Krisenintervention in Zeiten der Pandemie

  • Für die Arbeit der Krisenintervention hat die Pandemie Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen: zum einen in der vermehrten Entstehung individueller Krisen, zum anderen auf Abläufe und Verfügbarkeit von Krisenintervention durch die verordneten Beschränkungen.
  • Im Vergleich zu den Vorjahren zeigt sich ein deutlich unterschiedliches Profil auslösender Faktoren bei pandemieassoziierten Krisen.
  • Es gilt, ausreichend Krisenintervention und psychosoziale Hilfestellung auch im Sinne der Prävention von Suiziden anzubieten, um Betroffene bei der Bewältigung der umfassenden sozialen Auswirkungen der Pandemie unterstützen zu können.

Autor: Prim. Dr. Thomas Kapitany

 

Krisenintervention historisch

Großschadensereignisse, regionale und auch zunehmend globale gesellschaftliche Krisen haben der Entwicklung von Krisenintervention wiederholt wichtige Impulse gegeben. So wird das Jahr 1944 mit der Brandkatastrophe im Nachtclub „Cocoanut Grove“ in Boston mit mehreren hundert Toten als die Geburtsstunde der Krisenintervention bezeichnet. In deren Folge hat Erich Lindemann im Rahmen der Versorgung der zahlreichen Hinterbliebenen, aber auch der verletzten und direkt traumatisierten Menschen ein erstes Konzept zur Krisenintervention bei psychosozialen Krisen publiziert (Lindemann, 1944).
Wir erinnern uns auch an das Jahr 2000, als bei der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn Kaprun 155 Menschen ums Leben gekommen sind. Dieses Ereignis stellte in der Folge die Grundlage für die österreichweite Etablierung mobiler Krisendienste dar, die unmittelbar im Modus von Einsatzkräften nach traumatischen Ereignissen vor Ort – und damit noch im Schockzustand befindliche – akut traumatisierte Personen betreuen und versorgen.
Einen zweiten bedeutenden Pfeiler der Entwicklung von Krisenintervention bildet das Gebiet der Suizidprävention. Gerade von Österreich sind dazu wichtige Impulse ausgegangen. Impulsgeber war hier die Zunahme von Suiziden in der Zeit der zunehmenden globalen wirtschaftlichen Krise in den 1920er- und 1930er-Jahren. Unter der Leitung der Wiener Rettungsgesellschaft wurde damals eine Beratungsstelle für lebensmüde Menschen gegründet. Unterbrochen durch die Zeit des Nationalsozialismus wurde 1948 durch die Caritas unter der Leitung von Erwin Ringel die Für­sorgestelle für Lebensmüde gegründet (Sonneck et al., 2008).
Als es trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs zu einem erneuten Anstieg von Suiziden in Österreich kam, der bis Mitte der 1980er-Jahre anhielt, wurde nach der ursprünglichen Fokussierung auf Personen, die bereits suizidale Handlungen gesetzt haben, verstärkt auf sekundäre Suizidprävention gesetzt, und es wurde ein Angebot für Personen mit dem Risiko, eine Suizidgefährdung zu entwickeln, bereitgestellt. Mit dieser Intention wurde schließlich 1977 von Ringel und Sonneck das Kriseninterventionszentrum Wien gegründet, das die Fürsorgestelle für Lebensmüde als Vorgängerinstitution ablöste.
Aktuell sind wir einer in ihren Auswirkungen seit den Weltkriegen nicht mehr dagewesenen globalen Krisensituation ausgesetzt, die neben dem Gesundheitsrisiko besonders auch soziale und erhebliche psychische Gefahren für die Gesellschaft sowie für einzelne Person hervorbringt. Hier den Menschen adäquate und ausreichende Hilfe für die individuellen Krisensituationen anzubieten ist eine wichtige (Schutz-)Maßnahme im Rahmen der Bewältigung der Pandemie.

Das Konzept der Krisenintervention

Eine psychosoziale Krise oder Lebenskrise, dadurch definiert, dass eine Person durch ein äußeres Ereignis bzw. äußere Belastungen ihr psychisches Gleichgewicht verliert (Sonneck, 2000), entsteht durch traumatische Ereignisse wie Verluste, vitale Bedrohungen, aber auch einschneidende Veränderungen im Lebensverlauf. Alle Bereiche des Lebens können hier Ausgangspunkt einer Krise sein. Häufig entstehen sie in Beziehungen, bei Problemen mit der Familie und der Verantwortung für Kinder, bei Verlust durch einen Todesfall, bei der Erkrankung Angehöriger, aber ebenso durch berufliche Entwicklungen und Ereignisse, bei materieller Not und vielem mehr.

Typischerweise erleben Menschen in einer Krise ein Gefühl der Überforderung. Auch das Erleben von Bedrohung und Angst sind häufig, das Selbstwertgefühl kann massiv beeinträchtigt sein. Häufig kommt es zu Unruhe und Nervosität, Anspannung, Schlaflosigkeit, Sorgen und Gedankenkreisen, Störungen von Konzentration und Aufmerksamkeit. Sehr unterschiedliche Gefühle wie Trauer, aber auch Ärger oder Wut, Schuld- oder Schamgefühle – abhängig von der Krisensituation und ihrer Bedeutung für die Person – treten auf. Bei stärkerer Ausprägung können die Kriterien einer Belastungsstörung, einer Anpassungsstörung oder auch einer depressiven Episode oder Angststörung erfüllt sein.

Im Hinblick auf Verlauf und Ausgang einer Lebenskrise wird von einer wichtigen Weichenstellung in eine positive oder negative Richtung gesprochen (Stein, 2020) (Abb. 1).

 

 

Eine gute Entwicklung mit einer positiven Bewältigung kann zu einer verbesserten Krisenkompetenz führen, die betroffene Person in ihrem Selbstwert stärken und sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken.
Negative Entwicklungen im Krisengeschehen stellen spezifische, akut auftretende Gefährdungen wie massiver symptomatischer Substanzabusus (häufig erhöhter Alkoholkonsum), Suizidalität oder Gewaltgefährdung dar. Im Sinne einer Chronifizierung kann es zum Entstehen einer psychischen Erkrankung (z. B. Depression, Alkoholabhängigkeit), einer körperlichen Erkrankung oder der Entwicklung einer prekären sozialen Situation kommen. Damit solche gefährlichen Entwicklungen vermieden bzw. abgefangen werden, ist es entscheidend, dass Betroffene rechtzeitig Hilfe durch Krisenintervention von professioneller Seite erhalten.

Rasche Linderung und Handlungsfähigkeit ermöglichen. Das Konzept der Krisenintervention wurde in Wien seit der Gründung des Kriseninterventionszentrums kontinuierlich weiterentwickelt und ausdifferenziert (Sonneck, 2000; Kapitany, 2019; Stein, 2020). Krisenintervention hat zum Ziel, für die betroffene Person rasch eine Entlastung der psychischen Anspannung und des erlebten Druckes zu ermöglichen sowie Gefährdung erkennen und entschärfen zu können. Es sollen Symptome und Beeinträchtigungen rasch gelindert werden und dabei die für die Betroffenen notwendige Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Damit kann es in weiterer Folge gelingen, Lösungen für bestehende Probleme zu erarbeiten.

Eine niederschwellige und rasche Verfügbarkeit der Hilfestellung ist eines der zentralen Prinzipien der Krisenintervention. In der Interaktion mit der betroffenen Person ist ein aktiver und strukturierter Interventionsstil mit einer Fokussierung auf Krisenanlass und Krisengeschehen gefordert, damit die Person durch eine Reduktion von Komplexität und Überforderung ihre Handlungsfähigkeit wiedererlangen kann.

Die Befassung mit möglichen akuten Gefährdungen der Person ist eine wichtige Aufgabe in der Krisenintervention. Indem durch das Erleben von Verlust und Überforderung persönliche Werte und Erwartungen in Frage gestellt werden, der Selbstwert beeinträchtigt ist und schwer aushaltbare Gefühle und Zustände entstehen, ist die Entwicklung einer Suizidgefährdung ein häufiges Thema. 30 % der Personen, die in einer psychosozialen Krise zur Betreuung in das Kriseninterventionszentrum kommen, haben Suizidgedanken, bei 20 % bestehen ernsthafte bzw. konkrete Suizidvorstellungen.
Bei der Einschätzung der Suizidalität wird abgeklärt, in welcher Form und in welchem Ausmaß Suizidgedanken, konkrete Vorstellungen oder gar Handlungspläne bestehen bzw. bereits Vorbereitungen getroffen wurden. Des Weiteren müssen Risikofaktoren, die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, die soziale Situation, psychische Symptome, die eine Suizidgefährdung verstärken, und das Verhalten der Person im Kontakt beurteilt werden, wie es im 5-Säulen-Modell zur Einschätzung von Suizidalität des Wiener Kriseninterventionszentrums veranschau­licht wird (Kapitany, 2019) (Abb. 2).

 

 

Krisenintervention in der Zeit der COVID-Pandemie

Die Pandemie, die zunächst eine gesundheitliche Krise darstellt, mit der Gefahr, schwer zu erkranken oder sogar daran zu versterben, hat aufgrund ihres Bedrohungscharakters und der notwendigen gesamtgesellschaftlichen Reaktionen darauf weit über die somatische Gesundheit hinausreichende Auswirkungen auf viele, wenn nicht alle Bereiche des Lebens. Es müssen umfangreiche und sehr einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, die eine Ausbreitung der Infektion in der Bevölkerung verhindern.

„Physical Distancing“ und soziale Isolation. Enorme soziale Effekte resultieren aus den notwendigen Veränderungen im zwischenmenschlichen Verhalten und in der Kontaktgestaltung. Mit dem Begriff des „Social Distancing“ wurden Maßnahmen beschrieben, die für ausreichend Abstand zwischen den Menschen sorgen sollen. Um klar zu machen, dass es dabei vorrangig um den notwendigen räumlichen Abstand, nicht aber um eine soziale Isolierung gehen soll, wurde vorgeschlagen, den sozial unproblematischeren Begriff des „Physical Distancing“ zu verwenden. In der Zeit des ersten Lockdowns sind viele Menschen – besonders jene, die davor schon unter Kontaktproblemen und dem Erleben von Einsamkeit zu leiden hatten – über die Notwendigkeit der Einhaltung räumlicher Abstände hinaus tatsächlich in eine soziale Isolation geraten.

Für die Arbeit der Krisenintervention hat die Pandemie Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen verursachen die sozialen Effekte eine vermehrte Entstehung von individuellen Krisen bzw. spielen diese eine begünstigende oder verstärkende Rolle im individuellen Krisengeschehen von Betroffenen. Zum anderen erstrecken sich die Auswirkungen auch auf die Abläufe und die Verfügbarkeit von Krisenintervention.

Herausforderungen für die Erreichbarkeit. Die sogenannte Niederschwelligkeit, d. h. die Möglichkeit, dass von einer Krise – oft überraschend und heftig – betroffene Menschen sehr rasch, ohne finanziellen Aufwand und mit größtmöglichem Schutz der Privatsphäre eine professionelle Hilfestellung erhalten, wurde durch die Notwendigkeit der räumlichen Distanzierung bis hin zum Erlass von Ausgangsbeschränkungen zu einem höchst relevanten Problem der Erreichbarkeit von Kriseninterventionsangeboten.
Im lange etablierten System des Kriseninterventionszentrums können Betroffene, die in eine akute psychosoziale Krise geraten sind, gegebenenfalls auch ohne Termin noch am selben Tag zu einem persönlichen Erstgespräch kommen, bei dem sichergestellt ist, dass den KlientInnen auch ausreichend Zeit und Raum zur Verfügung gestellt wird. Das Ausmaß der Inanspruchnahme des Angebots unterliegt dabei Schwankungen und ist nur eingeschränkt planbar. Hinzu kommt der Umstand, dass auch die inhaltliche Beanspruchung durch unterschiedlich schwer zu bearbeitende Themen große Anforderungen an die Kompetenz, die persönliche Belastbarkeit und die Professionalität der TherapeutInnen stellt. Das Kriseninterventionszentrum hat dafür in jahrzehntelanger Entwicklungsarbeit bestmögliche Ressourcen für diese Arbeit geschaffen.

Krisenintervention telefonisch und im persönlichen Kontakt. Wie in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens haben die Fortschritte der Technik auch für die Krisenintervention hilfreiche Anwendungsmöglichkeiten der Telekommunikation hervorgebracht. Beratung und Krisenintervention am Telefon werden im Kriseninterventionszentrum bereits seit Jahrzehnten genützt und stellen einen weiteren Aspekt der Niederschwelligkeit des Angebots dar. Im Verlauf der COVID-Pandemie wurde dieses Medium der Intervention erheblich ausgebaut. In der Zeit des ersten Lockdowns wurde dadurch auch der überwiegende Anteil der weiterführenden Betreuungen mit 5 bis 10 Gesprächen im Verlauf am Telefon durchgeführt.
Viele Menschen hatten in der Zeit des ersten Lockdowns große Scheu, fremde und öffentliche Orte aufzusuchen, und nahmen sehr positiv die mittels Telefonkommunikation stattfindende Krisenintervention an. Zusätzlich wurden die Möglichkeiten telefonischer Beratung und Hilfestellung für die Bevölkerung durch andere Hotlines (Gesundheitstelefon, Sorgenhotline) verstärkt.
Aber auch in der Zeit der Reduktion von persönlichen Kontakten war es in bestimmten Fällen entscheidend, dass Personen, die sich in einem sehr schlechten Zustand befanden, zur Krisenintervention im persönlichen Kontakt in das Kriseninterventionszentrum gekommen sind. So war das z. B. bei Personen mit einer akuten Suizidgefährdung von großer Bedeutung.

Mund-Nasen-Schutz und Kommunikationsqualität. Durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die dadurch massiv reduzierte mimische Kommunikation entstand eine weitere Veränderung der Qualität von Kommunikation. Im Rahmen der Krisenintervention, bei der zunächst in einem Erstkontakt die Grundlage einer vertrauensvollen hilfreichen Beziehung gelegt, gleichzeitig rasch auch diagnostische Einschätzungen den Zustand und die Gefährdungen die Person betreffend gemacht und entlastende haltgebende Interventionen gesetzt werden müssen, ist Kommunikation mittels Mimik ein wichtiges Mittel.
Das Fehlen der Möglichkeit, den mimischen Ausdruck der KlientInnen in der Krisenintervention beurteilen zu können, erschwert die diagnostische Beurteilung. Andererseits kann es für die KlientInnen eine Erschwernis darstellen, wenn die empathische Zuwendung durch die Therapeutin oder den Therapeuten nur reduziert wahrgenommen werden kann. In der Krisenintervention war es daher sinnvoll, in größtmöglichem Ausmaß alternative Schutzmaßnahmen zum Mund-Nasen-Schutz zu ergreifen, um eine hilfreiche Kommunikation aufrechtzuerhalten.
Mit dem Andauern der Pandemie, dem drastischen Anstieg des Infektionsgeschehens und damit auch des Ansteckungsrisikos entsteht allerdings der Eindruck, dass eine zunehmende Akzeptanz der veränderten Kommunikation entsteht.

Corona-Krise als kausaler Auslöser individueller Krisen. Inhaltlich nimmt die Pandemie-Krise erheblichen Einfluss auf das Erleben der Menschen und damit auch auf deren individuelle Krisen. Das Pandemie-Geschehen und seine Auswirkungen haben zum Teil direkt und kausal zur Entstehung von individuellen psychosozialen Krisen geführt. Bereits erwähnt wurden jene Menschen, die – in der Regel schon vorbelastet – durch die Situation der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen eine Zunahme ihrer Isolation erleben. Hier fällt besonders ins Gewicht, wenn jemand auch seine Alltagsstrukturen – häufig im Kontext des Berufs – verliert. Denn dort bestehen in der Regel auch Sozialkontakte, die das Erleben von Einsamkeit reduzieren. Betroffene, die mit dieser Problematik in eine Krise geraten sind, wiesen verstärkt depressive Symptome auf, die auch das Auftreten von Suizidalität miteinschlossen.

Deutlich unterschiedliches Profil auslösender Faktoren bei pandemieassoziierten Krisen. Bei den Krisenauslösern zeigten jene KlientInnen des Kriseninterventionszentrums, deren Krisen sich aufgrund oder in Zusammenhang mit der COVID-Pandemie entwickelt haben, deutliche Unterschiede im Vergleich zu KlientInnen der Vorjahre ohne Pandemie. Bei einer Gruppe von im Rahmen eines Projekts zur Krisenintervention bei Menschen mit pandemiebedingten Krisen betreuten Personen (n = 358) fand sich an erster Stelle der Problembereiche Arbeit und Beruf mit einem Anstieg von 32,0 auf 41,3 % (+29 %). Ebenso gab es eine Zunahme bei Konflikten in der Familie (+16 %) und bei Erziehungsproblemen (+72 %), eine ebenfalls zu erwartende Zunahme von Menschen, die aufgrund der Erkrankung Angehöriger zur Krisenintervention kamen (+32 %), und einen besonders starken Anstieg von Personen, die unter Einsamkeit zu leiden hatten (+78 %). Deutlich seltener waren Personen mit pandemiebedingten Krisen von akuter Traumatisierung (–28 %), von Trennung (–19 %), von Wohnungsproblemen und von Suizid und Suizidalität im Umfeld (–60 %) betroffen.
Im Zustand waren die KlientInnen im Mittel deutlich beeinträchtigt (CGI 4,91 +/–0,53), was keine Abweichung gegenüber KlientInnen der Vorjahre darstellt. Einen signifikanten Unterschied gibt es bei dem Auftreten einer Suizidgefährdung. Während im Vorjahr 28,9 % der KlientInnen zum Zeitpunkt des Erstgesprächs suizidal waren, lag der Anteil der KlientInnen mit pandemiebedingten Krisen und einer Suizidgefährdung bei 20,4 % und war damit signifikant niedriger. Im Verlauf der Krisenintervention kam es bei den KlientInnen zu einer deutlichen Verbesserung des Zustands auf einem mittleren CGI-Wert von 4,2. Weiters kam es zu einer signifikanten Abnahme von Suizidalität.

Auswirkungen auf Suizidalität. Grundsätzlich bestehen Befürchtungen, dass die umfassenden sozialen Auswirkungen der Pandemie – wie auch bei früheren Wirtschaftskrisen zu beobachten – auch zu einem Anstieg von Suiziden führen können. Während der akuten Phase der Pandemie, in der wir uns noch befinden, zeigen erste Daten, die allerdings noch keine abschließende Beurteilung zulassen, dass es zunächst zu einem Gleichbleiben, wenn nicht zu einer Abnahme von Suiziden gekommen ist (mündliche Mitteilung Krisenstab der Stadt Wien; Mitteilung E. Deisenhammer, MedUni Innsbruck, Bundesland Tirol). Auch die Daten des Kriseninterventionszentrums weisen darauf hin.
Zu befürchten ist, dass es mit einer Verzögerung zu einem Ansteigen der Suizidzahlen kommt, wenn die Menschen negative Folgen, wie langdauernde Arbeitslosigkeit und andere soziale Notlagen, erst als nachhaltig realisieren müssen. Umso mehr ist es geboten, Krisenintervention und andere Hilfestellungen langfristig und verstärkt für betroffene Menschen zur Verfügung zu stellen.


Literatur:

  • Kapitany T.: Krisenintervention – Erste Hilfe in akuten Lebenskrisen aus professioneller Sicht. Psychiatria Danubina 2019; 31 (4): 479–490
  • Lindemann E.: Symptomatology and management of acute grief. Am J Psychiatry 1944; 101: 141–148
  • Sonneck G., Goll H., Kapitany T., Stein C., Strunz V.: Krisenintervention. Von den Anfängen der Suizidprävention bis zur Gegenwart. 2008, Bibliothek der Provinz, Weitra
  • Sonneck G.: Krisenintervention und Suizidverhütung. 2000, Facultas Universitätsverlag
  • Stein C: Spannungsfelder der Krisenintervention. 2020, Kohlhammerverlag