Neue Player am Feld der Myelomtherapie

Belamaf

Belantamab mafodotin (Belamaf; Blenrep®) ist ein Antibody-Drug-Konjugat, zusammengesetzt aus einem Antikörper, der sich gegen BCMA (B-cell maturation antigen, ein Myelomzellantigen) richtet, und der anti-neoplastischen Substanz Monomethyl Auristatin F (blockiert die Polymerisation im Tubulusapparat). In der für die Zulassung maßgebenden DREAMM-2-Studie1 wurden Patienten mit relapsiertem Myelom in zwei Dosisgruppen behandelt, einerseits mit Bela-maf 2,5 mg/kg, andererseits 3,4 mg/kg i.v. über 30 Minuten. in Zyklen alle 3 Wochen bis zum Progress. Es handelte sich um eine stark vorbehandelte Patientenpopulation mit median sieben Vortherapien in der 2,5 mg/kg-Kohorte und sechs Vortherapien in der 3,4 mg/kg-Kohorte. Die Gesamtansprechrate lag bei 31 % (mit 2,5 mg/kg) bzw. 34 % (mit 3,4 mg/kg), die mittlere Dauer des Ansprechens bei 11 Monaten (2,5 mg/kg) bzw. 6,2 Monaten (3,4 mg/kg). Aufgrund des etwas besseren Nebenwirkungsprofils bei gleich guter Wirksamkeit wird die 2,5 mg/kg-Dosierung von Belamaf empfohlen. An Nebenwirkungen von Belamaf ist neben einer hämatologischen Toxizität (v. a. Thrombopenie) besonders die Keratopathie (microcyst-like epithelial changes, MECs) hervorzuheben, die bei über 70 % der Patienten in der Studie auftrat (über 20 % Grad 3–4). Augenärztliche Vor- und Verlaufsuntersuchungen sowie die regelmäßige Anwendung befeuchtender Augentropfen sind bei Belamaf-Gabe obligat, häufig führt diese Nebenwirkung jedoch dennoch zu Therapieunterbrechungen. Aktuell wird Belamaf auch in Kombinationsprotokollen untersucht, etwa in Kombination mit Pomalidomid + Dexamethason in der ALGONQUIN-Studie oder in Kombination mit Bortezomib + Dexamethason bzw. mit Lenalidomid + Dexamethason in der DREAMM-6-Studie.

Bispezifische Antikörper

Bispezifische Antikörper rekrutieren durch ihren dualen Erkennungsmechanismus (sie binden einerseits an CD3, andererseits an ein Myelomzellantigen) T-Zellen in die Nähe von Myelomzellen. Die antineoplastische Aktivität kommt durch die Effektorfunktionen der T-Zellen zustande. Verschiedene Konstrukte sind in klinischer Entwicklung, wobei meist BCMA als Target gewählt wurde, so etwa auch für Teclistamab. In einer Population von Myelompatienten mit hochrefraktärer Erkrankung wurden für Teclistamab Ansprechraten von 65 % gesehen (MajesTEC-1-Studie2). Ähnlich gute Daten wurden für den ebenfalls gegen BCMA gerichteten bispezifischen Antikörper Elranatamab berichtet (MagnetisMM-1-Studie3). Klinische Daten liegen aber auch für bispezifische Antikörper vor, die sich gegen G-protein coupled receptor family C group 5 member D (GPRC5D), etwa Talquetamab, und Fc receptor homolog 5 (FcRH5), Cevostamab, richten. Bei den bispezifischen Antikörpern ist ähnlich wie bei den CAR-T-Zellen ein Cytokine Release Syndrome nicht selten zu beobachten, auch eine hämatologische Toxizität sowie Infektkomplikationen sind zu beachten. Neurologische Nebenwirkungen scheinen seltener vorzukommen als bei der CAR-T-Zell-Therapie.
Gegenüber den CAR-T cells ergibt sich als Vorteil für die bispezifischen Antikörper, dass sie „off the shelf“ verfügbar sind, andererseits ist eine längerfristig wiederholte Gabe, typischerweise bis zum Progress, notwendig. Aktuell werden bispezifische Antikörper auch in Kombinationsregimen geprüft. Folgende randomisierte Prüfungen von bispezifischen Antikörpern bei relapsierten Erkrankungen können angeführt werden:

MajesTEC-3: Teclistamab + Daratumumab vs. Daratumumab + Pomalidomid/Dex oder Daratumumab + Bortezomib/Dex

MagnetisMM-5: Elranatamab vs. Elranatamab + Daratumumab vs. Daratumumab + Pomalidomid/Dex

CELMoDs

Die CELMoDs (Cereblon-E3-Ligase-Modulatoren) binden mit wesentlich höherer Affinität an Cereblon als Lenalidomid oder Pomalidomid und bewirken eine effizientere Degradierung von Ikaros und Aiolos. Klinisch konnte ein Ansprechen auf diese neuen Substanzen auch bei Patienten beobachtet werden, die auf immunmodulierende Substanzen (IMiDs) bereits refraktär waren. In einer Phase-I/II-Studie wurde mit Iberdomid (orale Medikation Tag 1–21 eines 28-Tage-Zyklus) + Dexamethason ein Ansprechen bei 30 % von stark vorbehandelten Myelompatienten gesehen4; beim EHA 2021 wurden erste Daten zur Kombination Iberdomid mit Daratumumab (IberDd), Bortezomib (IberVd) und Carfilzomib (IberKd) präsentiert5. Die Kombination IberDd soll aktuell in einer Phase-III-Studie gegen die Standardkombination Daratumumab + Bortezomib/Dexamethason (DVd) getestet werden. Ein weiterer CELMoD, das CC-92480, befindet sich ebenfalls in klinischer Entwicklung. Die Nebenwirkungen dieser Substanzen sind vorwiegend hämatologischer Natur (Leukopenie, Thrombopenie).

Melflufen

Melflufen (Melphalan Flufenamid) ist im Prinzip ein modifiziertes Melphalan, entspricht also dem altbekannten Alkylator, an den ein lipophiles Peptid gekoppelt wurde. Die in Myelomzellen exprimierten Aminopeptidasen entkoppeln das Alkylans vom Peptidanteil, wodurch eine Art Zielsteuerung der Chemotherapie erfolgen soll. In der HORIZON-Studie wurde mit Melflufen + Dex ein Ansprechen bei 29 % der relapsierten Myelompatienten gesehen6. Auch Kombinationen mit Daratumumab oder Proteasomhemmern werden evaluiert (ANCHOR-Studie). In der Phase-III-Studie OCEAN7 wurde mit Melflufen (40 mg i.v. alle 28 Tage) + Dex zwar ein besseres progressionsfreies Überleben gesehen als mit Pomalidomid + Dex (medianes PFS: 6,8 vs. 4,9 Monate), aber das Gesamtüberleben war mit Melflufen + Dex tendenziell schlechter (medianes OS: 19,8 vs. 25 Monate; p = 0,47; HR = 1,1). In einer Subgruppenanalyse konnte dies v. a. auf jene Patientengruppe zurückgeführt werden, die vormals mit Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation (ASCT) behandelt wurde. Das Problem scheint umso ausgeprägter zu sein, je kürzer zuvor die Hochdosistherapie stattgefunden hatte. Möglicherweise liegt dies an einer verstärkten hämatologischen Toxizität von Melflufen bei jenen Patienten, die Melphalan im Zuge der Hochdosistherapie + ASCT erhalten hatten, und der schlechten hämatologischen Verträglichkeit von Folgetherapien bei dann eingeschränkter Knochenmarkreserve. Ältere Patienten, die vormals keine Hochdosistherapie mit ASCT erhalten hatten, profitierten von der Melflufentherapie in der Subgruppenanalyse sowohl hinsichtlich PFS wie auch OS (letzteres zumindest tendenziell).

Selinexor

Selinexor (Nexpovio®) ist ein Exportin-1(XPO1)-Inhibitor, hemmt also ein membranäres Protein, das für den Export von Tumor-Suppressor-Molekülen aus dem Zellkern verantwortlich ist (selective inhibitor of nuclear export, SINE). In der STORM-Studie wurde mit Selinexor (80 mg per os 2 x wöchentlich) + Dexamethason bei hochrefraktärer Myelomerkrankung ein Ansprechen bei 26 % der Patienten erreicht8. Mit der Kombination Selinexor (100 mg per os 1 x wöchentlich) + Bortezomib/Dex (SVd) wurde im Vergleich zu Bortezomib/Dex (Vd) bei Patienten nach 1–3 Vortherapien (BOSTON-Studie9) eine Verbesserung des PFS von 9,46 auf 13,93 Monate gesehen. Als Nebenwirkungen von Selinexor sind v. a. Nausea, Inappetenz und Fatigue hervorzuheben, in der BOSTON-Studie war im Kombinationsarm auch eine Thrombopenie häufiger als mit Vd alleine.

Venetoclax

Venetoclax (Venclyxto®) zeigte in einer Phase-I-Studie (Dosiseskalation 300–1.200 mg/Tag orale Dosis10) als Monotherapie Aktivität beim relapsierten Myelom mit einer Gesamtansprechrate von 21 % (40 % bei Patienten mit t[11;14]). In der BELLINI-Studie11 wurde die Kombination Venetoclax (800 mg/Tag) + Bortezomib/Dex vs. Placebo + Bortezomib/Dex im randomisierten Setting geprüft (1–3 Vortherapien). Das mediane PFS war mit der Venetoclax-Kombination zwar deutlich verbessert (22,4 vs. 11,5 Monate), im Venetoclax-Arm waren allerdings vermehrt Todesfälle auffällig (HR = 2,03). Dies dürfte am ehesten auf die erhöhten Raten an Neutropenien im Kombinationsarm mit konsekutiven Infektkomplikationen zurückzuführen sein. Bei Patienten mit t(11;14) oder auch solchen mit hoher BCL-2-Expression überwogen jedoch die positiven Effekte, auch im Hinblick auf das Gesamtüberleben. In diesen Subgruppen separierten auch die PFS-Kurven noch deutlicher zugunsten des Venetoclax-Arms. Venetoclax wird auch in anderen Kombinationsprotokollen untersucht, etwa in Kombination mit Daratumumab oder Carfilzomib.

 

 


 

  1. Lonial et al., Lancet Oncol 2020; 21 (2):207-221
  2. Usmani et al., Lancet 2021; 398 (10301):665-674
  3. Bahlis et al., ASCO 2021 Annual Meeting Abstract 8006
  4. Lonial et al., ASCO 2019 Annual Meeting Abstract 8006
  5. Lonial et al., EHA 2021 Congress Abstract S187
  6. Richardson et al., J Clin Oncol 2021; 39 (7):757-767
  7. Schjesvold et al., International Myeloma Workshop 2021 OAB50
  8. Chari et al., N Engl J Med 2019; 381 (8):727-738
  9. Grosicki et al., Lancet 2020; 396 (10262):1563-1573
  10. Kumar et al., Blood 2017; 130 (22):2401-2409
  11. Kumar et al., Lancet Oncol 2020; 21 (12):1630-1642