100 Jahre Insulintherapie

Die Einführung der Insulintherapie vor 100 Jahren war ein Meilenstein in der Geschichte der Medizin. Davor war der Insulinmangel-Diabetes eine absolut tödliche Erkrankung, die Überlebenszeit der betroffenen Patienten betrug nur einige Monate oder wenige Jahre. Durch die Einführung der Insulintherapie konnte das Schicksal der Patienten mit absolutem Insulinmangel drastisch verbessert werden. Dementsprechend erhielten die Kanadier Banting und Macleod für die Entwicklung und Extraktion von Insulin 1923 den Nobelpreis für Medizin, den sie mit Best und Collip teilten, die ebenfalls maßgeblich an der Entwicklung der Insulintherapie beteiligt waren.


Da es lange Zeit keine Blutzuckermessung, Diabetesschulung und Insulindosis-Selbstanpassung gab, hatten die meisten Patienten extreme Blutzuckerschwankungen mit vielen massiven Hyper- und Hypoglykämien. Die Folge waren schwere Organschäden mit Nierenversagen, Erblindung, Herzversagen und Fußamputationen. Erst vor 40 Jahren kam mit der Möglichkeit der Blutzuckermessung und optimierten Insulinpräparaten, die biosynthetisch hergestellt wurden und nicht mehr aus Pankreata von Rindern und Schweinen extrahiert wurden, der Durchbruch. Durch die Einführung des HbA1c kam eine einfache Möglichkeit dazu, die Blutzuckereinstellung über einen längeren Zeitraum zu beurteilen.

100 Jahre nach der ersten Anwendung einer simplen, mehrfach täglich erfolgten Insulininjektion mit Spritzen, bevorzugen heute viele Patienten eine kontinuierliche sensorgesteuerte Insulinzufuhr, wodurch sehr gute Blutzuckerwerte ohne häufige Blutzuckermessungen mittels Fingerstichs erreicht werden können. Dies führte zu einem drastischen Rückgang der Komplikationen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes, Nierenversagen oder Erblindung wird bei diesen Patienten nur mehr selten beobachtet. Unter den weltweit 460 Millionen Patienten mit Diabetes sind ca. 50 Millionen Patienten mit T1D absolut von der Insulintherapie abhängig, weitere 40 Millionen mit LADA-Diabetes (Autoimmundiabetes des Erwachsenen) benötigen nach einigen Jahren oft auch eine Insulinsubstitution, wenn sie aufgrund des zunehmenden Insulinmangels katabol werden und Gewicht abnehmen. Für die überwiegende Zahl der Patienten mit Typ-2-Diabetes, die aufgrund einer meist vorliegenden Insulinresistenz ein vermindertes Ansprechen auf die endogene Insulinausschüttung aufweisen, stehen heute viele neue blutzuckersenkende Medikamente zur Verfügung (GLP-1-Rezeptoragonisten, SGLT-2-­Inhibitoren, DPP-4-Inhibitoren), sodass heute eine Insulintherapie bei Patienten mit T2D oft über viele Jahre nicht erforderlich ist.

Welche globale Bedeutung hatte die Einführung der Insulintherapie vor 100 Jahren?

Die Entdeckung des Hormons Insulin, dessen Isolierung aus Tier­pankreata und der Einsatz des insulinhältigen Pankreasextraktes als Medikament zur Hormonsubstitution bei PatientInnen mit Typ-1-Diabetes stellt meines Erachtens eine Revolution in der modernen wissenschaftlichen Medizin dar, da meines Wissens nach zum ersten Mal eine gezielte Hormonersatztherapie im Sinne des Fachbereiches Endokrinologie möglich war. Mit dieser Therapie konnte seither vielen Millionen Menschen, die an Typ-1-Diabetes erkrankten, das Leben gerettet werden, da zuvor nach Ausbruch der Erkrankung die Abwendung des Todes auch durch Diät und Flüssigkeitszufuhr nur kurze Zeit möglich war.
Die ursprüngliche Insulinersatztherapie erfolgte durch mehrmals tägliche Verabreichung von definierten Dosen von „Altinsulin“, was pharmakokinetisch und pharmakodynamisch dem später verwendeten Humaninsulin in nichtretardierter Form entsprach.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Klinik Ottakring, Wien
Die Einführung der Insulintherapie ist eine der größten Erfolgsgeschichten in der Medizin. Die Diabetesdiagnose war früher einem Todesurteil gleichgestellt, das Bild ist heute ein gänzlich anderes: Für Menschen mit Typ-1-Diabetes steht die Insulintherapie in verschiedenen Applikationsformen zur Verfügung. Sie ermöglicht nicht nur eine gute glykämische Kontrolle, sondern, durch individuelle Anpassung der Therapie an den Alltag, auch eine hohe Lebensqualität. Auch wenn nun zur Behandlung des Typ-2-Diabetes viele verschiedene Wirkstoffklassen verfügbar sind, hat Insulin weiterhin einen ganz wichtigen Stellenwert. Besonders erwähnenswert ist die Entdeckung von Insulin auch aus wissenschaftlicher Sicht, da sie ein Paradebeispiel dafür ist, die Ursache einer Erkrankung zu identifizieren und das zugrundeliegende Problem dann direkt zu beheben – 100 Jahre später kann weiterhin nur ein Bruchteil aller Erkrankungen in einer solchen kausalen Form behandelt werden.
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser Stellvertretende Direktorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Innsbruck
Die Einführung der Insulintherapie rettete vielen Millionen Menschen mit Diabetes das Leben, es handelt sich neben den Antibiotika m. E. um eine der wichtigsten therapeutischen Errungenschaften. Waren früher Menschen mit Typ-1-Diabetes zum Tode verurteilt, können Sie heute bei adäquater Betreuung ein langes Leben mit guter Lebensqualität führen. Beim Typ-2-Diabetes ist die Insulintherapie im fortgeschrittenen Stadium vielfach unabdingbar und hilft hier ebenfalls, Spätschäden zu verhindern und das Leben zu verlängern.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie, Klinik Landstraße, Wien
Die Entdeckung des Insulins vor 100 Jahren war ein damals beinahe unvorstellbarer Meilenstein in der Behandlung des Diabetes mellitus. Vor der Entdeckung des Insulins war die Diagnose „Typ-1-Diabetes“ ein Todesurteil, entsprechend rasch wurde daher die Entdeckung des Insulins auch mit dem Nobelpreis geehrt. Die damalige Literatur zeigt eindrucksvoll, wie mit dem Beginn der Insulintherapie ein ganz neues Kapitel bei der Behandlung des Diabetes aufgeschlagen wurde, das bis heute Bestand hat. Die Bedeutung des Insulins wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass jene Firmen, die damals mit der Insulinproduktion begannen, heute noch weltweit führende pharmazeutische Konzerne (z. B. Novo Nordisk, Eli Lilly) auf dem Gebiet des Diabetes sind.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz

Wie verbesserten sich die Insulinpräparate in den letzten (5–10) Jahren?

In den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts war es durch pharmakologische Modifikation möglich, retardierte und damit länger wirksame Insulinpräparate herzustellen. Zu erwähnen sind dabei vor allem das „Lente-Insulin“, das NPH-Insulin auf Protaphan-Basis nach Hagedorn sowie ultralang wirksame Zink-Insuline wie das Insulin „Ultratard“. Ursprünglich stammten die meisten verwendeten Insuline von Rind oder Schwein, erst in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts war es möglich, durch biochemische Veränderung Humaninsulinmoleküle herzustellen und als Medikament zu verwenden. Die damalige Umstellung von tierischem auf Humaninsulin war zum Teil mit großer Aufregung und wissenschaftlichen Disputen verbunden, da mancherorts der Eindruck entstand, dass Humaninsulin häufigere und schwerere Hypoglykämien als die zuvor verwendeten tierischen Insuline auslöst. Im Lichte der Geschichte mag dies daran gelegen haben, dass zeitgleich mit der Einführung von Humaninsulinen striktere Insulindosierungsschemata (Stichwort: Basis-Bolus-Therapie), eine nahezu normoglykämische Insulinsubstitutionstherapie – „NIS“ – oder eine funktionelle Insulintherapie zur Behandlung des Typ-1-Diabetes entwickelt wurden.
Eine weitere bahnbrechende Veränderung war die Einführung von langwirksamen Insulinanaloga wie Insulin glargin sowie von rasch wirksamen Insulinanaloga wie Insulin lispro.
In den letzten fünf bis zehn Jahren kam es zudem einerseits zur Markteinführung von „ultralang wirksamen“ Basalinsulinpräparaten mit einer Halbwertszeit von einigen Tagen zur Gewährleistung stabiler Basalinsulinspiegel bei zumindest einmal täglicher Verabreichung ohne fixen Verabreichungszeitpunkt.
Andererseits können ultrarasch wirksame Insulinanaloga bei adäquater Verabreichung vor der Mahlzeit die postprandiale Hyperglykämie reduzieren und im Bedarfsfall sogar nach der Mahlzeit appliziert werden, wobei dann der vorher erwähnte Benefit verloren geht. Welchen Stellenwert derzeit in Entwicklung befindliche, einmal wöchentlich zu applizierende Basalinsulinpräparate in der klinischen Praxis erlangen werden, wird die Zukunft zeigen. Inhalative Insulinpräparationen und oral zu verabreichendes Insulin wurden zwar in klinischen Studien evaluiert, sind derzeit aber in Europa nicht am Markt verfügbar.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Klinik Ottakring, Wien
Vor allem die Vielfalt der Insuline erweiterte sich in den letzten Jahren dramatisch, sodass die Insulintherapie an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden kann. Als Meilensteine würde ich einerseits die Entwicklung von kurzwirksamen Insulinanaloga bezeichnen, die keinen Spritz-Ess-Abstand mehr erfordern, und anderseits die Entwicklung von langwirksamen Insulinen mit deutlich reduziertem Hypoglykämierisiko und mehr Flexibilität, was den Applikationszeitpunkt betrifft
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser Stellvertretende Direktorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Innsbruck
Gerade in den letzten Jahren kam es durch Modifikationen des Insulinmoleküls zu Präparationen, die sich durch bessere Stabilität, schnelleren Wirkeintritt bzw. längere Wirkdauer und ein vermindertes Hypoglykämierisiko auszeichnen. Derzeit liegt der Fokus auf der Entwicklung von langwirksamen Insulinen, die nur einmal pro Woche injiziert werden. Sehr interessant sind auch Kombinationen mit anderen Hormonen wie Glukagon oder Amylin, die zusätzliche Vorteile hinsichtlich der postprandialen Hyperglykämie bringen.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie, Klinik Landstraße, Wien
Schon seit der Entdeckung des Insulins beobachten wir eine schrittweise Weiterentwicklung und pharmakologische Verbesserung von Insulin. Insulinanaloga wurden längst zum Standard. In den letzten Jahren rückten vor allem Basalinsuline mit sehr langer Wirkdauer (über 24 Stunden) und schnell wirksame Insuline in den Fokus. Sehr lang wirksame Basalinsuline sollen die Blutzuckerschwankungen vor allem in der Nacht reduzieren, während sehr schnell wirksame Insuline vor allem in der Insulinpumpentherapie und für „Closed-Loop-Systeme“ eine wichtige Rolle spielen.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz

Aus Sicht Ihrer PatientInnen: Welche Verbesserungen brachten die neuen Insuline?

Kurz zusammengefasst brachten die neuen Insuline mehr Lebensqualität durch bequemere Applikation (bei langwirksamen Insulinanaloga einmal tägliche Verabreichung) – sogar mit Möglichkeit der Verschiebung des Verabreichungszeitpunktes –, eine deutliche Verringerung oder sogar den Wegfall des Spritz-Ess-Abstandes bei ultrakurz wirksamen Insulinanaloga und generell eine Reduktion des Auftretens von Hypoglykämien durch stabilere Insulinspiegel, insbesondere in der Nacht, bei lang wirksamen Basalinsulinanaloga.
Die globale HbA1c-Verbesserung durch den Einsatz von Insulinanaloga ist im direkten Vergleich mit herkömmlichen Humaninsulin bei identen Insulinschemata (z. B. Basis-Bolus-Therapie) eher gering und scheint mehr durch die verbesserte Compliance der PatientInnen als durch die Pharmakodynamik des Präparates bestimmt.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Klinik Ottakring, Wien
Mithilfe der neuen Insulinformen ist möglich, die Insulintherapie an den Alltag und nicht wie früher notwendig den Alltag an die Therapieform anzupassen. Bei den Bolusinsulinen kann schneller auf erhöhte Werte reagiert werden, es ist kein Spritz-Ess-Abstand mehr notwendig, bei den länger wirksamen muss nicht mehr 2- oder mehrmals täglich, sondern nur noch einmal täglich gespritzt werden. Wichtig ist natürlich auch das Hypoglykämierisiko, das vor allem durch die langwirksamen Insuline deutlich reduziert werden konnte.
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser Stellvertretende Direktorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Innsbruck
Die Verbesserungen durch die neuen Insulinpräparationen bewirken vielfach eine flexiblere und einfachere Handhabung, was wiederum die Compliance und die Einstellungsqualität steigert. Ein rascherer Wirkeintritt vermindert z. B. die postprandiale Hyperglykämie, eine einmal wöchentliche Verabreichung kann bei der Versorgung unselbstständiger PatientInnen von Vorteil sein.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie, Klinik Landstraße, Wien
Grundsätzlich sind bei der Insulintherapie Hypoglykämien weiterhin ein großes Problem, mit dem unsere PatientInnen tagtäglich konfrontiert sind. Neue Basalinsuline mit langem Wirkprofil und gleichmäßiger Resorption reduzieren Blutzuckerschwankungen und das Risiko für Hypoglykämien. Der Verlauf des Blutzuckers wird damit besser vorhersehbar, und Werte im Zielbereich sind leichter zu erreichen. Schnell wirksame Insulin haben vor allem den Vorteil, dass der postprandiale Anstieg der Glukose geringer ausfällt.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz

In welcher Kombination mit anderen antidiabetischen Medikamenten setzen Sie Insulin ein, und warum?

Meiner klinischen Erfahrung nach eignen sich vor allem lang wirksame Insulinanaloga als Basalinsulin zur Kombination mit oralen Antidiabetika (basal unterstützte orale Therapie – BOT) und zur Kombination mit GLP-1-Rezeptoragonisten-(GLP-1-RA-)unterstützter Basalinsulintherapie – BOT.
Für die Kombination von GLP-1-RA und Basalinsulin gibt es prinzipiell zwei zugelassene Fixkombinationen, die bei oral austherapierten PatientInnen mit Typ-2-Diabetes im direkten Vergleich zu einer zweimaligen Mischinsulintherapie niedrigere HbA1c-Werte, eine geringere Gewichtszunahme sowie weniger Hypoglykämien zeigten.
Leider werden diese Präparate in Österreich derzeit generell nicht von der Kasse erstattet und befinden sich somit in der „No-Box“.
Rasch wirksame Insuline verwende ich in der Regel in der Kombination mit anderen Diabetesmedikamenten abseits des Basalinsulins nur selten. Möglich ist die Kombination von kurzwirksamen Insulinen mit langwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten, wobei für mich die Kombination mit einem einmal zu verabreichenden Basalinsulin praktikabler erscheint. Prinzipiell ist die punktuelle prandiale Verabreichung von kurzwirksamem Insulin aber auch bei PatientInnen mit Typ-2-Diabetes oder pankreoprivem Diabetes möglich und zum Teil notwendig, wenn vor allem postprandiale Blutglukosespitzen auftreten.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Klinik Ottakring, Wien
In den aktuellen Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes ist die Insulintherapie nach hinten gerückt, für den Großteil der PatientInnen stellt sie nicht mehr die erste injizierbare Therapie dar. Dennoch ist der Stellenwert von Insulin ein sehr großer: Der Typ-2-Diabetes ist eine chronisch progrediente Erkrankung, die meist mit einem zunehmenden Betazellversagen einhergeht, das bedeutet, dass viele der PatientInnen nach längerer Erkrankungsdauer eine Insulintherapie benötigen, um einen katabolen Zustand zu vermeiden. Andererseits gibt es natürlich auch beim Typ-2-Diabetes jene PatientInnen, bei denen schon zu Beginn oder bei kurzer Diabetesdauer ein Betazellversagen vordergründig ist, auch bei diesen Menschen ist eine Insulintherapie unbedingt notwendig. Nicht wegzudenken (abseits des Typ-1-Diabetes) ist Insulin auch bei Schwangerschaftsdiabetes oder im stationären Setting.
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser Stellvertretende Direktorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Innsbruck
Beim übergewichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes wird die Metformin-Therapie beibehalten. Bei Adipositas bewirkt die Kombination mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten eine Verminderung der notwendigen Insulindosis und des Körpergewichts sowie zumeist eine Verbesserung der Stoffwechseleinstellung. Die durchaus sinnvolle Kombination mit SGLT2-Hemmern ist bei einer basalinsulinunterstützten oralen Therapie (BOT) effektiv und sicher. Bei komplexeren Insulintherapien besteht bei zu rascher Reduktion der Insulindosis bzw. bei interkurrenten Erkrankungen die Gefahr der Entwicklung einer euglykämischen Ketoazidose. Hier müssen die PatientInnen besonders gut aufgeklärt werden.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie, Klinik Landstraße, Wien
Bei Typ-1-Diabetes ist weiterhin eine Monotherapie mit Insulin mit Pen oder Pumpe indiziert. Die Kombination mit SGLT2-Hemmern kann Blutzuckerschwankungen vermindern und das Körpergewicht reduzieren helfen, allerdings muss das deutlich erhöhte Risiko für Ketosen und Ketoazidosen beachtet werden. Bei Typ-2-Diabetes steht vor allem die Kombination mit langwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten im Vordergrund. Dabei können GLP-1-Rezeptoragonisten durch die Erhöhung der körpereigenen Insulinsekretion die prandialen Blutzuckerverläufe deutlich verbessern, ohne dass das Hypoglykämierisiko steigt. Der positive Effekt auf das Körpergewicht und die Reduktion der kardiovaskulären Komplikationen sind weitere Argumente für die Kombination von Insulin mit GLP-1-Rezeptoragonisten.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz

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