Effektivität, Dauer des Impfschutzes, Einfluss auf Transmission

Dynamik: Zu vielen offenen Fragen werden in den nächsten Monaten Daten erwartet, diese werden Adaptionen in den Impfempfehlungen bedingen. Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt und Priv.-Doz. Dr. Maria Paulke-Korinek im Gespräch.

Impfungen: Mutationen bleiben vorherrschendes Thema
Auf Basis der aktuell verfügbaren Daten könne von einer Wirksamkeit der derzeit zugelassenen und auch des im Zulassungsverfahren befindlichen Impfstoffes von Astra Zeneca sowohl gegen die britische als auch die südafrikanische Mutations-Variante ausgegangen werden, wie Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien, in einem Pressegespräch am 22.1.2021 erläutert. Was die Wirksamkeit gegen die brasilianische Variante betrifft, sei in den nächsten Wochen mit aussagekräftigen Daten zu rechnen.

Mutationen werden eines der vorherrschenden Themen der nächsten Monate bleiben, da das Virus mit zunehmender Immunisierung sogar einem stärkeren Mutationsdruck unterliegt. Mit weiteren Mutationen müsse daher solange gerechnet werden, bis eine Durchimpfung erzielt ist. Wiedermann-Schmidt geht daher auch davon aus, dass nach der ersten Generation von Impfstoffen weitere Impfstoffgenerationen folgen werden, die diesen Mutationen gerecht werden.

Impfstoffe sind hocheffektiv – Vergleiche sind unzulässig
Zur Effektivität der einzelnen Impfstoffe kursieren unterschiedliche Zahlen. Oft werden diese miteinander verglichen – ein unzulässiger Vergleich, wie Priv.-Doz. Dr. Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium, betont: Da direkte Vergleichsstudien fehlen, sei ein Vergleich der Impfstoffe hinsichtlich ihrer Effektivität auf Basis der derzeitigen Datenlage nicht zulässig. Schließlich wurden die Studien zu den einzelnen Impfstoffen in unterschiedlichem Setting, mit unterschiedlichen Endpunkten, unterschiedlichen Fallzahlen und unterschiedlichen Zielerreichungsgraden durchgeführt. Die vorliegenden Studien können daher nicht 1:1 verglichen werden, sagt Paulke-Korinek. Die einzig zulässige Aussage sei: „Die zugelassenen Impfstoffe sind hochwirksam und effektiv. Und auch jeder weitere Impfstoff wird nur dann eine Zulassung bekommen, wenn er hochwirksam und effektiv ist.“

Aus Israel liegen mittlerweile erste real-life-Daten vor, die eine Reduktion der Infektionszahlen bereits nach der 1. verabreichten Impfdosis zeigen: Untersucht wurde eine Gruppe von 200.000 Personen. Die Ansteckungsraten lagen 11 bis 14 Tage nach Verabreichung der ersten Dosis um 33% niedriger als in der ungeimpften Vergleichsgruppe.

Sind altersadaptierte Impfempfehlungen denkbar?
Zur Frage, ob für den Impfstoff von Astra Zeneca, für den erste Daten ja eine schwächere Wirksamkeit bei älteren Personen gezeigt haben, die Zulassung nur für jüngere Altersgruppen erfolgen könnte, wollen die Expertinnen aus derzeitiger Sicht noch keine Prognose abgeben. Daten aus Studien, die in den ersten veröffentlichten Analysen noch nicht inkludiert waren, bleiben abzuwarten, so Wiedermann-Schmidt. Eine Entscheidung über die Zulassung des Astra Zeneca Impfstoffes wird für 29.1. erwartet. In Abhängigkeit von den Ergebnissen dieser Zulassungsstudien könnte aber eine impfstoffspezifische altersangepasste Adaptierung der Impfempfehlungen durch das nationalen Impfgremium erfolgen.

Ist eine Kontrolle des Impferfolges mit Titer-Kontrollen angedacht? Und wenn ja, für welche Personengruppen?
Auf Grund der organisatorischen Herausforderungen sind derzeit noch keine Kontrollen angedacht. Generell werden diese für die Allgemeinbevölkerung auch nicht empfohlen. Die Überprüfung des Impferfolges in der Gruppe der immunsupprimierten Hochrisikopatienten ist jedoch überlegenswert. Die Überprüfung muss derzeit auf Basis neutralisierender Antikörper erfolgen – eine schwierige Methode, die sich auf breiter Basis nicht ausrollen lässt. Sobald jedoch einfachere und günstigere Methoden zur Verfügung stehen, könne die Kontrolle für spezielle Gruppen, bei denen mit einem reduzierten Impfschutz gerechnet werden muss, sinnvoll sein, erläutert Wiedermann-Schmidt. Konkret könnten hier in Bälde einfachere Nachweismethoden auf Basis von Antikörpern gegen die rezeptorbindende Domäne verfügbar sein.

Was weiß man zur Wirkung der Impfstoffe auf die Transmission?
Ob und in welchem Ausmaß durch den Impfschutz auch das Risiko der Transmission reduziert wird, bleibt abzuwarten. Wie Wiedermann-Schmidt erläutert, können derzeit noch keine Aussagen zur Transmission gemacht werden, weil die Fragestellung, inwieweit durch die Impfung auch die Viruslast beeinflusst wird, weder in den Zulassungsstudien von BioNTech noch in jenen von Moderna untersucht wurde. Das bedeute jedoch nicht, dass durch die Impfung die Transmission nicht reduziert wird. Diese Fragestellung wird nun in den weiterlaufenden Studien beobachtet. Erste Antworten können in den nächsten Monaten erwartet werden. Beim Impfstoff von Astra Zeneca wurde diese Frage bereits in den Zulassungsstudien mituntersucht – auch diese Ergebnisse dürfen daher mit der Zulassungsentscheidung am 29.1. erwartet werden.

Wiedermann-Schmidt verweist auf die Daten nicht-humaner Primatenstudien. Diese zeigen: Werden hohe Antikörper-Spiegel induziert, wird dadurch auch die Viruslast reduziert – bis hin zur sterilen Immunität. Damit besteht Hoffnung, dass durch die Impfung auch eine nennenswerte Reduktion des Transmissionsrisikos erreicht werden kann. Sobald entsprechende Daten vorliegen, werden die Ergebnisse auch in eine Adaptierung der Impfstrategie einfließen. Momentan liegt der Fokus der Impfung auf dem individuellen Impfschutz.

Wie lange bleibt der der Impfschutz bestehen?
Die Zulassungsdaten zeigen stabile Antikörperspiegel über den untersuchten Zeitraum von 3 – 4 Monaten. Auch hier sind weitere Erkenntnisse im Laufe der Zeit mit längeren Beobachtungsstudien zu erwarten. Ein Prozess, der nicht verwundert. – Denn bei kaum einem Impfstoff wisse man die Schutzdauer vorweg. Wie lange ein Impfstoff tatsächlich schützt, zeigt sich erst in Beobachtungsstudien, was wiederum laufende Adaptationsprozesse der Impfempfehlungen notwendig macht.

Text: Susanne Hinger