Innovative Analysemethoden und KI-Einsatz: die Zukunft der Pathologie

Neue technische Entwicklungen und innovative Analysemethoden haben in den letzten Jahren Einzug in die klinische Pathologie und den Forschungsbereich gehalten. Im Interview spricht Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Zsuzsanna Bago-Horvath, Klinisches Institut für Pathologie, Medizinische Universität Wien, über die Zukunft der Pathologie, den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und das EU-Projekt „Bigpicture“.

Was sind derzeit die größten Herausforderungen, mit denen die Pathologie sowohl in der klinischen Routine als auch im Forschungsbereich konfrontiert ist?

Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Zsuzsanna Bago-­Horvath: Die Fragestellungen und Anforderungen an pathologische Befunde nehmen deutlich zu, heutzutage sind mehr Untersuchungen und genauere Klassifizierungen erforderlich. Dadurch ergibt sich eine zeitliche Herausforderung, die Erstellung von Befunden dauert länger als früher. Problematisch ist auch der Ärztemangel, da das Arbeitsausmaß durch besagte Anforderungen stark wächst und mehr Personalressourcen notwendig wären.

Wie könnte man die junge Generation für die Klinische Pathologie und Molekularpathologie begeistern?

Die Pathologie ist sehr abwechslungsreich, die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben zu vielen interessanten Veränderungen geführt. Patholog:innen analysieren nicht nur die Art der Erkrankung, es können auch viele Informationen bezüglich Prognose, Verlauf und Therapieoptionen und somit neue Erkenntnisse über die betreffende Entität gewonnen werden. Die mikroskopische Diagnostik in der Pathologie basiert auf Mustererkennung, daher ist sie für den Einsatz von KI und computer­unterstützten Systemen besonders gut geeignet. In diesem Fachbereich lässt sich die diagnostische und patientenbezogene Tätigkeit optimal mit Forschung verbinden.

Wo kommen der KI und der Digitalisierung eine Rolle in der Pathologie zu?

Es gibt bereits Erfahrung mit KI-Algorithmen in anderen Fächern wie beispielsweise in der Radiologie. Diese sammeln die Erfahrung aus vielen tausenden Befunden, und bei entsprechender Qualität und Kontrolle können diese Systeme hervorragende Arbeit leisten. Auch in der Pathologie gibt es solche Systeme, und da die Arbeit auf Mustererkennung basiert, kann hier die KI in die Diagnostik einbezogen werden. Der Digitalisierung kommt ebenfalls große Bedeutung zu, ein weiterer Ausbau wäre sehr vorteilhaft. Wir beteiligen uns am EU-Projekt Bigpicture, das zum Ziel hat, eine digitale Bibliothek für histologische Schnitte aller maligner Entitäten sowie gesunder Organe zu etablieren.

Die Präzisionsonkologie hat in den letzten Jahren Einzug in den klinischen Alltag gehalten. Welche Bedeutung kommt dabei dem molekularen Tumorboard zu, und bei welchen Entitäten können Patient:innen besonders durch personalisierte Konzepte profitieren?

Beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) ist meiner Ansicht nach großes Potenzial vorhanden, da diese Erkrankung sehr heterogen ist. Es gibt zwei Altersgipfel: bei sehr jungen Frauen und Frauen im fortgeschrittenen Alter. Zwischen diesen beiden Gruppen kann die Erkrankung biologisch stark variieren. Bei bestimmten spontanen Subtypen gibt es eine Vielzahl von Mitosen und hochgradig dynamische Veränderungen im Genom, wodurch es laufend zu Resistenzentwicklungen und dadurch zu therapeutischen Herausforderungen kommt. Hier könnte die Präzisionsonkologie einen wichtigen Beitrag leisten.

In welchen Bereichen wird aktuell die Liquid Biopsy eingesetzt, und wie sehen Sie die Weiterentwicklung dieser Methodik in naher Zukunft?

Mit Elacestrant wurde erstmals eine Substanz zugelassen, bei der die Mutation im Östrogenrezeptor per serieller Liquid Biopsy nachgewiesen wird, da diese sich mit der Zeit dynamisch verändert. Hier kommt die Liquid Biopsy im metastasierten Setting zur Anwendung. Es wäre wünschenswert, dass diese neuartigen Testmethoden von den Krankenkassen anerkannt und finanziell unterstützt werden.

Mit neuartigen Analyseverfahren wie Next-Generation Morphometry (NGM) lässt sich eine sehr große Anzahl von histologischen Gewebeproben objektivierbar und quantitativ auswerten. Wird diese Methodik die Pathologie revolutionieren, oder gibt es diesbezüglich auch Herausforderungen und sogar negative Aspekte zu bedenken?

Diese Methode stellt möglicherweise eine Antwort auf den Fachkräftemangel dar. Herausforderungen sind die Ressourcenintensität, da Rechenzentren mit großer Leistung und Speicherplätzen erforderlich sind. Methodisch betrachtet verknüpfen diese neuen Analyseverfahren die Erfahrung vieler Menschen und können aus enormen Datenmengen ein sehr robustes Datenset gewinnen. Herausforderungen betreffen unter anderem auch die personalisierte Medizin: Was bedeuten diese großen statistischen Auswertungen für die einzelnen Patient:innen? Der Datenschutz spielt in diesem Zusammenhang ebenso eine wichtige Rolle.

Vielen Dank für das Gespräch!