Anstieg psychischer Probleme für Experten sehr wahrscheinlich

Alte Frau weint

Um die psychischen Auswirkungen der Coronakrise ranken sich viele Fragezeichen, dass es jedoch in den nächsten Jahren zu einem Anstieg psychischer Belastungsstörungen kommen wird, scheint für Experten „sehr wahrscheinlich“, zeigte sich bei der „European Public Health Week“, bei der auch Befragungen präsentiert wurden.

Eines ist jetzt schon klar, die Leidtragenden sind vor allem junge Menschen, der Aufbau eines Monitoringsystems gestaltet sich schwierig. Das war der Tenor bei einem von der Gesellschaft für Public Health (ÖGPH) organisierten Vortrag. Der gesellschaftlichen Krisen-Belastungsreaktion auf der Spur sind u.a. Forscher um Studienleiter Thomas Niederkrotenthaler in der Untersuchung „SARS CoV-2: Mental Health in Österreich“. Hier wurden bis zum Ende des vergangenen Jahres bereits zwölf für Österreich repräsentative, wiederkehrende Befragungen von jeweils rund 1.000 Personen im Abstand von drei Wochen durchgeführt.

Die Werte zur Suizidalität seien im vergangenen Jahr glücklicherweise nicht angestiegen, was sich auch an den offiziellen Zahlen ablesen lasse, erklärte Benedikt Till von der Medizinischen Universität Wien bei der Veranstaltung im Rahmen der „European Public Health Week“. Es sei aber bei weitem nicht ausgemacht, dass es etwa aufgrund des verschärften wirtschaftlichen Drucks durch Arbeitslosigkeit oder eine beobachtete Zunahme von Konflikten – hier wurden schwere Formen von psychischer und physischer Gewalt abgefragt – in den stark auf sich selbst zurückgeworfenen Familien nicht noch zu negativen psychischen Entwicklungen kommen könnte. Man kenne derart verzögerte Effekte im Nachgang der SARS-Epidemie in Hongkong.

Über eine Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit berichteten im Rahmen der Studie zwischen 15 und 20 Prozent der Befragten. Betroffen waren hier vor allem die 16- bis 29-Jährigen, bei denen sich die Situation deutlich verschlechtert habe. Diese Gruppe war bereits vor Corona etwas belasteter, die Lockdowns haben den bekannten Effekt aber noch verstärkt, waren doch junge Menschen vergleichsweise stark von den Einschränkungen betroffen, so Till.

Weitere Risikogruppen sind sozioökonomisch schlechter gestellte Personen, psychisch Vorerkrankte sowie Personen, die an Covid-19 erkrankt waren. Vor allem letztere Gruppe sehe man länderübergreifend belastet, da eine Infektion auch mit einer gewissen Stigmatisierung einhergehe. Unterstützung wünschen sich Betroffene vor allem in Form von niederschwelligen Hilfsangeboten wie Beratung sowie finanzielle Unterstützungen, so der Forscher. Mit dem Aufbau eines Konzepts für ein Echtzeitmonitoring der psychischen Belastungen im Zusammenhang mit Covid-19 im Auftrag des Gesundheitsministeriums befasst sich Sophie Sagerschnig von der Gesundheit Österreich GmbH seit November des Vorjahres. Auch sie geht davon aus, dass die Pandemie und die Eindämmungsmaßnahmen womöglich erst nach dem sich abzeichnenden Ende der unmittelbaren Krise ihre vollen Auswirkungen auf das Befinden vieler Menschen entfalten werden. (red/APA)

Die ersten Auswertungen von „SARS CoV-2: Mental Health in Österreich“ online: http://www.suizidforschung.at/mental-health-surveys/)