Gemeinden wollen Teststraßen zurückfahren, Experten warnen

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Der Gemeindebund will mit fortlaufendem Impffortschritt die Gratis-Testinfrastruktur zurückfahren. Über den Sommer hinweg sollen die Gratis-Testangebote noch aufrechterhalten werden, „das schulden wir dem Tourismus“, sagte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.

Danach soll damit aber Schluss sein. Ablehnung kam am Mittwoch dazu vom Städtebund – und der Epidemiologe Gerald Gartlehner bezeichnete ein Verschwinden der Teststraßen als „sehr gefährlich“. Im Gemeindebund rechnet man damit, dass nach dem Sommer alle Österreicher bereits ein Impfangebot hatten. Wer sich nicht impfen lässt, der müsse dann auf eigene Kosten testen, sagte Riedl im „Kurier“: „Warum soll der Steuerzahler für jene, die sich partout nicht impfen lassen wollen, Geld in die Hand nehmen.“ Für die geringere Zahl derjenigen, die sich der Impfung verweigern, könnten dann die Gesundheitsdienstleister wie die Apotheken Tests anbieten. Außerdem sind ja bereits die Selbsttests eingeübt, die auch für den Restaurant-, Friseur- oder den Kulturbesuch nutzbar sind, so Riedl.

Gegenteiliger Meinung ist man im Städtebund. „Grundsätzlich ist es – gerade angesichts der berühmt-berüchtigten Variante Delta -, glaube ich, nicht angebracht, das bewährte Instrument des Testens zurückzufahren, ganz im Gegenteil.“ Vielmehr wünscht sich man den Ausbau des PCR-Testangebotes, denn nur mit diesem könne man die Ausbreitung von Virusvarianten beobachten. Der Städtebund-Präsident, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), hält nichts von einer Reduktion des Angebots. Dies bedeute zwar – auch für große Kommunen – einen hohen Ressourcenaufwand, doch die Infrastruktur müsse vor allem im Hinblick auf den Herbst und die Delta-Mutation offengehalten werden, befand er.

Eine deutliche Warnung vor einem Aus der Teststraßen kam am Mittwoch vom Epidemiologen Gerald Gartlehner: „Ein grundsätzliches Verschwinden der Teststraßen, wie es jetzt genannt wurde, wäre sehr gefährlich und sehr heikel, weil wir eigentlich nicht wirklich wissen, was im Herbst mit der Delta-Variante auf uns zukommen wird“, sagte er im Ö1-Radio. Wenn man davon ausgehe, dass im Herbst 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, „dann ist doch noch immer noch ein großer Teil der nicht geimpft ist und der auf diese Impfstraßen zurückgreifen wird“, so der Experte. Im Gesundheitsministerium reagierte man auf die Debatte zurückhaltend. Die niederschwelligen und kostenfreien Testangebote sollen für die Sommermonate bestehen bleiben.

Die zunächst in Indien aufgetretene Delta-Variante des Coronavirus wird sich nach Einschätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC im Laufe des Sommers deutlich in Europa ausbreiten. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Delta-Variante während des Sommers stark zirkulieren wird“, erklärte ECDC-Direktorin Andrea Ammon am Mittwoch. Dies gelte ganz besonders für Jüngere, die nicht zu den Zielgruppen der Impfkampagnen gehörten. Dies könne ein Risiko verursachen, dass sich stärker gefährdete Personen anstecken und einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf erleben oder sterben könnten, wenn sie nicht vollständig geimpft seien.

Der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat am Mittwoch ebenfalls vor der Delta-Variante des Coronavirus gewarnt. Diese Variante „scheint sich nicht an den Saisonalitätseffekt zu halten“, sagte er am Mittwoch im Gespräch mit dem TV-Nachrichtensender „Puls 24“. Sie sei hitzeresistenter und um 60 Prozent ansteckender als Alpha. „Dieses Virus könnte uns jetzt teilweise wieder den Sommer vermiesen“, befürchtet Nowotny. Die Mutation wurde bereits mehr als 360 Mal in Österreich festgestellt. Das geht aus dem aktuellen Varianten-Bericht der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) hervor. (red/APA)