Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe bei Rheuma-Patienten

  • Sind Rheumapatienten bei einer SARS-CoV-2-Infektion besonderen Risiken ausgesetzt und welchen Einfluss hat die Rheumamedikation?
  • Um diese Fragen zu klären, wurde von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) gemeinsam mit Experten der Universität Gießen bereits im Frühjahr 2020 das online-Register „Covid19-rheuma.de“ initiiert. In diesem werden Covid-19-Krankheitsverläufe von Patienten mit Rheuma dokumentiert.
  • Eine erste wissenschaftliche Auswertung der Registerdaten wurde nun in der Fachzeitschrift RMD Open publiziert. Als ein Risikofaktor für schwere Verläufe konnte eine erhöhte Krankheitsaktivität identifiziert werden.

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen stellen eine permanente Belastung für das Immunsystem der Patienten dar: Die krankheitstypische, gegen körpereigene Gewebe gerichtete Immunaktivität bindet die Kapazitäten des Immunsystems und kann zu einer erhöhten Infektneigung führen, insbesondere wenn die Erkrankung aktiv ist und nicht behandelt wird. Dazu kommt die Wirkung immunsuppressiver Medikamente, die in der Therapie rheumatischer Erkrankungen zum Einsatz kommen. Zu Beginn der Corona-Pandemie habe es daher sowohl bei den Rheumapatienten als auch bei den behandelnden Ärzten eine große Verunsicherung gegeben, wie Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der DGRh und Leiter der Rheumaeinheit am Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, erläutert. „Das wichtigste Ziel des Registers war und ist es daher, rheumabezogene Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf zu identifizieren sowie valide und evidenzbasierte Empfehlungen für die Behandlung von Rheumapatienten während der Pandemie zu geben.“
Im Rahmen der Analyse werteten die Experten einen COVID-19-Verlauf dann als schwer, wenn der jeweilige Patient stationär in eine Klinik aufgenommen werden musste. Innerhalb dieser Gruppe der hospitalisierten Patienten wurde dann noch zwischen Patienten unterschieden, die invasiv beatmet werden mussten, und solchen, die ohne diese Maßnahme auskamen.

Die Ergebnisse im Detail

Von den insgesamt 468 registrierten Patienten mussten 136 hospitalisiert werden, 26 benötigten eine Beatmung, fasst die korrespondierende Autorin der Publikation, Priv.-Doz. Dr. Anne C. Regierer vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), die Ergebnisse zusammen, die sie mit Dr. Rebecca Hasseli, der ärztlichen Koordinatorin des Registers aus der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, analysiert hat.

Risikofaktor Alter. Als unabhängiger Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf zeigte sich besonders das Alter: Über 65-Jährige hatten ein 2,24-mal, über 75-Jährige sogar ein fast 4-mal so hohes Hospitalisierungsrisiko wie jüngere Patienten.

Begleiterkrankungen. Auch die Art und Anzahl der zusätzlichen Begleiterkrankungen beeinflusste den Verlauf der Erkrankung deutlich. So waren Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Nierenerkrankungen oder Lungenerkrankungen wie einer ILD oder COPD besonders häufig von einem schweren Krankheitsverlauf betroffen. Kein erhöhtes Hospitalisierungsrisiko habe sich hingegen für Asthma-Patienten gezeigt.

Damit bestätigen die Registerdaten zunächst die auch für die Allgemeinbevölkerung geltenden Erkenntnisse zu SARS-CoV-2. „Daneben zeigten sich aber auch Risikofaktoren, die speziell mit einer rheumatischen Grunderkrankung und ihrer Therapie in Verbindung standen“, so Regierer.

Spezifische Risikofaktoren

Glukokortikoide. Als Risikogruppe haben sich insbesondere Patienten mit einer täglichen Glukokortikoid-Einnahme von mehr als 5 mg erwiesen. Das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf lag bei ihnen 3,67-fach erhöht.

Krankheitsaktivität. Ebenso als Risikofaktor identifiziert werden konnte die Krankheitsaktivität: Patienten mit aktuell moderater bis hoher Krankheitsaktivität hatten ein fast doppelt so hohes Hospitalisierungsrisiko wie Patienten mit niedriger Krankheitsaktivität.

„Der Zusammenhang zwischen einer erhöhten entzündlich-rheumatischen Krankheitsaktivität und einem schweren Covid-19-Verlauf ist hier zum ersten Mal dokumentiert“, sagt Prof. Dr. Christof Specker, Rheumatologe an den Kliniken Essen-Mitte und Leiter der „Ad hoc Kommission COVID-19 Register“ der DGRh. Aus den Registerdaten lasse sich daher die dringende Empfehlung ableiten, während der Pandemie auf eine möglichst gute medikamentöse Kontrolle der rheumatischen Grunderkrankung zu achten. Wo immer möglich solle auf die dauerhafte Gabe höher dosierter Glukokortikoide verzichtet werden. Specker verwies auf die wichtige Rolle der Biologika: Mit ihnen lasse sich die Krankheitsaktivität wirksam kontrollieren und zugleich die Glukokortikoiddosis senken. (Quelle: DGRh 22.1.2021; Red/shi)

 

Studie:

Hasseli R, Mueller-Ladner U, Hoyer BF et al., Older age, comorbidity, glucocorticoid use and disease activity are risk factors for COVID-19 hospitalisation in patients with inflammatory rheumatic and musculoskeletal diseases; RMD Open 2021;7:e001464. doi: 10.1136/rmdopen-2020-001464