Hohe Corona-Zahlen: Fachleute kritisieren erfolgte Öffnungen

Die Risikozahlen gehen wieder nach oben. Die Corona-Kommission will deshalb wieder Präventionsmaßnahmen. Für die Ärztekammer gefährden umfassende Lockerungen das Gesundheitspersonal.

Die Infektions-Rekordzahlen unmittelbar nach der breiten Öffnung lassen die Nerven blank liegen. Die Corona-Kommission sprach sich am Donnerstag für die Wieder-Einführung geeigneter Präventionsmaßnahmen aus. Später relativierte man die eigene Empfehlung und ist nun nur noch für „die Umsetzung geeigneter Präventionsmaßnahmen“, ohne konkreter zu werden. Kanzleramt und Gesundheitsministerium sehen keinen Handlungsbedarf. In einer Stellungnahme des Ministeriums Donnerstagabend hieß es: „Wir müssen sehr darauf achten, Akzeptanz und Verständnis in der Bevölkerung nicht zu verlieren. Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen wenige Tage nach der weitgehenden Öffnung wäre der Bevölkerung nicht vermittelbar.“ Sie sei nach den Prognosen, die die Corona-Kommission selbst veröffentlicht habe, auch nicht nötig.

Verwiesen wurde etwa darauf, dass man nicht nur auf die reinen Infektionszahlen schauen dürfe, sondern auch auf den Anteil der symptomatischen Erkrankungen und in weiterer Folge auch auf die Lage in den Spitälern und Gesundheitseinrichtungen. Freilich sieht es auch da nicht gerade rosig aus, geht aus den Ampel-Dokumenten hervor. Die Zahl der asymptomatischen Fälle liegt gerade noch bei 29 Prozent und das ist zum größten Teil Wien zu verdanken, das eine breite Teststrategie verfolgt und mehr als zwei Drittel der Fälle als asymptomatisch ausweist. Auch die Spitalsprognosen klingen nicht unbedingt günstig. In der Vorschau für Salzburg liegt die Auslastung der Normalstationen in zwei Wochen bei 129 Prozent, in Tirol bei 117 Prozent, in Niederösterreich bei 114 Prozent und im Burgenland bei 109 Prozent. Die breiten Öffnungen in Verbindung mit der neuen Omikron-Untervariante, die aktuell in Österreich das Kommando übernimmt, lassen die Corona-Ampel zudem wieder tief rot erstrahlen.

Die Ärztekammer hat ebenfalls mit scharfer Kritik auf die Aufhebung fast aller Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus und das Aussetzen der Impfpflicht reagiert. Auf eine Bevölkerungsgruppe sei dabei vergessen worden, meinte Harald Mayer, Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, in einer Aussendung: „An das Spitalspersonal denkt wieder einmal niemand.“ Während bei den Infektionszahlen aktuell Rekordwerte erreicht werden, sind laut Mayer die Covid-19-Normalstationen bereits so stark ausgelastet, „dass uns bereits die Betten ausgehen und dass ein Teil des Personals entkräftet und entnervt beziehungsweise infiziert ist, reihenweise kündigt oder Versetzungen anstrebt.“ Das Wohl der Patientinnen und Patienten sei gefährdet, Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger würden sich von der Politik im Stich gelassen fühlen: „Die Folgen der Lockerungen müssen wieder jene ausbaden, die sich seit Pandemiebeginn für andere aufopfern und unsere Patientenversorgung trotz Krisenmodus auf Top-Niveau aufrechterhalten.“ (red/APA)

Kurzumfrage: Erfolgten die Öffnungen zu früh?