Intranasale und inhalative Maßnahmen gegen SARS-CoV-2

Der Landsteiner-Tag 2021 stand unter dem Eindruck von Covid-19. Wissenschaftler der Forschungsgesellschaft präsentierten ihre Erkenntnisse unter dem Motto „Die Covid-19-Pandemie als Treiber der medizinischen Forschung“. Besonders der Erforschung von inhalativ verabreichten Medikamenten gegen Lungenerkrankungen verlieh die Pandemie einen neuen Schub.

Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour vom Karl-Landsteiner-Forschungsinstitut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie sowie Primar der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie referierte über ein Thema, das immer wieder auch in Tagesmedien Aufmerksamkeit erfuhr: „Maßnahmen zur Abschwächung der Virusreplikation: die Rolle intranasaler und inhalativer Maßnahmen“. Inhalative Darreichungsformen werden für viele Lungen- und Atemwegserkrankungen wie Asthma und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) genützt, da das Medikament so direkt an den Zielort gelangt und schneller seine Wirkung entfalten kann. Da dadurch auch der First-Pass-Effekt in der Leber umgangen wird, können geringere Dosen bei höherer lokaler Wirkstoffkonzentration eingesetzt werden und systemische Nebenwirkungen reduziert werden.1

Derzeit wird eine Vielzahl von Substanzen im Hinblick auf deren Potenzial als COVID-19-Medikament in klinischen oder nichtklinischen Studien geprüft. Inhalative Kortikosteroide (ICS) stellten dabei eine der ersten untersuchten Substanzklassen dar. ICS wirken einerseits lokal antientzündlich, andererseits gibt es auch Hinweise, dass sie die SARS-CoV-2-Replikation und sogar -Infektion durch eine reduzierte ACE-2-Expression vermindern.2 Die Anwendung inhalativer und intranasaler Kortikosteroide war mit einem niedrigeren Risiko für Krankenhaus- und Intensivstationsaufnahme bzw. Krankenhausmortalität assoziiert.3 ICS-Therapie reduzierte die Wahrscheinlichkeit eines klinischen Versagens und führte zu einer schnelleren Abnahme der Viruslast über 14 Tage.4

Carragellose ist ein aus Rotalgen gewonnenes Polymer, das einen anderen Ansatz verfolgt: Intranasal und oropharyngeal verabreicht, wirkt es rein physisch, indem es den Virus umhüllt und eine Barriere zur Schleimhaut schafft. Neben der Verhinderung der Primärinfektion neutralisiert es auch neu synthetisierte Viruspartikel. Die antivirale Aktivität von Carragellose wurde in vitro und in vivo gegen verschiedene respiratorische Viren inklusive SARS-CoV-2 bestätigt. In klinischen Studien wurden zudem eine reduzierte Symptomintensität, Symptomdauer und Viruslast nachgewiesen. Die prophylaktische Wirkung konnte in einer Untersuchung von rund 400 Krankenhausmitarbeitern im Umgang mit COVID-19-Patienten gezeigt werden. Ein Carragellose-Nasenspray senkte das Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion nach 21 Tagen im Vergleich zu einem Placebospray um 4 %.5

Ebenfalls präventiv sollen nasal oder inhalativ verabreichte Impfungen wirken. Wie nasale Therapeutika hätten auch Impfstoffe die Vorteile der lokalen und schnellen Immunantwort, die über die Schleimhäute zudem sekretorisches IgA produziert. Dadurch könnte im Vergleich zu intramuskulären Impfstoffen eine bessere sterile Immunität gewährleistet werden. Studien in Mäusen zeigten, dass die intranasale Vakzinierung mit einer höheren Rate an neutralisierenden Antikörpern und einer schnelleren Viruselimination aus der Lunge einhergeht als die intramuskuläre.6 Derzeit befindet sich eine Reihe von intranasalen Impfstoffen in Entwicklung, die meisten davon jedoch noch in Phase I.7

Intranasale monoklonale Antikörper könnten nicht nur therapeutisch bei bereits manifester Infektion eingesetzt werden, sondern auch präventiv eine Infektion verhindern. Ihre Wirkung wurde in vitro und in vivo gegen verschiedene Viren wie Influenza und SARS-CoV-2 gezeigt.8 Weiters kann die als Aerosol verabreichte rekombinante Form des ACE-2-Rezeptors die Bindung von SARS-CoV-2 an den zellulären Rezeptor verhindern und so therapeutisch genützt werden.9

Resümee: Inhalative oder intranasale Medikamente gegen Atemwegserkrankungen können eine höhere Wirkstoffkonzentration am Zielort bei geringeren nötigen Dosen erreichen. Sie wirken schneller und können systemische Nebenwirkungen reduzieren. Damit stellen sie vielversprechende Forschungsmöglichkeiten für ihren präventiven und therapeutischen Einsatz dar. Redaktion: Markus Plank, MSc

Quelle: 12. Landsteiner Tag: Die COVID-19-Pandemie als Treiber der medizinischen Forschung, 16. 11. 2021

  1. Eedara BB et al., Pharmaceutics 2021; 13:1077
  2. Higham A et al., Eur Respir Rev 2020; 29:200199
  3. Strauss R et al., J Allergy Clin Immunol Pract 2021; 9:3934–40.e9
  4. Song J-Y et al., J Clin Med 2021; 10:3545
  5. Figueroa JM et al., Int J Gen Med 2021; 14:6277–86
  6. Hassan AO et al., Cell Rep 2021; 36:109452
  7. Chavda VP et al., Drug Discov Today 2021; 26:2619–36
  8. Parray HA et al., Appl Microbiol Biotechnol 2021; 105:6315–32
  9. Shoemaker RH et al., bioRxiv 2021; 2021.09.14.459961