Im Gespräch mit Dr. Lothar Roitner

Preis schlägt Qualität – muss das in Ausschreibungen immer so sein?

Nein, muss nicht sein. Das Bundesvergabegesetz stellt es der ausschreibenden Stelle frei, Ausschreibungen vorzunehmen, die entweder auf den besten Preis, das Billigstbieterprinzip oder auf die beste Qualität abstellen. Bei gewissen Ausschreibungen ist das Bestbieterprinzip rechtlich sogar zwingend vorgesehen. Im Auftrag des FEEI hat das WIFO eine Studie erstellt, die zeigt, dass in Österreich rund die Hälfte der Ausschreibungen im Oberschwellenbereich mittels Bestbieterprinzips vergeben werden. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass das Bestbieterprinzip, so wie es vom Gesetzgeber vorgesehen ist, deutlich zu kurz kommt. Tatsache ist, dass die Gewichtung von sogenannten „preisfremden“ oder Nicht-Preis-Kriterien zu gering ist: Bei etwa einem Drittel aller Bestbietervergaben in Österreich wird der Preis mit mindestens 90 Prozent gewichtet. Auch wenn andere Kriterien zum Einsatz kommen, ist der überwiegende Teil der Bestbieterausschreibungen nach wie vor sehr stark preisdominiert. Preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service werden in Österreich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben damit keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Wie kommen dennoch Innovationen auf den Markt?

Entscheidend ist, wie die ausschreibende Stelle die Regelung interpretiert. Im letzten Jahr wurde im Bundesvergabegesetz erfreulicherweise das Instrument der Innovationspartnerschaft eingeführt, das eine gemeinsame Entwicklung zwischen öffentlichem Auftraggeber und innovativem Unternehmen erleichtern soll. Darüber hinaus arbeiten Unternehmen ja nicht ausschließlich für öffentliche Auftraggeber, die an das Vergaberecht gebunden sind. Die Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sind jedenfalls so spezialisiert, dass sie trotzdem viele Innovationen auf den Markt bringen.

Bestbieterverfahren sind oft verdeckte Billigstbieterverfahren. Wie können Unternehmen die Spielräume in Bestbieterverfahren dennoch nützen?

Tatsache ist, dass die Spielräume bei versteckten Billigstbieterverfahren, also Verfahren bei denen durch sogenannte Feigenblattkriterien ein Bestbieterverfahren vorgetäuscht wird, eher gering sind. Hier können Unternehmen nur versuchen, bei den Qualitätskriterien so gut wie möglich abzuschneiden. Unternehmen können sich nur an die Ausschreibung halten, aber daher ist genau das noch eine der Forderungen, mit der wir als FEEI immer wieder an die Politik herantreten – eine Beschränkung der Preisgewichtung bei Bestbieterverfahren.

Läuft das in anderen Ländern anders und wenn ja, warum geht es dort?

Die Vergabepraxis in Österreich ist im internationalen Vergleich sehr stark preisdominiert: In keinem anderen Land sind so viele Bestbieterverfahren vom Preis bestimmt. Hier ist Österreich mit Ländern wie Polen und Slowenien vergleichbar, die jedoch überproportional häufig vom Billigstbieterprinzip Gebrauch machen. Unsere Studie mit dem WIFO hat gezeigt, dass andere Länder wie Italien, Niederlande, Großbritannien und Frankreich hier Vorreiter sind und eine sehr gute Balance in der Gewichtung von Preis und anderen Kriterien schaffen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Während es in Italien rechtlich vorgesehen ist, dass bei Bestbieterverfahren der Preis nicht mit mehr als 80 Prozent gewichtet werden darf, scheint gerade im Norden Europas ein anderes Verständnis der herrschenden Regularien zu bestehen. Fakt ist, das Bestbieterprinzip kann ein effektives Instrument sein, um Innovation, Technologien und Wertschöpfung in Österreich zu stärken.