Klimawandel im Gesundheitswesen

Eines ist klar: Es geht längst nicht mehr nur um eine technische, sondern vielmehr um eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Es geht aber auch um den „sozialen“ und „zwischenmenschlichen“ Klimawandel und damit all jene Fragen, die im Zusammenhang mit der Ressourcenknappheit sowie den Spar- und Zusammenlegungsplänen, aber auch den steigenden Ansprüchen an die medizinische Versorgung auftauchen und sich auf die Patientenversorgung und die knappen Personalressourcen am Arbeitsplatz Krankenhaus auswirken.

Warum erlebt der Begriff „Nachhaltigkeit“ aktuell ein Revival?

Das Thema ist in der Tat im Gesundheitswesen nicht neu. Schon vor mehr als 20 Jahren wurden die EMAS-Verordnung, ISO 14001 oder British Standards auf überaus hohem Niveau in den Betrieben der Gesundheitswirtschaft und Krankenhäusern implementiert, der Schwerpunkt lag auf ökologischen Maßnahmen und der Kreislaufwirtschaft.
Energiekosten machten rund 4 % des Gesamtbudgets im Spital aus, dieser Hebel ist heute umso größer, als sich die Kosten gerade in jüngster Zeit mehr als verdoppelt haben. Zudem haben viele Spitäler in Europa einen Investitionsstau zu verzeichnen: Energie war vergleichsweise billig, angespannte Budgets verhinderten weiterreichende Investitionen.
Unternehmen und Spitäler sehen jetzt Vorteile. Wir haben zum Beispiel im AKH eine Turbokältemaschine eingebaut mit einer Amortisationsdauer von sieben Jahren. Unter der Energiekrise werden es jetzt nur mehr rund drei Jahre sein. Besonders virulent ist diese Entwicklung zum Beispiel in Deutschland, wo private Krankenhausträger in ihrer Existenz bedroht sind.
Heute hat der Begriff „Nachhaltigkeit“ einen neuen Boost erhalten und gewinnt unter dem Blickwinkel der Resilienz eine viel weiterreichende Bedeutung. Das Thema ist mitten in der Gesellschaft, vor allem in der jungen Generation, angekommen und wird den Verbrauchern in allen Bereichen ihres Lebens immer wichtiger. Krisen bewirken auch immer ein Umdenken und ein Besinnen auf traditionelle Werte wie Regionalität, Kooperation, lokale Versorgungsstrukturen, aber auch den Schutz der Lebensräume oder den sozialen Zusammenhalt – all das sind Teilbereiche einer nachhaltigen Entwicklung.

Was können Spitäler hier mitnehmen? Welche Unterstützung benötigen sie?

Es wurde schon sehr viel umgesetzt, wie etwa die Lebensmittelverschwendung, der Anteil an Bioprodukten von regionalen Zulieferern in der Küche und auch bei der Beschaffung wird ein Augenmerk auf den Schutz der Umwelt gelegt. Die Abfallwirtschaft oder die Energieversorgung und Klimatisierung waren immer schon wichtige Themen in Krankenanstalten, weil es dabei auch um Kosten ging. Jetzt ist die Triebfeder nicht nur die Ökonomie, sondern Ökologie und Soziales. Ich denke, dass es hier eine Unterstützung braucht, wenn es um den grundlegenden Mindset geht. Es braucht Strukturen, klare Vorgaben und finanzielle Anreize.
Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung ist ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten und zunehmend ein Thema für die Gesundheitswirtschaft: für Lieferanten, weil nachhaltiges Engagement eine Grundlage sein wird, um ihre Produkte weiterhin verkaufen zu können, aber auch für Spitäler, weil das Ziel 3, „Ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“, die ureigenste Aufgabe von Gesundheitseinrichtungen ist. Und das gleich in einem doppelten Sinn, denn hier geht es auch um die Mitarbeiter: sie gesund im Arbeitsprozess zu halten, aber auch dem Wunsch nach einer sinnstiftenden Tätigkeit Raum zu geben. Hier vollzieht sich gerade ein spürbarer Wertewandel.

Welche Erwartungen haben Spitäler an Medizinprodukte-Unternehmen, um bei der Umsetzung von Maßnahmen auch Unterstützung zu erhalten?

Wir müssen Nachhaltigkeit bei allen Ausschreibungen zum Thema machen. Dabei machen Großgeräte nur einen kleinen Anteil beim Energieverbrauch aus, viel mehr sind es die Lüftungs- und Kältesysteme. Dort könnte man rasch ohne große Investition einsparen. Die Unterstützung erfahrener Energiemanager wäre sinnvoll. Es gibt dazu auch Förderprogramme der EU, aber auch hier braucht es Experten, die mit dem Thema gut vertraut sind und Ressourcen haben. Im ÖVKT haben wir dazu auch eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die einen Überblick über mögliche Förderungen für Spitäler zur Verfügung stellt.

Wo sehen Sie die größten Hürden in der Umsetzung?

In den letzten Jahren wurde das Personal im Spital massiv zurückgefahren, um Kosten zu sparen. Gleichzeitig werden die Gebäude immer größer und komplexer, damit auch die Medizintechnik und die Anforderungen an das „System Spital“. Gerade die Technik wurde oft ausgebaut, um die dünne Personaldecke im medizinisch-pflegerischen Bereich abzufedern. Die Technik rückt immer näher an die Kernkompetenz des Spitals – die Medizin und die Pflege. Roboter und Apps können schon etwas abfedern, benötigen aber auch technischen Support – von der IT über Sicherheit bis hin zu den geeigneten Raumbedingungen. Es braucht daher dringend kompetente Verantwortliche, die auch die Zeit haben, sich dieser Themen anzunehmen. Gibt es das nicht, so empfehle ich externe Beratungsfirmen, die sich auf den Gesundheitssektor spezialisiert haben. Die Kernkompetenz von Spitälern ist die Gesundheit der Patienten und nicht unbedingt die nachhaltige Gebäudebewirtschaftung.

Wie beurteilen Sie die Auswirkung des geplanten Lieferkettensorgfaltsgesetzes?

Die globalen Lieferketten sind extrem komplex, daher wird die praktische Umsetzung im Detail herausfordernd sein. Ich denke, dass große Konzerne bereits sehr engagiert sind, was die Transparenz ihrer Lieferkette angeht, und der Markt reguliert etwaige Verfehlungen sehr schnell. Man sollte nicht überregulieren!