Wirtschaft in der Warteschleife: Positive Wachstumsimpulse und unüberwindbare Hindernisse

Was macht Österreich als Wirtschafts­standort attraktiv?

Der Standort Österreich hat viele Stärken. Das reicht von gut ausgebildeten Mitarbeitern über eine hervorragende Infrastruktur bis hin zur Qualitätsorientierung, die in unseren Betrieben herrscht und die Österreich im Export sehr erfolgreich macht. Das schlägt sich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung nieder, wo Österreich seinen Wachstumsvorsprung gegenüber dem EU-Durchschnitt 2017 zurückgewinnen konnte und voraussichtlich auch heuer halten kann.

Wo gibt es Handlungsbedarf aus Sicht der Wirtschaft?

Was die Unternehmen immer wieder kritisieren, ist die hohe bürokratische Belastung: In Umfragen bezeichnen 69 % der Betriebe den Bürokratieabbau als prioritäre Aufgabe, unter Gründern und Kleinunternehmern ist dieser Wert sogar noch höher. Und natürlich brauchen wir auch eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote sowie eine breit angelegte Fachkräfteoffensive.

Gibt es ein ausreichendes politisches-­Commitment zu diesen Themen und welche Schwachstellen müssen dringend behoben werden?

Unsere Forderungen sind nicht neu, sämtliche Experten bestätigen, dass es bei der überbordenden Bürokratie sowie der Steuer- und Abgabenquote, die mit 42,2 % des BIP die sechsthöchste in der EU ist, dringenden Handlungsbedarf gibt. Aus diesem Grund ist auch das politische Verständnis darüber vorhanden. Die Steuerreform 2020 mit wichtigen Entlastungen für die Unternehmen ist ja auch Teil des Regierungsprogramms. Bezüglich Fachkräfte-Sicherung hat Bundesministerin Margarete Schramböck unter anderem mit dem Jobgipfel erste Schritte gesetzt, weitere müssen natürlich noch folgen. Zusätzlich starten wir als Wirtschaftskammer eine Bildungsoffensive, die auch die Weiterentwicklung des Lehrberufs enthält. Denn die heutigen Lehrlinge sind die Fachkräfte von morgen.

Was kann ein Standortentwicklungsgesetz dazu beitragen, dass die Situation für Betriebe besser wird?

Wir begrüßen dieses Gesetz, weil es bei standortrelevanten Projekten eine wesentlich bessere Strukturierung der Verfahren geben wird und mutwilligen Verfahrensverschleppungen durch späte Einwendungen ein Riegel vorgeschoben wird. Bisher stecken Investitionsvorhaben, die für das Gemeinwohl wichtig sind, in endlosen Warteschleifen. Dazu zählen zum Beispiel Projekte für die Versorgungssicherheit bei Strom oder große Eisenbahnprojekte. Das kostet die Steuerzahler Unsummen und auch Arbeitsplätze. Solche Vorhaben werden künftig beschleunigt, weil die Verfahren einfacher und unbürokratischer werden, ohne dass dadurch das hohe Umweltniveau beeinträchtigt wird. Davon profitiert letztlich jeder Betrieb und jeder Bürger im Land.

Wie beurteilen Sie das Gesetz im EU-Kontext? Ist das nicht ein Widerspruch?

Wir gehen davon aus, dass im Zuge der Begutachtung alle Einwände geprüft und gegebenenfalls in den Gesetzestext eingearbeitet wurden. Ich bin daher überzeugt, dass das Standortentwicklungsgesetz EU-­konform ist.

Die Medizinprodukte-Verordnungen haben die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich für Betriebe massiv verschärft. Welchen Handlungsspielraum haben Betriebe?

Es ist richtig, dass in Österreich derzeit keine sogenannte „Benannte Stelle“ für Medizinprodukte existiert. Leider mussten auch Benannte Stellen in anderen EU-Mitgliedstaaten ihre Tätigkeit nach dem Medizinprodukterecht aufgeben. Das bedeutet, dass heimische Medizinprodukteunternehmen, die mit einer der beiden bisher in Österreich niedergelassenen Benannten Stellen zusammengearbeitet haben, sich auf die Suche nach einer anderen Benannten Stelle begeben mussten. Diese Suche hat sich angesichts der geringer gewordenen Anzahl solcher Stellen in der EU oft äußerst schwierig gestaltet und war mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Die WKÖ unterstützt die Forderung der AUSTROMED und hat an mehrere Mitglieder der Bundesregierung appelliert, die Gründung einer neuen Benannten Stelle in Österreich zu fördern, auch finanziell. Bis dato sind uns allerdings keine dementsprechenden Maß­nahmen bekannt.

Österreich ist in Sachen Innovation kein Vorreiter mehr. Was muss passieren, damit Qualität und Innovationsgeist in Österreich wieder wichtige „Werte“ werden?

Als Wirtschaftskammer setzen wir uns massiv dafür ein, den Innovationsgeist zu fördern. Erklärtes Ziel von Präsident Mahrer ist es, Österreich in die Gruppe jener Länder zu bringen, die als Innovation Leader gelten. Natürlich haben wir hier noch ein Stück Arbeit vor uns und müssen auch Innovationsanreize bieten. Dazu zählt einmal mehr der Bürokratieabbau, auch was den Zugang zu Förderungen betrifft. Gerade für KMU ist dieser oft mit hohem administrativem Aufwand verbunden.

Einsparungsziele basieren auf einer ­kurzsichtigen Preispolitik – damit steht die adäquate und zeitgemäße Patienten­behandlung nicht im Mittelpunkt. Was können Unternehmen überhaupt leisten, wenn die Rahmenbedingungen der Politik in die falsche Richtung weisen?

Ich denke nicht, dass die Gesundheitspolitik der Regierung in die falsche Richtung weist. Es geht darum, mit vorhandenen Budgets zu haushalten sowie – im Bereich der Sozialversicherungen – eine große Strukturreform umzusetzen, die längst überfällig war. Durch die Reduktion der Anzahl der Kassen von 21 auf künftig fünf werden Synergien genutzt und Effizienzsteigerungen erreicht. Das mag kurzfristig zu Verunsicherungen führen, mittelfristig werden aber alle davon profitieren – die Patienten und die involvierten Unternehmen.

 

AUSTROMED STANDPUNKT
Die Medizinprodukte-Branche leidet massiv unter dem Mangel an qualifizierten Fachkräften. Wir haben sehr spezielle Anforderungen, die nicht mit anderen Branchen über einen Kamm geschoren werden können. Allein die rund 500.000 verschiedenen Artikel der 500 Unternehmen sind in ihrer Vielfalt schwer erfassbar und benötigen daher eine individuelle Herangehensweise.