Spital der Zukunft: Die KI entlastet, der Mensch entscheidet

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz kann Krankenhäuser in Hinblick auf Qualität und Effizienz in vielen Bereichen auf ein neues Level heben. Ärzt:innen sollen dabei keinesfalls ersetzt werden, sondern unterstützt und entlastet, so der allgemeine Tenor.

Ob bei der Verwaltung oder der Diagnose, im Behandlungszimmer, OP- oder Schockraum: Die Möglichkeiten, künstliche Intelligenz (KI) im Spitalsbetrieb einzusetzen, sind vielfältig.
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Birkfellner arbeitet am Zentrum für medizinische Physik und biomedizinische Technik der Medizinischen Universität Wien und beschäftigt sich u.a. mit Machine Learning (ML) und Statistical Learning (SL) in der Bildgebung. Er sieht KI-Systeme bei medizinischen Studien mehr und mehr im Einsatz, aber: „In der klinischen Anwendung ist KI-Unterstützung noch nicht angekommen. Zwar gibt es einiges, was bereits technisch machbar wäre, aber es ist nicht immer in der Praxis umsetzbar. “Nach Ansicht des Experten haben Machine Learning und Statistical Learning jedenfalls ein großes Potenzial im Spitalsbereich: „Es gibt hierzu auch rege Forschungsarbeit, gleichzeitig aber auch zahlreiche Herausforderungen, wie logistische Schwierigkeiten und das Beachten der Datenschutzgrundverordnung. Daten zwischen verschiedenen Krankenhäusern auszutauschen ist z.B. gar nicht so einfach, aber genau das wäre notwendig.“


„Der Arzt der Zukunft sitzt zwischen Maschine und Patient – als Interpreter, Übersetzer und Anwalt des Patienten.“

Dr. Heinz Ebner
Geschäftsführer von BDO Health Care


Dass die vielen Ergebnisse, die im Rahmen von diagnostischen Untersuchungen anfallen, durch die bestehenden Einschränkungen nicht umfassend genutzt werden können, findet Birkfellner unethisch: „Diagnostische Untersuchungen sind eine Belastung für den Körper der Patient:innen, sie kosten Zeit – den Betroffenen und dem medizinischen Personal –, und sie kosten Geld! Daher sollten wir die dabei erhobenen Daten auch bestmöglich im Sinne des Patientenwohls nutzen dürfen!“ Sein Resümee der aktuellen Situation: „Gerade in der Bilddiagnostik gibt es bereits einige Anwendungsmöglichkeiten, die in nächster Zeit vermutlich in der Praxis eingesetzt werden können. Ärzt:innen werden aber auf keinen Fall ersetzt werden, schon allein aus Haftungsgründen nicht“, betont Birkfellner.

Unterstützung der medizinischen Kernleistung

Dr. Heinz Ebner, Geschäftsführer von BDO Health Care und Berater von einigen österreichischen Krankenanstaltenträgern, sieht Österreich in Bezug auf den Einsatz von KI-Systemen im Krankenhaus noch ganz am Anfang. Er ist aber davon überzeugt, dass KI-Systeme das medizinische Personal in Zukunft unterstützen werden. „KI-Systeme können unstrukturierte Daten in strukturierte umwandeln und auch prädiktive Analysen und Diagnosen liefern. So können beispielsweise auf Intensivstationen KI-unterstützte IT-Anwendungen Vorhersagen über den weiteren Verlauf treffen“, nennt Ebner Beispiele für die vielfältigen Möglichkeiten, die der Einsatz von KI im Spital eröffnet. Er ist überzeugt, dass sich diese KI-basierten Unterstützungssysteme sehr rasch weiterentwickeln werden. „Das kann das Personal dann wirklich entlasten, z.B. in der Patientendokumentation, wenn Arztbriefe mit Hilfe von KI geschrieben werden – das wird eher bald kommen –, oder bei der Schockraumdokumentation, wenn eine KI strukturiert zusammenfasst, was im Schockraumteam an Informationen ausgetauscht wird – auch das wird irgendwann selbstverständlich werden“, so Ebner. Der Einsatz von KI in der klinischen Praxis müsse sich allerdings noch im Selbstverständnis der Ärzt:innen etablieren, meint Ebner. Sie könnten sich aber sicher sein, dass die Entscheidungsgewalt im Team der Fachkräfte und bei den Patient:innen bleibt und die KI nur zur Unterstützung eingesetzt wird.

Große Datenmengen als technische Herausforderung

Doch sind die Krankenhäuser auf diese technischen Entwicklungen, die da auf sie zukommen, vorbereitet? Birkfellner sieht Aufholbedarf und nennt ein Beispiel aus dem Bereich der Bildgebung: „Die Standards in Krankenhäusern zum Austausch von Bilddaten sind 40 Jahre alt – das gehört dringend geändert, damit die Daten in die digitale Gesundheitsakte eingebunden werden können. Diese Herausforderungen werden derzeit aber nicht bzw. viel zu langsam angegangen.“

Ebner sieht dies ähnlich und betont: „Krankenhäuser brauchen primär keine KI-Strategie, denn die KI-Systeme werden von den Herstellern vorangetrieben! Sie werden in ihren Anwendungen immer mehr KI einsetzen. Wenn dann die Softwareprogramme im Spital aktualisiert werden, sind diese Neuerungen da! Damit sie aber auch genutzt werden können, muss der IT-Bereich der Krankenhäuser vorbereitet sein, u.a. auf die großen Datenmengen. Das ist für die eigenen Server eine ziemliche Herausforderung, und Arbeiten mit Clouds ist nicht überall erlaubt… Hier brauchen wir entsprechende Voraussetzungen, die rasch implementiert werden sollten!“

KI-Begleitung des Patientenweges

Ebner ist zudem überzeugt, dass es aus Patientensicht ein großer Nutzen wäre, wenn KI nicht (nur) an den einzelnen Punkten des Patientenwegs durch das Gesundheitssystem ansetzen würde – z.B. Chatbot für Terminvereinbarung oder Unterstützung bei der Arztbriefschreibung oder Diagnostik –, sondern den/die Patient:in auf dem gesamten Weg unterstützen könnte: „Stichwort KI-unterstützter Case-Manager insbesondere für chronisch Kranke: Es geht um eine sektorenübergreifende Begleitung, welche die Betroffenen individuell und persönlich auf ihrem Weg durch das Versorgungssystem unterstützt.“ Solche Systeme seien noch Zukunftsmusik, zuvor müssten noch viele Fragen geklärt werden, z.B. rechtliche und ethische Fragen, etwa rund um das Zusammenspiel und die Verantwortungszuordnung zwischen Patient:in, KI und Ärzt:innen, und davon hänge dann letztendlich auch die Akzeptanz ab. „Aber solche KI-Systeme werden kommen. Und mit Einbeziehung von KI auch auf der Patientenseite wird die Eigenverantwortung, die jede:r für seine/ihre Gesundheit übernehmen muss, größer werden“, so Ebner abschließend.