem Land die Angebote kommen.“ Billiganbieter aus dem Ausland haben nur dann wenige Chancen, wenn der Qualität, die heimische Betriebe ohne Zweifel zu bieten haben, bei der Bewertung der Angebote der Vorzug gegeben wird. Durch eine entsprechende Gewichtung der Vergabekriterien ist das jederzeit möglich, sofern sich der Auftraggeber dafür entscheidet, hier einen Schwerpunkt zu setzen. „In vielen Ausschreibungen ist auch das Erbringen von Serivceleistungen vor Ort gefordert, da können eindeutig heimische Betriebe aufgrund der kurzen Wege ihre Vorteile ausspielen“, meint der Vergaberechtsexperte.

KMU-Schutz ist „zahnlos“

Für die Zukunft sieht Keisler Tendenzen, dass die Beschaffungsprozesse weiter zentralisiert werden, auch länderübergreifend – wie es bereits die aktuelle Novelle des Bundesvergabegesetzes 2018 begünstigt. Höhere Stückzahlen und Volumina könnten gerade für Klein- und Mittelbetriebe (KMU), wie sie in der österreichischen Unternehmerlandschaft dominieren, eine Gefahr darstellen. „Die Stärkung der KMU ist im Vergabegesetz vorgesehen, etwa durch die Teilung großer Aufträge in Lose. Tatsächlich handelt es sich aber um eine zahnlose Bestimmung, die in der Praxis wenig respektiert wird“, berichtet Keisler aus Erfahrung.
Usus ist es hierzulande auch nicht, dass die Unternehmen von Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch machen, die das Gesetz bietet. Einsprüche müssen nicht gleich als Schikane bewertet werden und Rechtsmittel sollten wahrgenommen werden. Das gilt etwa bei Rahmenvereinbarungen, die ohne Abnahmeverpflichtung ausgeschrieben werden: „In Österreich sind die Grenzen der Zulässigkeit noch nicht ausjudiziert. Ob derartige Ausschreibungen zulässig sind oder missbräuchlich verwendet werden, hat noch kein Unternehmen juristisch verfolgt. Wenn Ausschreibungsunterlagen diskriminierende Bestimmungen enthalten, gibt es viel Potenzial für Bieter, die eigene Position zu stärken“, bringt der Jurist als Beispiel.
Die Erfahrung aus anderen Branchen zeigt, dass sich Auftraggeber rasch daran gewöhnen, einen Einspruch nicht als Kritik oder gar Beleidigung aufzufassen, sondern als Teil des gemeinsamen Prozesses. „Schließlich ist jeder Einspruch auch eine gute Möglichkeit, zu lernen und sich für die nächste Ausschreibung zu entwickeln“, so Keisler.
Der häufig beklagte bürokratische Aufwand ist durch die E-Vergabe über Onlineplattformen mittlerweile einfacher geworden: „Hier ist die Lernkurve aber noch steil. Natürlich ist für viele kleine Betriebe der Aufwand hoch, die erforderlichen Bestätigungen beizubringen und alles hochzuladen, aber ich denke, wer oft bei Ausschreibungen mitmacht, wird hier bald routinierter und weiß die Vorteile der Plattformen dann auch zu nutzen“, ist der Experte überzeugt.