Potential: IL-1-Blockade bei COVID-19

Die Blockade von Interleukin-1 kann einen „Zytokinsturm“ bei schwerkranken COVID-19-Patienten deutlich abschwächen und ist mit klinischen Verbesserungen assoziiert, so die Ergebnisse einer rezenten Beobachtungsstudie. 

Eine der gefürchteten Komplikationen bei Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung ist ein sogenannter „Zytokinsturm“ mit einer sich überschlagenden und den ganzen Körper schädigenden Entzündungsreaktion. Ähnlich wie Patienten mit hyperinflammatorischen Syndromen, könnte diese Subgruppe von COVID-19-Patienten von Zytokin-blockierenden Substanzen profitieren. Eine italienische Studie untersuchte erstmals den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten Anakinra bei Patienten mit COVID-19, akutem Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome, ARDS) und Hyperinflammation.1

Studiendesign

Die retrospektive Kohortenstudie schloss COVID-19-Patienten mit moderatem bis schwerem ARDS und Hyperinflammation ein, die außerhalb der Intensivstation nicht-invasiv beatmet wurden. Zusätzlich zur Standardtherapie (Hydroxychloroquin + Lopinavir) erhielten sie eine hochdosierte intravenöse Behandlung mit Anakinra (2 x täglich 5mg/kg Körpergewicht). Als Studienendpunkte wurden das Überleben, Veränderungen in der Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) sowie der Atemfunktion nach 21 Tagen definiert. Als Vergleichsgruppe dienten frühere COVID-19-Patienten, die mit der Standardtherapie, aber noch nicht mit Anakinra behandelt worden waren.

Ergebnisse

Nach 21 Tagen kam es in der Hochdosis-Anakinra-Gruppe (n = 29) bei 72 % der Patienten zu einem deutlichen Rückgang des CRP und zu einer Verbesserung der Atemfunktion. In der Vergleichsgruppe (n = 16) zeigten nur 50 % der Patienten eine verbesserte Atemfunktion. Während unter Anakinra 17 % der Patienten eine mechanische Beatmung benötigten und 10 % verstarben, lagen die entsprechenden Werte in der Vergleichsgruppe bei 6 % und 44 %. Die Todesursachen waren in beiden Gruppen Lungenembolien, Ateminsuffizienz und Multiorganversagen. Der Unterschied in der Überlebensrate (Anakinra 90 % vs. Standardbehandlung 56 %) war statistisch signifikant (HR: 0,2; 95 % CI 0,04-0,63) .

Resümee

Die i. v.-Therapie mit hochdosiertem Anakinra erwies sich bei COVID-19-Patienten mit ARDS und Hyperinflammation als sicher und war bei 72 % der Patienten mit einer klinischen Verbesserung assoziiert. Eingeschränkt wird die Aussagekraft dieser Beobachtungsstudie durch das Fehlen einer randomisierten Vergleichsgruppe. Eine randomisierten Studie, die das Potential einer anti-inflammatorischen Behandlung mit Anakinra bei COVID-19 genauer evaluiert, läuft bereits. Erste Ergebnisse werden für September 2020 erwartet.

1 Cavalli G et al., Interleukin-1 blockade with high-dose anakinra in patients with COVID-19, acute respiratory distress syndrome, and hyperinflammation: a retrospective cohort study. Lancet Rheumatol; published online May 7, 2020 https://doi.org/10.1016/S2665-9913(20)30127-2

https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lanrhe/PIIS2665-9913(20)30127-2.pdf