Corona-Maßnahmen: Was Fachleute jetzt fordern

Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) sieht eine Corona-Entspannung erst bei 90 % Immunisierten. Angesichts der massiv steigenden Infektions- und Intensivzahlen halten Fachleute die Corona-Maßnahmen der Regierung für nicht ausreichend.

Auffrischungsimpfungen alleine reichen nach Ansicht des Präsidenten des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, nicht aus, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. Das Boostern erhöhe den Immunschutz stark und verringere die Viruslast, sollte sich ein Geimpfter anstecken. Damit das Infektionsgeschehen kontrollierbar werde, müssten aber mindestens 90 Prozent der Menschen eine Immunität aufbauen – durch Impfung oder Infektion, sagte Wieler.

Die Österreichische Ärztekammer plädiert über den angekündigten Lockdown für Ungeimpfte hinaus für weitere Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung. Eine „gescheite Maßnahme“ wäre aus Sicht von ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres mehr Home-Office. „Das Allerwichtigste im Moment ist die Impfung“, sagte Szekeres in der ORF-„Pressestunde“ und plädierte auch für eine Impflicht des Gesundheitspersonals und der niedergelassenen Ärzte. Medizinisch würde aus seiner Sicht auch eine Impflicht für die gesamte Bevölkerung Sinn machen. Das sei aber eine Entscheidung der Politik.

Als „sehr, sehr angespannt“ und „besonders schlimm“ hat Walter Hasibeder, Präsident der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), die Lage auf den Intensivstationen in einzelnen Bundesländern in Österreich bezeichnet. Er forderte für die Hochinzidenz-Bundesländer Oberösterreich und Salzburg kurzzeitig einen „generellen Lockdown“. Besonders Salzburg befinde sich bereits „am Rande der Dekompensation“. Hier müssten die Mediziner bereits überlegen, „wie sie Patienten triagieren müssen“. Schon jetzt werden Intensivpatienten in Aufwachräumen behandelt, in letzter Konsequenz könnten noch leere Operationssäle herhalten, allerdings sei dies „nicht die Qualität, die man gewohnt ist“, sagte Hasibeder. In Oberösterreich sind laut dem Mediziner bereits knapp über 50 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten ausgelastet, weitere Schwerkranke seien „in der Warteschleife“. Was dringend erforderlich sei, ist eine „Maskenpflicht im öffentlichen Raum“. Denn diese ist „ein Wellenbrecher“. Wird die Maske korrekt getragen, liege die Übertragung praktisch bei null. Der Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Bernhard Wurzer, befürchtet, dass ein Lockdown für alle, also auch für die Geimpften notwendig sein wird. Im Gespräch mit der APA meinte Wurzer, dass ein Lockdown nur für die Ungeimpften sehr schwierig zu administrieren sein werde. Wenn das nicht gelinge, „wird man auch von den Geimpften einen weiteren Beitrag einfordern müssen“, sagte der ÖGK-Generaldirektor. „Wenn man die Ungeimpften nicht zur Impfung bewegen könne, „dann wird nichts anderes übrig bleiben“ als ein genereller Lockdown. Der Rektor der Med Uni Graz, Hellmut Samonigg, plädiert für einen 1.000 Euro Bonus für alle, die sich vollständig gegen das Coronavirus impfen lassen. Sollte das nicht wirken, wäre er für eine zeitlich befristete Impfpflicht, um eine fünfte und sechste Infektionswelle zu verhindern, sagte er in der ORF-Sendung „Im Zentrum“. Schließlich habe man mit der Impfpflicht auch die Pocken besiegt.  (rüm/APA)