Impfdurchbrüche – Datenverknüpfung zeigt das Ausmaß

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Zuletzt häuften sich Berichte über Corona-Infektionen bei geimpften Personen. Die AGES verknüpft nun Infektionsdaten aus dem epidemiologischen Meldesystem mit jenen des eImpfpasses. Erstmals wurden so genaue Zahlen vorgelegt.

Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres forderte bereits seit längerem eine Verknüpfung von Infektionsdaten mit Impfdaten, um ein Bild über mögliche Impfdurchbrüche zu erlangen. Nun passiert das offenbar. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat einen Abgleich der Daten des epidemiologischen Meldesystems EMS mit jenen des eImpfpasses angestellt, um wirklich alle Fälle von Covid-19 bei geimpften Personen zu erfassen. Demnach haben sich seit Jahresbeginn 2.690 Personen nach Verabreichung der ersten Teilimpfung mit Corona angesteckt, 1.560 waren es nach der zweiten Dosis (frühestens am Tag 15 nach der zweiten Dosisverabreichung). 96 Impfdurchbrüche wurden bei dem Vakzin Johnson & Johnson registriert, wo nur eine Dosis notwendig ist. Somit sind von insgesamt in diesem Jahr registrierten Neuinfektionen 1.656 nach einer vollständigen Immunisierung registriert worden. „Endlich werden die Daten anonymisiert verknüpft“, sagt Szekeres. Die Sorge um Datenschutz weist er im RELATUS-Gespräch zurück. „Es interessiert niemanden, wer krank war, sondern nur wie viele krank waren.“

Die Verknüpfung gibt auch Hinweise auf die Wirksamkeit der Impfungen: Die Impfeffektivität für die Altersgruppe 40-59 Jahre liegt demnach bei 90,78 Prozent und für die über 60-Jährigen bei 91,18 Prozent. Über die Impfeffektivität für die Altersgruppe unter 40 Jahre hat die AGES aufgrund des noch zu geringen Anteils vollständig Geimpfter in dieser Altersgruppe noch nicht berichtet. Die Zahl der Durchbrüche sei also gering, die Krankheitsverläufe dann deutlich schwächer, sagt Szekeres. „Je mehr Geimpfte es gibt, desto mehr Impfdurchbrüche werden wir numerisch haben, das hat aber nichts mit einer Abnahme der Effektivität zu tun“, sagt der Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien, Markus Zeitlinger.

Auch er rechnet mit sehr wenigen Durchbrüchen mit schweren Verläufen. Die Frage, wie viele geimpfte Personen sich infizieren könnten, kann niemand beantworten. Daten aus Großbritannien, Israel und Kanada würden darauf hinweisen, „dass sich durch die Delta-Variante an der Anzahl der Impfdurchbrüche bei den Hospitalisierungen nichts verändert hat“, sagt Zeitlinger. Über alle drei Länder hinweg zeige sich aber auch, dass die neue in Österreich dominante SARS-CoV-2-Variante auch Geimpfte etwas leichter asymptomatisch oder mit leichten Krankheitssymptomen infizieren kann. Die Schätzungen liegen hier bei einer um zehn bis 30 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Viren-Typen. „Da ist Delta einfach aggressiver und entkommt der Impfung etwas besser“, so Zeitlinger. Der häufigste Grund für ein Durchbrechen sei insgesamt eindeutig ein durch Vorerkrankungen oder Krebstherapien geschwächtes Immunsystem. Hier kann der Körper mitunter nicht auf das Vakzin reagieren und keine ausreichende Antikörperantwort aufbauen. Die MedUni Wien bietet erwachsenen Patienten, bei denen eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird, im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie am AKH die Möglichkeit, eine dritte Teilimpfung zu erhalten. Untersucht wird dabei auch die Antwort des Abwehrsystems vor und nach der „Boosterimpfung“, wie Zeitlinger erklärte. Der Impfschutz bei älteren Menschen ist zwar etwas reduziert, wie Studien zeigen. Zeitlinger: „Das Alter spielt aber eine deutlich geringere Rolle als die Immunsuppression.“

Die Frage, ob etwa eine Antikörpertiterbestimmung nach einer Impfung mit in Impfnachweise aufgenommen werden sollte, sei schwer zu beantworten. Es gebe zwar nun Hinweise, dass die Höhe der Antikörperkonzentration tatsächlich etwas über den Schutz aussagt, ab welchem Wert dem so ist, sei aber komplett offen. Vor einem schweren Verlauf schütze jedoch schon ein relativ niedriger Titer. Das gehe auch mit der Beobachtung Hand in Hand, dass bisher vielfach bei steigenden Infektionszahlen die Hospitalisierungszahlen niedriger bleiben. Einen ähnlichen Effekt gibt es bei der zeitlichen Komponente: Während der Schutz vor Infektion bei Biontech/Pfizer nach rund vier Monaten von 95 auf 85 Prozent leicht falle, verhindert sie einen schweren Verlauf und Hospitalisierung weiter. „Das ist die gute Nachricht“, die es auch erlaube, nicht gleich wieder mit einer dritten Dosis als Auffrischung nachzuimpfen, betonte Zeitlinger. Insgesamt muss für den Experten weiter der Fokus darauf liegen, jene Menschen in die Impfprogramme zu holen, die bisher keine Dosis erhalten haben: „Ich würde lieber etwa zehn Prozent der Bevölkerung impfen, die man noch nicht erreicht hat, als zehn Prozent Immunisierte aufzufrischen.“ Davon würden auch jene Personen mehr profitieren, die selbst keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen können. (red/APA)