Grenzgänge: Einblick in das heimische Vergaberecht

Das Vergaberecht hat in Österreich noch keine besonders lange Tradition, denn bis in die 90er-Jahre war die Vergabe öffentlicher Aufträge kaum reglementiert. Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erforderte verbindliche Vorschriften. Das schaffte Fairness und Rechtsschutz einerseits, aber auch einen gewissen bürokratischen Aufwand andererseits – sowohl bei der ausschreibenden Stelle wie etwa einem Krankenhaus als auch dem Lieferanten wie einem Medizinprodukte-Unternehmen.
In Österreich gilt derzeit das Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018), das am 21.8.2018 in Kraft getreten ist. Es gilt für alle Branchen, die der öffentlichen Hand Waren oder Leistungen anbieten, demnach auch für alle Medizinprodukte-Unternehmen. „Die Schwierigkeit in der Gesundheitsbranche ist die gewachsene Struktur, denn Hilfsmittel und Heilbehelfe waren nicht immer Teil des Vergaberechtes, sondern wurden im Zuge von Gesamtverträgen im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ausgehandelt“, erklärt Rechtsanwalt und Vergabejurist Mag. Martin Schiefer. Die Sicherung der Gesundheitsversorgung als eine wichtige öffentliche Aufgabe unterliegt nach wie vor einer Reihe bundesweiter und regionaler Planungsinstrumente, allen voran dem Österreichischen Strukturplan Gesundheit, der mit dem Vergaberecht punktuell in einem Spannungsverhältnis steht.

Produkte im Spannungsfeld

„Die große Kunst ist es, über die Ausschreibungen jene Produkte zu finden, die sich der Anwender für seine Arbeit wünscht, die aber auch vergabekonform sind“, fasst Schiefer den in der praktischen Umsetzung notwendigen Spagat zusammen und betont: „Ein Beschaffungsprozess ist viel Arbeit. Es beginnt damit, alle Betroffenen in einem kommunikativen und partizipativen Prozess zusammenzuholen und überhaupt ihre Bedürfnisse und Wünsche abzuklären.“ Auch hier wird wieder ein Spannungsfeld evident, das es in der Praxis aufzulösen gilt: Beschaffer arbeiten ökonomisch orientiert, Ärzte patientenorientiert – und das muss nicht immer zusammenpassen. Für eine Ausschreibung muss der Auftraggeber abgestimmt mit den Anwendern dann sehr klar definieren können, welche Produkte und Leistungen gekauft werden sollen. Gleichzeitig kommen Unternehmen ins Spiel, die ihrem Angebot natürlich ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb geben.

Bürokratischer Aufwand steigt

Für Medizinprodukte-Unternehmen, die meist Klein- und Mittelunternehmen sind, macht es das Bundesvergabegesetz auch ressourcentechnisch schwieriger, an Ausschreibungen teilzunehmen, denn: Im Gegensatz zur klassischen Vergabe wird ab bestimmten Auftragsvolumina eine elektronische Vergabe durchgeführt, das heißt, die Kommunikation zwischen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern erfolgt elektronisch über Plattformen. In diesen datenzentrierten Portalen müssen die Daten in vorher vom Auftraggeber definierten Datenfeldern eingegeben werden. „Ein gültiges Angebot kann nur abgeben werden, wenn alle Anforderungen erfüllt sind – das heißt, ein Medizinprodukte-Unternehmen muss im E-Procurement besonders fit sein, um überhaupt in der Lage zu sein, formal an dieser Ausschreibung teilzunehmen“, resümiert Schiefer und ergänzt: „Künftig wird das Vergaberecht noch komplexer werden. Das heißt, es ist weder für den Auftraggeber noch für den Auftragnehmer einfach, ein ausschreibungskonformes Verfahren durchzuführen oder ein entsprechendes Anbot abzugeben.“ Dass mit steigendem Aufwand auch die Kosten dafür zunehmen – bei knapper werdenden Ressourcen –, macht die Lage insgesamt nicht besser. „Beide Seiten sind gut beraten, sich kompetente Berater zu suchen oder sich schulen zu lassen, sonst wird es über kurz oder lang zu einer Marktbereinigung kommen“, sagt Schiefer. Er nimmt aber auch Auftraggeber in die Pflicht: „Es empfiehlt sich, jene Teile aus der umfassenden Rechtsmaterie herauszuarbeiten, die wirklich für das Anbot relevant sind, um hier den Aufwand überschaubar zu halten.“ Dann ist es aus der Sicht des Rechtsanwaltes auch möglich, den Fokus auf wesentliche inhaltliche Dinge zu legen, wie etwa die Versorgungssicherheit, Qualität oder Innovationen. „Alles ist im Rahmen des Gesetzes jetzt schon möglich, wenn man es anzuwenden versteht“, so Schiefer.
Nach wie vor ist an dem Satz „Wer billig kauft, kauft teuer“ viel Wahres dran. Wer immer nur den Preis ins Kalkül zieht, wird nicht zum gewünschten Ergebnis kommen, denn auch Qualität und Service sind gerade in der Medizin wichtige Parameter. „Was es dringend braucht, ist mehr Vertrauen in die Lieferanten und auch mehr Planungssicherheit für die Unternehmen“, betont der Experte.

Grenzen und Möglichkeiten für Innovationen

Die Innovationspartnerschaft ist im Vergaberecht eine besondere Form des Vergabeverfahrens. Ziel dabei ist die Entwicklung eines innovativen Produkts oder einer innovativen Leistung und der anschließende Erwerb der daraus hervorgehenden Leistungen. Damit haben trotz der strengen Regelungen Innovationen im Markt ihren Platz – vorausgesetzt, die Anbieter und Nachfrager setzen sich mit der Materie intensiv auseinander, denn: „Die Problematik ist nicht, dass das Vergaberecht innovationshemmend ist, sondern dass die Branche definieren muss, was konkret unter einer Innovation zu verstehen ist“, so der Jurist.

Wenig Chancen sieht Schiefer bei der Konzentration auf regionale Anbieter: „Medizinprodukte bewegen sich auf einem internationalen Markt. Regionale Anbieter könnten etwa bei der Lagerhaltung, der Servicierung oder einer Notfallversorgung besonders punkten.“ Auch hier gilt: Wer sich in die Materie einarbeitet, wird Wege finden

Die drei größten Vorurteile gegenüber neuen Wegen in der Beschaffung
  1. Der Vergabeprozess kostet zu viel Zeit und Geld.
  2. Bewährte Lieferanten kennen die Ansprüche und man kann sich auf die bekannten Produkte verlassen.
  3. Ausländische Unternehmen könnten auf den Markt drängen.

AUSTROMED STANDPUNKT

Wir fordern, dass bei der Auftragsvergabe auf die regionalen Gegebenheiten Rücksicht genommen wird. Nicht der niedrigste Preis, sondern das wirtschaftlich günstigste Angebot muss ausschlaggebend sein. Es braucht eine sektorenübergreifende Sicht: So können etwa auch der Patientennutzen oder soziale Auswirkungen eine Rolle spielen, im Sinne eines „value based procurement“.