„Flatten the Curve“ – Spitäler auf dem Weg zum „Normalbetrieb“

Spitäler sind auf dem Weg zum „Normalbetrieb“. Wo sind derzeit die großen Herausforderungen und wie würden Sie die Situation aktuell beschreiben?

Koller: Der Normalbetrieb läuft mittlerweile ca. zu 80 %, etwa bei OP-Kapazitäten und im Ambulanzbetrieb. Da noch viele Ressourcen für Corona bereitgestellt werden müssen – das ist nicht nur die Patientenversorgung, sondern auch administrative Tätigkeiten zur Nachvollziehbarkeit, Triagen im Eingangsbereich, Contact Tracing oder die Einhaltung der Verordnungen –, ist es eine große Herausforderung für die Spitäler, auf „Normalbetrieb“ zu schalten.

Was sind die bis jetzt wichtigsten Learnings aus den letzten Monaten im Zeichen der Pandemie?

Ein dezentrales Management ist sehr wichtig, damit dringende Ad-hoc-Entscheidungen im Haus rasch getroffen werden können. Eine Vorratshaltung ist unbedingt notwendig, das heißt, wir müssen uns überlegen, wie Pandemielager auszusehen haben. Insgesamt braucht es für den gesamten Gesundheitssektor einen Plan zur Unabhängigkeit, das heißt für Medizinprodukte oder für Schutzausrüstung aus österreichischer oder EU-Produktion.

Gab es Engpässe in der Versorgung mit Medizinprodukten?

Teilweise gab es Engpässe zu Beginn der Pandemie in Wien. Gelöst werden konnte diese Herausforderung durch das Zusammenspiel vieler Faktoren: durch eine straffe Organisation, insbesondere die rasche Bildung eines zentralen Pandemielagers für Schutzausrüstung, eine professionelle zentrale und dezentrale Bedarfsprüfung, die wienweite Organisation über die Rechtsträger hinaus, die große Unterstützung einiger Medizinprodukte-Firmen über die eigene Zuständigkeit hinaus, verstärkte interne Kommunikation zum sparsamen Umgang mit Produkten, Kommunikationsaustausch unter den Spitälern.

Wo darf aus Ihrer Sicht keinesfalls gespart werden, wo gibt es Optimierungspotenzial, sodass wir für Entwicklungen, wie wir sie derzeit erleben, auch künftig gerüstet sind?

Die Pandemie hat gezeigt, dass dezentrales Management förderlich ist, um rasche Entscheidungen durchführen zu können. Diverse Abhängigkeiten von Dritten, auch verbundinterne Abhängigkeiten wie gemeinsame Küchen, Apotheken bzw. Abhängigkeit von Lieferanten, sind nachteilig. Durch die Einsparungswelle der letzten Jahre ist der Sicherheitspuffer, zum Beispiel zur Vorratshaltung, immer weniger geworden.

Wie können wir das Gesundheitssystem – während die Pandemie „weiterläuft“ – parallel besser rüsten? Was sind Ihre Top-5-Maßnahmen im Spitalssektor?
  • Die interne Festlegung und Vorbereitung von COVID-19-Stationen und Grippe­stationen,
  • die Einrichtung von Pandemielagern mit einem Einmonatsbedarf dezentral und einem Viermonatsbedarf zentral,
  • die Schaffung von Epidemie-Ärzten in den Krankenhäusern zur Unterstützung der Behörde bei Anlassfällen,
  • die hausinterne Risikobewertung zur Durchführung von Corona-Tests bei Mitarbeitern und
  • die Schaffung von Erstversorgungs­ambulanzen, eventuell mit Unterstützung externer ärztlicher Dienstleistungen zur Triagierung bzw. Erstbegutachtung.