Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am Freitag ihren Bericht über Mentale Gesundheit präsentiert. Zeitgleich zeigt eine österreichische Studie die Auswirkungen auf den Arzneimittelverbrauch.
Fast eine Milliarde Menschen weltweit lebt nach WHO-Angaben mit einer psychischen Krankheit. Die Zahl bezieht sich auf 2019, vor der Corona-Pandemie. Die Fälle von Depressionen und Angststörungen seien weltweit allein im ersten Pandemiejahr um 25 % gestiegen. Menschen mit schweren psychischen Störungen sterben 10 bis 20 Jahre früher als die allgemeine Bevölkerung, heißt es in dem Bericht. „Psychische Gesundheit geht mit körperlicher Gesundheit Hand in Hand“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die mentale Gesundheit sei Jahrzehnte vernachlässigt worden, heißt es in einem neuen Bericht. Alle Länder müssten mehr tun, um den Betroffenen zu helfen.
In Österreich wurde die Studie „Doping im Alltag“ präsentiert und die zeigt, dass psychische Belastung durch die Pandemie Medikamenten-Einnahme in die Höhe getrieben hat. Die Repräsentativerhebung wurde von der Stiftung Anton Proksch-Institut Wien in Auftrag gegebenen und vom Institut für Sozialästhetik und psychische Gesundheit der Sigmund Freud Privatuniversität Wien durchgeführt. Das Ergebnis: Geschätzte 150.000 Österreicher:innen sind arzneimittelabhängig. Aufgrund der vermutlich sehr hohen Dunkelziffer liegt die tatsächliche Zahl aber wesentlich höher, Schätzungen gehen von bis zu 300.000 Personen aus, sagt Wolfgang Preinsperger, Ärztlicher Direktor am Anton Proksch Institut.
Alltagsdoping umfasst den obligatorischen Morgenkaffee, die Zigarette vor der Arbeit, den Espresso in der Nachmittagspause oder auch das Gläschen Wein abends zum Entspannen auf der Couch. Doch auch Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel werden gezielt zur Beeinflussung der Psyche und zur Leistungssteigerung bei Gesunden eingenommen. Die Belastungen der Bevölkerung durch die Covid-19-Pandemie erwies sich im Oktober 2021 als nach wie vor erheblich. Beinahe ein Drittel der Befragten (26 %) fühlte sich psychisch belastet. 19 % gaben an, körperlich belastet zu sein. Die wirtschaftliche/finanzielle Belastung (22 %) befand sich ebenfalls auf hohem Niveau. Vor diesem Hintergrund wurde das Konsumverhalten für Beruhigungs- und/oder Schlafmittel, Schmerzmittel bzw. Aufputschmittel erhoben, um den Einfluss der durch die Pandemie hervorgerufenen psychischen Belastungsfaktoren auf den Medikamentenkonsum zu beleuchten. Preinsperger: „Betrachtet man jene Personengruppe, die angegeben hat, sich durch die Covid-19-Pandemie psychisch belastet zu fühlen, so zeigt sich eine signifikant stärkere Zunahme des Schmerzmittelgebrauchs. Psychisch Belastete nehmen etwa doppelt so häufig Schmerzmittel ein, als jene, die sich selbst nicht als psychisch belastet erleben. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei Beruhigungs- bzw. Schlafmitteln. Aufputschmittel werden von psychisch Belasteten sogar etwa drei bis vier Mal häufiger eingenommen als von Unbelasteten.“
Personen mit häufig wechselnden Arbeitszeiten geben fast doppelt so häufig an, Benzodiazepine einzunehmen, als jene mit regelmäßigen (65 % gegenüber 38 %). Es ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen Schlafstörungen mit Benzodiazepinen „behandelt“ werden. Der kurzfristigen Linderung der Schlafprobleme stehen hier jedoch langfristig negative Auswirkungen wie Schlafstörungen und Abhängigkeitsentwicklung gegenüber. (red)