Im Gespräch mit …

Wo sehen Sie die größten Chancen und Herausforderungen für das heimische Gesundheitswesen in der Umsetzung der MDR und IVDR?

Die beiden EU-Verordnungen für Medizinprodukte legen hohe Standards für die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika fest und gewährleisten damit ein hohes Gesundheitsschutzniveau. Herausforderungen sind die zeitgerechte Implementierung dieser Verordnungen und die Sicherstellung einer kontinuierlichen Bereitstellung von Medizinprodukten.

Was wird sich nach 2020/22 verändert haben?

Nach den anfangs zu erwartenden Engpässen bei den Benannten Stellen wird sich eine Stabilisierung des Systems einstellen.

Wo steht Österreich hier im internationalen Vergleich?

Behörden, Hersteller und Benannte Stellen in ganz Europa haben derzeit das Problem, ausreichend qualifizierte und erfahrene Mitarbeiter auf diesem Sektor zu finden. Österreich ist bemüht, im Bereich der Behörden die entsprechenden personellen Ressourcen in den nächsten Jahren aufzustocken.

Patientenschutz und Patientenwohl haben höchste Priorität im Medizinprodukterecht. Doch scheint das Pendel derzeit in die andere Richtung auszuschlagen: Verhindert „zu viel“ Regulierung, dass Innovationen überhaupt noch Platz haben?

Für den Gesundheitsschutz der Patienten und Anwender sind hohe Qualität und Sicherheit auch bei innovativen Produkten absolute Grundforderungen. Die Produkte müssen einer sorgfältigen klinischen Bewertung und einem umfassenden Risikomanagement unterzogen werden.

Es gibt Studien, die eine drastische Markt­einschränkung vorhersagen. Wie beurteilen Sie diese Befürchtungen?

Um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, enthalten beide Verordnungen eine Übergangsfrist für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten, die den Altregelungen entsprechen. Trotz dieser Übergangsfristen ist es sehr wichtig, die Anforderungen der neuen Regulative zeitgerecht zu berücksichtigen.

Patienten sollen von sicheren Medizinprodukten profitieren. Darüber sind sich alle Experten der medizintechnischen Industrie einig. Dennoch scheinen viele der neuen Vorschriften kaum wirtschaftlich erfüllbar – wie sehen Sie das?

Hohe Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten sind die Voraussetzungen für den Gesundheitsschutz. Unsichere Medizinprodukte mit schlechter Qualität sind ethisch nicht vertretbar und wirtschaftlich gesehen für die Industrie und das Gesundheitswesen problematisch.

Die Herausforderung bei der Entwicklung der „Medical Device Regulation (MDR)“ ist die Menge von über 500.000 unterschiedlichen Produkten, von der Mullbinde bis zu hoch­riskanten Herzschrittmachern. Ist das überhaupt sinnvoll? Wären hier nicht Einzelregelungen für Produktgruppen sinnvoller gewesen?

Die „Medical Device Regulation (MDR)“ stuft die Produkte abhängig von ihrem Risiko in unterschiedliche Risikoklassen ein. Bei Produkten mit niedrigem Risiko führt der Hersteller die Konformitätsbewertung in Eigenverantwortung durch, bei den höheren Risikoklassen ist eine Benannte Stelle einzubinden; mit zunehmendem Risiko steigt die „Strenge“ des Verfahrens. Es macht Sinn, alle Produkte einem gemeinsamen Regulativ zu unterwerfen. Einzelregelungen für Produktgruppen würden zu einem unübersichtlichen Regelwerk führen.

Werden wir mit den Regulierungen tatsächlich mehr Patientensicherheit erreichen oder dem Markt wichtige Innovationen vorenthalten?

Innovative Produkte sind für Patienten sehr wichtig, diese müssen sich aber auch darauf verlassen können, dass hohe Qualität und Sicherheit der Produkte gewährleistet sind.