Mediziner: Dürfen Kindern Corona-Impfung nicht vorenthalten

In Österreich leben 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche, denen man die Covid-19-Impfungen nicht vorenthalten dürfe, betonten Fachärzte bei einem Webinar gegenüber Medizinern.

Kinder werden zwar weniger oft und schwer krank als Erwachsene und tragen kaum zum Infektionsgeschehen bei, doch manche von ihnen haben schwere Komplikationen und landen auf der Intensivstation. Außerdem leiden sie extrem unter der Isolation. Einige wenige Kinder haben zum Beispiel sehr starke Entzündungs-Krankheitsbilder (Hyperinflammationssyndrome), berichtete Thomas Frischer von der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Klinik Ottakring in Wien, wo die meisten jungen Coronapatienten Österreichs versorgt wurden. Weiters habe ungefähr ein Kind unter eintausend Erkrankten ein spezielles Krankheitsbild mit überschießender Immunreaktion namens „Multisystem inflammatory syndrome in children“ (MISC). Das sind dann schwerkranke Kinder mit beispielsweise Schocksymptomen, Bindehautentzündungen, Herzmuskelproblemen, Gerinnungsstörungen, Blinddarmentzündungen und epileptischen Anfällen, sagte er. Glücklicherweise könnten diese sehr gut behandelt werden.

Manche der Kinder und Jugendlichen mit SARS-CoV-2-Infektionen leiden auch unter „Long-Covid“-Symptomen wie anhaltender starker Müdigkeit, Leistungsabfall und Kopfschmerzen. Vor allem gibt es bei den Kindern und Jugendlichen aber psychologisch eine schon „fast wirklich krisenhafte Situation“, sagte Frischer. Die Zahl der „Intoxikationen“ sei massiv gestiegen. Bisher gut im Griff gehaltene Essstörungen würden eskalieren. „Wir haben auch gemerkt, dass die Gewalt in der Familie und die Fälle von Vernachlässigung mehr geworden sind – unsere Kinderschutzgruppe hatte in der Pandemie viel mehr zu tun als sonst“, erklärte der Kinder- und Jugendfacharzt: „Das liegt nicht an Covid-19 selbst, sondern an der Isolation.“ Die Covid-19 Impfungen könnten eine Rücknahme der Schutzmaßnahmen bringen, die den Kindern und Jugendlichen wieder ein recht normales soziales, gesellschaftliches und Bildungsleben ermöglichen, sagte Karl Zwiauer, der bei der Landesgesundheitsagentur Niederösterreich und an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems (NÖ) arbeitet. Die Kinder hätten definitiv in der Pandemie gelitten, deshalb dürfe man ihnen die Impfung nicht vorenthalten, meinte er.

In der EU ist der mRNA-Impfstoff der Firmen Pfizer und Biontech seit Ende Mai für Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Laut Zulassungsstudien hätten die Kinder und Jugendlichen keine zusätzlichen Nebenwirkungen gegenüber den Erwachsenen. Am häufigsten klagten sie über leichte Probleme wie Schmerzen an der Einstichstelle. Seltener, und nicht öfter als die Erwachsenen hatten sie danach ein paar Tage Kopfschmerzen oder erhöhte Temperatur. In der Zulassungsstudie wären zwar nicht viel mehr als 1.000 Jugendliche geimpft worden, in den USA hätten aber schon mindestens 8,5 Millionen von ihnen die erste Immunisierung, und zwei Millionen beide Impfungen erhalten. „Ohne Hinweis auf andere Nebenwirkungen“, erklärte der Mediziner. Beim mRNA-Impfstoff der Firma Moderna läuft seit Ende 2020 der Zulassungsprozess für Kinder und Jugendliche von zwölf bis 17 Jahren, berichtete er. Die Ergebnisse sollten demnächst den EU-Behörden vorliegen, eine Zulassung wäre schon im Juli möglich. (red/APA)

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