Risikofaktor für schweren Verlauf: Fehlender NK-Zell-Rezeptor

  • Die Interaktion zwischen dem Coronavirus SARS-CoV-2 und dem menschlichen Immunsystem beeinflusst maßgeblich den Verlauf und die Schwere der COVID-19-Erkrankung.
  • Das teilweise oder gänzliche Fehlen des NKG2C-Rezeptors ist mit schweren Verläufen von COVID-19 assoziiert. Das zeigt eine österreichische Studie des Zentrums für Virologie und der Klinik Favoriten in Wen.

Die antivirale Immunantwort durch NK-Zellen (natural killer cells) ist ein wichtiger Schritt, um die Virusvermehrung bereits in der Anfangsphase der Infektion zu bekämpfen. Diese Killerzellen weisen auf ihrer Oberfläche spezielle, aktivierende Rezeptoren auf, unter anderem den NKG2C-Rezeptor, der mit einer infizierten Zelle über eine ihrer spezifischen Oberflächenstrukturen, das HLA-E, interagiert. – Eine Interaktion, die letztlich zur Zerstörung der virusinfizierten Zelle führt.
Der NKG2C-Rezeptor wird durch das KLRC2 Gen kodiert. Die heterozygote und die homozygote KLRC2-Deletion (KLRC2del) sind mit einer signifikant erniedrigten beziehungsweise überhaupt fehlender Expression des NKG2C-Rezeptors assoziiert. Diese genetische Variationen sind relativ weit verbreitet: bei etwa 4% der (kaukasischen) Bevölkerung fehlt dieser aktivierende Rezeptor NKG2C, bei ca. 32 % wird er nur in reduziertem Ausmaß exprimiert. Darüber hinaus sind auch genetische Variationen im HLA-E (jener Oberflächenstruktur der infizierten Zelle, die von der NK-Zelle erkannt wird), durch Einzel-Nukleotid-Polymorphismen bekannt.

KLRC2-Deletion: Assoziation mit schweren Verläufen
Eine Forschergruppe aus dem Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Puchhammer-Stöckl hat nun in Kooperation mit ÄrztInnen aus der Klinik Favoriten, Wien, den Zusammenhang zwischen der Schwere des Krankheitsverlaufes und dem Vorliegen genetischer Varianten untersucht.
Konkret wurde in einer Kohorte von 361 COVID-Patienten die Verteilung der KLRC2-Deletion und HLA-E*0101/0103 Allel-Varianten untersucht. Von den 361 Patienten hatten 92 einen milden, 269 einen schweren Krankheitsverlauf. Es konnte gezeigt werden, dass vor allem die KLRC2-Deletion, zu einem geringeren Grad auch die HLA-E-Mutation, bei Patienten mit schweren Verläufen signifikant überrepräsentiert war. Beide genetische Varianten waren unabhängige Risikofaktoren für schwere Verläufe.
Die Studie, die vor kurzem im Journal „Genetics in Medicine“ publiziert wurde, zeigt, dass Personen, die mit COVID-19 hospitalisiert werden mussten, signifikant häufiger die dem Fehlen des Rezeptors zugrundeliegende Gen-Variation aufwiesen als Personen mit milden Verläufen. Puchhammer-Stöckl: „Besonders häufig war das Fehlen des Rezeptors bei PatientInnen, die mit COVID-19 auf Intensivstationen behandelt werden mussten, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Auch genetische Variationen am HLA-E der infizierten Zelle waren mit der Schwere der Erkrankung assoziiert, wenn auch in geringerem Ausmaß.“

Mögliches Target
Die aktuelle Studie unterstreicht somit die große Bedeutung, die der NK-Zell-Antwort in der Bekämpfung einer SARS-CoV-2-Infektion zukommt: Dieser Teil der Immunantwort könnte daher auch ein wichtiger Ansatzpunkt für künftige Medikamente zur Verhinderung schwerer COVID-Verläufe darstellen, wie Puchhammer-Stöckl erläutert.
(Red. Susanne Hinger)


Hannes Vietzen, Alexander Zoufaly, Marianna Traugott, Judith Aberle, Stephan W. Aberle, Elisabeth Puchhammer-Stöckl; Deletion of the NKG2C receptor encoding KLRC2 gene and HLA-E variants are risk factors for severe COVID-19. Genet Med (2021). https://doi.org/10.1038/s41436-020-01077-7