Obduktionen: maßgeblich für das Verständnis neuer Erkrankungen

Anlässlich der aktuellen Lage weist die Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGPath/IAP Austria) auf die Bedeutung der Obduktionen für ein besseres Verständnis neu auftretender Erkrankungen wie COVID-19 hin. Die Obduktion kann beispielsweise Aufschluss darüber geben, ob der Patient an Krankheiten litt, die vor dem Tod nicht erkannt werden konnten. Dies erlaubt die Einschätzung der Bedeutung von Komorbiditäten bzw. Vorerkrankungen, was die Dokumentation von komplexen Krankheitsverläufen und Krankheitsbildern möglich macht.

Voraussetzungen für die Durchführung einer Obduktion

Unter welchen Bedingungen ein SARS-CoV-2 infizierter Verstorbener obduziert wird ist von der gesetzlichen Rahmenbedingung des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (§25 KAKuG) festgelegt. Die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie Prim. Dr. Christa Freibauer erläutert diesen Sachverhalt:
„Auch Obduktionen von SARS-CoV-2-Infizierten sind nur unter Anwendung der derzeit gültigen gesetzlichen Rahmenbedingungen vorzunehmen, also bei diagnostischer Unklarheit oder zur Wahrung wissenschaftlicher bzw. öffentlicher Interessen. Wesentlich ist also das Vorliegen einer entsprechenden klinischen oder auch wissenschaftlichen Fragestellung zum jeweiligen Fall. Jede Obduktion hat unter strengster Einhaltung der empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen sowie ausschließlich durch geschultes und geübtes Personal zu erfolgen.“ Die Expertin betont, dass sowohl bei bereits bestätigten SARS-CoV-2-Fällen als auch bei Verdachtsfällen dieselben Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten sind.

Erfassung der Verstorbenen

Unklarheit besteht bei der Frage ob jemand „an oder mit COVID verstorben ist“. Dies sei jedoch müßig und irrelevant, so Prim. Freibauer. „Selbst wenn Komorbiditäten und Vorerkrankungen bestehen, ist die COVID-Erkrankung als unmittelbare, zugrundeliegende Todesursache anzusehen, die direkt zum Tode geführt hat.“
Für die Todesursachenstatistik in Österreich, die eine Tradition bis zurück ins 19. Jahrhundert hat, ist es von Bedeutung, ob der Verstorbene eine Infektion mit Erkrankung oder eine Infektion ohne Zeichen einer Erkrankung hatte. Litt der Verstorbene an einer COVID-Erkrankung, wurde sie bei ihm also klinisch bzw. pathologisch diagnostiziert, gilt COVID-19 in der Todesursachenstatistik als zugrundeliegende Todesursache. Und zwar unabhängig davon, ob nachgewiesene oder vorbekannte Komorbiditäten bestanden haben. Bestand hingegen eine Infektion mit SARS-CoV-2, aber keine entsprechenden Zeichen einer COVID-Erkrankung, wird die Todesursache nicht als COVID-Erkrankung erfasst.
Eine Diskrepanz besteht darin, dass im Unterschied zur Todesursachenstatistik in der Statistik des Sozialministeriums jeder Todesfall mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion als COVID-Toter gezählt wird.

Bedeutung für die Wissenschaft

Obwohl immer mehr Publikationen zum klinischen Verlauf der COVID-Erkrankung verfügbar sind, gibt es weltweit nur wenig wissenschaftliche Untersuchungen zu histo-pathologischen Veränderungen im Rahmen der COVID-Erkrankung auf Basis von Obduktionen. Laut Prim. Freibauer gibt es weltweit ein großes Interesse an wissenschaftlichen Projekten im Zusammenhang mit der COVID-Erkrankung: „Die WHO priorisiert derzeit wissenschaftliche Projekte auf Basis von histo-pathologischen Studien, die zum Verständnis der Pathophysiologie der COVID-19-Erkrankung beitragen sollen.“
Der Flaschenhals bei diesen Bemühungen ist allerdings die Verfügbarkeit von Gewebeproben von Patienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind. „Wir Pathologen sind daher aufgerufen, Obduktionen an COVID-Verstorbenen unter dem Einsatz der modernsten Methoden, die uns zur Verfügung stehen, durchzuführen, um dazu beizutragen, die COVID-19-Erkrankung und ihre Mortalität besser zu verstehen. Wir wollen als Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie wissenschaftliche Initiativen weltweit und im eigenen Land unterstützen“, fasst Freibauer zusammen.

Quelle: Pressemitteilung der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGPath/IAP Austria) zum Thema Obduktion und COVID-19, 30.4.2020