Was die Medizinprodukte-Branche erwartet

Der Druck steigt und Schritt zu halten wird zu einer ständigen Herausforderung für Medizinprodukte-Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft. „Das Jahrzehnt des Umbruchs hat begonnen. Der Wertewandel der Verbraucher, die rasche Verbreitung KI-basierter Anwendungen und das rasante Tempo, in dem sich Grundlegendes wandelt, führen bei Entscheidern zu vielen offenen Fragen“, bringt Markus Höfinger, Managing Director Design bei Accenture Song, die Eckpunkte des aktuellen Trend-Reports auf den Punkt und ergänzt: „Der anhaltende technologische Fortschritt sorgt für radikales Umdenken in der Gesellschaft. Menschen hinterfragen ihre eigenen traditionellen Lebensentwürfe, damit entsteht insgesamt eine Atmosphäre der Unsicherheit und Fragilität.“ Zum Trend-Radar wurden 15.227 Personen in 21 Ländern befragt.

KI schlägt Kreativität

Rund 77 % der von Accenture im Trendradar global Befragten haben bereits Berührungspunkte mit Conversational KI in Form von Chat Bots – ein Umstand, der die Technologie zum Massenphänomen macht. „Fast 50 % der Befragten geben an, dass sie KI-basierte Lösungen wie ChatGPT für Produktempfehlungen, im Joballtag und für Gesundheitsfragen nutzen würden“, so Höfinger. Das zwingt auch Unternehmen, umzudenken und ihre Produkte und Services entsprechend zu gestalten. Dabei scheint die Kreativität, der USP (Uniqe Selling Propositon) auf der Strecke zu bleiben: Seit sich die Technologie und Algorithmen zwischen Innovatoren, Entwickler, Kreative und Verbraucher geschoben haben, droht Unternehmen, dass ihre Leistungen auch einfach unentdeckt bleiben und sich lediglich das Mittelmaß – der Durchschnitt, auf den die Masse anspringt – durchsetzt. Für die Gesundheitsbranche könnte das heißen, dass viele Produkte und Leistungen, die vulnerablen Randgruppen vorbehalten sind, einfach vom Markt verschwinden, oder Produkte, die hohe Qualität und Sicherheit bieten, gar nicht beim Endverbraucher ankommen. Mehr denn je benötigen Unternehmen daher Originalität und ein Investment in kreative Köpfe, die „Augen und Ohren“ nahe an Anwendern und Patienten haben.

Menschen am Limit

Fast ein Drittel der Befragten geben im Trendradar an, dass Technologie ihre Leben ebenso verkompliziert wie vereinfacht hat. Die Reaktion auf diese Enttäuschung: Sie schränken ihren Umgang mit den Technologien ein. Ein Drittel deaktiviert Benachrichtigungen, eine von fünf Personen beschränkt die Bildschirmzeit und ein weiteres Viertel entfernt Apps oder ganze Geräte. Dieses Spannungsfeld unterstreicht, dass Technologie an den Ressourcen und dem Wunsch nach Wohlbefinden der Menschen zehrt. Gleichzeitig wird in der Gesundheitswirtschaft der Ruf nach digitalen Gesundheitsanwendungen immer lauter, vor allem, um mehr Effizienz in das System zu bringen und die wachsende Zahl an Patienten mit limitierten Ressourcen dennoch gut versorgen zu können. „Unternehmen müssen sich bewusst machen, wie ihre Technologie in den Alltag der Menschen passt und was sie ihnen abverlangt“, sagt Höfinger. Menschen stellen althergebrachte Vorstellungen infrage und entwickeln neue Denk-, Handels- und Lebenskonzepte. So hat sich etwa der Planungshorizont stark verkürzt: 48 % machen Pläne für höchstens 12 Monate im Voraus oder sogar gar keine. Neue Arbeitsformen sind spätestens seit der Pandemie nicht mehr wegzudiskutieren. Diese veränderte Mentalität bringt auch neue Perspektiven auf Produkte und Dienstleistungen mit sich. Verbraucher ändern sich schneller, als Unternehmen das können, daher müssen Unternehmen lernen, sich „fließend anzupassen“, damit sie auch in Phasen des Umbruchs relevant bleiben.

Megatrends herunterbrechen

„Die Komplexität hat ein Maß angenommen, das es schwierig macht, sie überhaupt zu verstehen. Wir müssen das Silodenken aufgeben und richtig Netzwerken“, sind sich auch die Zukunftsforscher Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts in Wien, und Prof. Dr. Stefan Tewes, Wissenschaftlicher Direktor des Zukunftsinstituts sowie Professor für digitale Transformation und Innovation an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management, einig. Die beiden Autoren von „Megatrend Research“ geben in ihrer aktuellen Veröffentlichung Anleitungen, wie sich Unternehmen in der volatilen Welt überhaupt noch zurechtfinden können. Sie identifizieren relevante Megatrends als jene, die über mehrere Jahrzehnte dauern, aber fluide – also immer leicht veränderlich – sind, in allen Lebensbereichen wirken, global auftreten und ein hohes Ausmaß an Veränderung bewirken.
„Die Digitalisierung ist das beste Beispiel. Hier werden Menschen, Maschinen und Daten vernetzt und das macht die Herausforderung für einen Umgang damit extrem komplex“, sagt Gatterer. Viele Phänomene, wie New Work, Silver Society, Gender Shift, Gesundheit, Mobilität oder Individualisierung sind weitere Beispiele für Megatrends, die auch gar nicht mehr isoliert voneinander betrachtet werden können. „Wer sich Gedanken über die Zukunft macht, muss das gesamte Netzwerk vor Augen haben“, meinen die Zukunftsforscher und haben daher einen „Fahrplan“ ähnlich einem Streckennetz entwickelt. Endstationen sind Megatrends, dazwischen gibt es Kreuzungspunkte, Parallelen und kleinere Stationen, die leicht veränderlich sind. „Oft befinden wir uns nur in einer kleinen Blase auf dieser großen Map und meinen dann, dass dieser Raum der wichtigste ist“, so Gatterer. Fazit: Es gibt nicht die eine allgemeingültige Wahrheit über die Zukunft. Unternehmen müssen ihre Zukunftsbilder im Kontext vieler Megatrends und vor dem Spiegel ihrer Erfahrungen und Erlebnisse entwickeln und hier sicher und kompetent navigieren. „Nicht aufgeben“ oder sich von vorübergehenden Flauten den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen, so lautet jedenfalls die Devise!