Diabetes erhöht Risiko für Schlaganfall, Demenz, Alzheimer und Angststörungen

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege!

Folge- und Begleiterscheinungen dieser chronischen Erkrankung betreffen jedes Organ und beeinflussen über physische Aspekte hinaus den Alltag, die Lebensqualität und die Psyche betroffener Menschen.
DIABETES FORUM widmet sich in der aktuellen Ausgabe der interdisziplinären Aufarbeitung der komplexen Korrelationen von Gehirn, Psyche und Hyperglykämie – zu Wort kommen Expertinnen und Experten für Neurologie, Psychiatrie, Psychologie und nicht zuletzt Diabetologie.

Häufige Wegbegleiter Ischämie und Demenz

Patienten mit Diabetes mellitus weisen ein 2–3-fach erhöhtes Risiko für – überwiegend ischämische – Schlaganfälle auf (OʼDonnell MJ et al., Lancet 2016; 388:761–775). Umgekehrt liegt bei etwa 30 % der Schlaganfallpatienten zusätzlich ein Diabetes mellitus vor (Lau et al., J Diabetes Invest 2019; 10[3]:780–92). Priv.-Doz. Dr. Julia Ferrari, Wien, erläutert in ihrem Einstiegsbeitrag die Zusammenhänge von Hyperglykämie und Ischämie und gibt einen Überblick über adäquate Maßnahmen in der Prävention, Akuttherapie und Nachsorge. Eng mit diesem Thema vergesellschaftet ist Demenz, die nicht nur infolge eines Insults auftreten kann, sondern eng mit dem Vorliegen von Diabetes mellitus korreliert. – Nicht umsonst wurde Alzheimer-Demenz als „Gehirndiabetes“ oder „Typ-3-Diabetes“ bezeichnet (Kandimalla R et al., Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis 2017; 1863[5]:1078–89), wobei diese Begriffe kritisch zu sehen sind, wie Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer in seinem Artikel darlegt. Weitere spannende Fragen, die bearbeitet werden, umfassen etwa, inwieweit eine antidiabetische Therapie zerebralen Abbau verhindern oder sogar als „Alzheimer-Therapie“ eingesetzt werden kann.
Mag. Dr. Birgit Maria Harb, Wien, beleuchtet das Thema Demenz in Hinblick auf praktische Gesichtspunkte: Diagnostisch empfiehlt sich bei Diabetes mellitus vor allem bei Patienten ≥ 65 Jahre ein geriatrisches testpsychologisches Screening, um kognitive Beeinträchtigung, Demenz und Depression zu erkennen und die Therapie schrittweise anzupassen (ADA, Diabetes Care 2020; 43[Suppl. 1]:152–62; ­Abrahamian H et al., Wien Klin Wochenschr 2019; 131[Suppl. 1]:186–94).

Psychische Belastungen erkennen und behandeln

Der abschließende Themenblock der aktuellen Ausgabe beschäftigt sich mit häufigen, subklinisch oder klinisch auftretenden psychischen Erkrankungen: Diabetes-Distress, Depression und Angststörungen. Letztere treten bei etwa 20 % Menschen mit Diabetes in Form einer generalisierten Angststörung auf. Neben Belastungen, die auf die beträchtlichen Anforderungen des Krankheitsmanagements zurückzuführen sind, spielen pathophysiologisch u. a. auch die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse und zytokinmediierte Reaktionen des Immunsystems zentrale Rollen (Hackett RA et al., Nature Rev Endocrinol 2017; 13[9]:547–60), wie Prim. Dr. Heidemarie Abrahamian ausführt. In der Betreuung der Patienten kommen der Anamnese und der Diagnose, z. B. mithilfe gezielter Fragestellungen, besondere Bedeutung zu. Im abschließenden Artikel widmet sich Prim. Dr. Claudia Francesconi, Alland, dem Thema psychische Belastungen von Menschen mit chronischen Erkrankungen vor dem aktuellen und allgegenwärtigen Hintergrund der COVID-19-Pandemie. Wie Untersuchungen des österreichischen Diabetes-COVID-19-­Registers erst kürzlich bestätigten, sind Patienten mit Diabetes eine vulnerable Personengruppe. Nicht nur in Hinblick auf die glykämische Kontrolle und das physische Management von Komorbiditäten, sondern auch bezüglich psychosozialer Belastungen (u. a.: Wie kann ich mit einer SARS-CoV-2-Infektion umgehen? Was bedeutet höheres Risiko für schweren Verlauf? Ich fühle mich alleingelassen.), wie aus einer rezenten dänischen Studie hervorgeht (Joensen LE et al., Diabet Med 2020; 37[7]:1146–54).

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, und bleiben Sie in diesen herausfordernden Zeiten gesund!