Infektiologe warnt vor Covid-19-Langzeitfolgen und Hoffnung auf Immunsystem

Zwölf Prozent der Covid-19-Intensivpatienten, die vor der Erkrankung arbeiten konnten, sind lebenslang arbeitsunfähig, warnt der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch. Die Hoffnung auf ein gutes Immunsystem bringe wenig.

Eine Erkrankung an Covid-19 kann durch eine Impfung um 95 Prozent verhindert werden. Das betonte der Wiener Mediziner Christoph Wenisch, Leiter der Infektionsabteilung an der Klinik Favoriten, am Wochenende gegenüber Ö1. Er warnte vor dramatischen Langzeitfolgen einer Infektion. Zwölf Prozent der Corona-Intensivpatienten, die vor der Erkrankung arbeiten konnten, können das nachher wegen kognitiver Defizienten nicht mehr, berichtete Wenisch. „Das Gehirn funktioniert nicht mehr so.“ Die Betroffenen seien lebenslang arbeitsunfähig. „Da werden Existenzen zerstört.“ Auch die Lunge, als Zielorgan für die Viren, könne Langzeitschäden haben.

In den nächsten drei bis fünf Wochen werde man laut Prognose auch vermehrt jüngere Patienten auf der Intensivstation sehen, weil die Delta-Variante um 60 Prozent leichter übertragbar ist als das Alpha-Virus vor einem Jahr. Und Delta mache auch ein anderes Krankheitsbild: Die Patienten kämen früher ins Spital, ein höherer Anteil auf die Intensivstationen. Wenisch legte daher auch der Gruppe der Zwölf- bis 18-Jährigen die Impfung nahe. Auch Karl Zwiauer, Mitglied des Impfgremiums, sprach sich in einem Interview mit „Niederösterreich heute“ für die Impfung von Kindern aus: „Wir kennen keine Kinderkrankheit, die so belastend ist wie die Covid-19-Erkrankung“, berichtete der Kinderarzt und Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde im Universitätsklinikum St. Pölten. Die Impfung bei Kindern und Jugendlichen zwischen dem elften und 17. Lebensjahr sei bereits millionenfach verabreicht worden und man könne davon ausgehen, „dass die Impfung wirklich eine der ganz sicheren“ ist, sagte er. Darüber hinaus dürfe man die Krankheitslast der Kinder bei Covid-19 nicht mit jener der Erwachsenen vergleichen, sondern müsse herkömmliche Kinderkrankheiten als Vergleich heranziehen.

Wenisch nahm auch zum Argument von Impfverweigerern, sie hätten ein gutes Immunsystem, Stellung genommen. Ein gutes Immunsystem generell sei natürlich gut, reiche aber nicht aus, um Covid-19 zu verhindern, betonte der Mediziner. Bei einer Erkrankung sei ein gutes Immunsystem sogar „anscheinend schlecht für den Verlauf“. Die einzige derzeit breit eingesetzte Therapie sei eine, „die das Immunsystem schädigt, nämlich das Kortison“. Ein besonders gutes Immunsystem reagiere bei einer Erkrankung nach einer Infektion mit der Delta-Variante „nicht adaptiv, also optimal“. Schon mit dem Eintreten dieser Viren, mit dem Andocken an ihren Rezeptoren, werden immunologische Prozesse getriggert, „die eine Inflammation, also eine Entzündung oder eine Über-Entzündung“ bewirken, erklärte Wenisch. „Und diese Über-Entzündung müssen wir therapeutisch behandeln. Das heißt also, ein besonders gut reagierendes Immunsystem tut oft zu viel reagieren.“ (red/APA)