Personalisierte Myelom-Therapie für Jung und Alt

In den letzten Jahren hat sich die Prognose für Patient:innen mit multiplem Myelom dank neuartiger Therapieansätze und Kombinationstherapien stark verbessert. Sogar für bisher schwer zu behandelnde Patient:innen gibt es nun wirksame Therapien.

Erstlinientherapie

PERSEUS-Studie: In der Phase-III-Studie PERSEUS wurden junge fitte Patient:innen mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (NDMM) entweder zu einer Triplet-Therapie (Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason, VRd) – dem Standard of Care (SOC) – oder einer Quadruplet-Therapie (VRd plus Daratumumab, D-VRd) randomisiert. Nach vier Induktionszyklen wurde transplantiert, es folgten zwei Konsolidierungszyklen mit anschließender Erhaltungstherapie (Lenalidomid-Monotherapie bzw. Lenalidomid plus Daratumumab). Wurde nach zwei Jahren eine MRD-­(Minimal-residual-Disease-)Negativität im Studienarm nachgewiesen, wurde die Erhaltungstherapie im Sinne einer Deeskalation nur mit Lenalidomid fortgesetzt. Derartige MRD-getriggerte Konzepte werden zunehmend in großen Studien angewandt.

Nach einem langen Beobachtungszeitraum von ca. 48 Monaten liegt das progressionsfreie Überleben (PFS) im Triplet-Arm bei 67,7 % und im Quadruplet-Arm bei 84,3 %, was einer Risikoreduktion für Progress oder Tod von 58 % entspricht.

Bemerkenswert ist die Wirksamkeit der Quadruplet-Therapie auch bei Patient:innen mit Hochrisikogenetik, deren Erkrankung sonst schwer zu therapieren ist.1 Mittlerweile wird diese Therapie auch als SOC in der Erstlinientherapie des MM angesehen und vielerorts bereits durchgeführt.

IsKia-EMN24-Studie: Die Ergebnisse der ­IsKia-Studie2 unterstützen das Konzept der Quadruplet-Therapie. Verglichen wurde eine Therapie mit Isatuximab/Carfilzomib/Lenalidomid/Dexamethason (Isa-KRd) mit der Standardtherapie (KRd). Der primäre Endpunkt, die MRD-Negativität nach Konsolidierung (vier Zyklen), wurde erreicht und betrug 77 % im Isa-KRd- und 67 % im KRd-Arm. Bemerkenswert ist, dass die Tiefe des Ansprechens im Verlauf der Therapie im Isa-KRd-Arm signifikant stärker zunimmt.

In besonderem Maße von der Isa-KRd-Therapie profitiert haben Patient:innen mit sehr hohem zytogenetischem Risiko, also zwei oder mehr Hochrisikoabberationen.2

Weitere Studien: Die Wirksamkeit der Quadruplet-Therapie bei Patient:innen mit Hochrisikozytogenetik konnten auch die Phase-II-­Studie GMMG-CONCEPT (Isa-KRd) sowie die IFM-2018-04-Studie (Daratumumab-­KRd und Tandemtransplant) zeigen.3, 4 Beide Studien schlossen ausschließlich Patient:innen mit Hochrisikozytogenetik ein. Die Ergebnisse sind für die in Studien unterrepräsentierte Patientengruppe, die bisher nur schwer zu behandeln war, von großer Bedeutung.3, 4

Die MAIA-Studie, welche die Patient:innen mit einem medianen Alter von 73 Jahren einschloss (über 50 % ≥ 75 Jahre), bestätigt auch nach vielen Jahren Beobachtungszeit die ausgezeichneten Ergebnisse der Kombination aus Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason (D-Rd).5 Die Lebensqualität – ein Schwerpunkt, dem in den letzten Jahren immer mehr Beachtung geschenkt wurde – leidet unter der Therapie nicht, es kommt zu einer Reduktion der krankheitsassoziierten Symptome. Dies ist besonders wichtig, da die Therapie bis zum Progress oder zu inakzeptabler Toxizität verabreicht wird.6

Rezidiviertes/refraktäres Setting

Im konventionellen Setting, also abseits der Immuntherapie, gibt es mit dem Super-IMiD Mezigdomid eine neue, sehr wirksame oral einzunehmende Substanz, die in Kombination mit Dexamethason und Daratumumab bzw. Elotuzumab in klinischen Studien untersucht wird und bisher sehr beeindruckende Ansprechraten bei Patient:innen, die refraktär auf die meisten anderen Substanzen sind, zeigt.7

Ein weiterer potenzieller neuer Wirkstoff für Patient:innen mit Translokation t(11;14) ist Sonrotoclax, ein BCL-2-Inhibitor der zweiten Generation.8

Da die Patient:innen mit einer Quadruplet-­Therapie in der Erstlinie bereits alle in Frage kommenden Wirkstoffklassen bekommen, gestaltet sich die Entscheidung über nachfolgende Therapien oft als schwierig. Mit den neuen Subs­tanzen und der Immuntherapie konnte die Ansprechrate im rezidivierten/refraktären Setting von etwa 30 % auf ca. 80 % gesteigert werden.

Bispezifische Antikörper: Die bispezifischen Antikörper, die beim MM eingesetzt werden, richten sich vor allem gegen BCMA (Teclistamab und Elranatamab, beide bei RRMM zugelassen) und gegen GPRC5D (Talquetamab, bei RRMM zugelassen). Besonders bedeutsam ist diese Therapie für Triple- oder Penta-­Class-refraktäre Patient:innen.

In MajesTEC-1, der Zulassungsstudie für Teclistamab, wurden stark vortherapierte Patien­t:in­nen mit einer Monotherapie behandelt, die Ansprechrate lag bei 63 %. Es konnten hohe Raten an Komplettremissionen (CR) und MRD-­Negativität erreicht werden, sowohl junge als auch alte Patient:innen profitierten von der Therapie. Das PFS lag bei über 11 Monaten, mit CR oder besser sogar bei 27 Monaten.

Derartige Ergebnisse konnten zuvor bei schwer vortherapierten Patient:innen nicht erreicht werden. Auch das Gesamtüberleben (OS) ist mit knapp 22 Monaten sehr lange und wurde für Patient:innen mit CR noch nicht erreicht.9, 10 Das Outcome von Patient:innen, die weniger Vortherapien erhalten haben, war besser, was für einen früheren Einsatz der bispezifischen Antikörper spricht, der momentan in Studien überprüft wird.10

Auch bei dieser Behandlung kommt es zu einer Verbesserung der Lebensqualität während der Therapie.9, 11

Als wichtige Nebenwirkung der Immuntherapie ist das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) zu erwähnen, das häufig, aber meist nur mit geringem Schweregrad und von geringer Dauer auftritt. Die Inzidenz des immuneffektorzell­assoziierten Neurotoxizitätssyndroms (ICANS) war gering – ebenso wie andere neurotoxische Nebenwirkungen. Eine relevante Nebenwirkung, auf die man achten sollte, ist die erhöhte Infektanfälligkeit.9, 10

Die Kombination aus Teclistamab, Daratumumab und Lenalidomid wird in der laufenden Phase-Ib-Studie MajecTEC-2 untersucht, erste Ergebnisse zeigen noch bessere Ansprechraten verglichen mit der Monotherapie.12

Die Ergebnisse der MajesTEC-1-Studie sind mit jenen mit Elranatamab in der MagnetisMM-3-Studie vergleichbar.13 Eine Subgruppenanalyse zeigt, dass alle Risikogruppen, auch jene mit Hochrisikozytogenetik, in ähnlichem Maße von der Behandlung profitieren, mit der Ausnahme von Patient:innen mit Stadium R-ISS III.14 Auch diese Studie zeigt ein besseres Outcome bei Patient:innen, die weniger vortherapiert waren. Die Häufigkeit schwerer Infektionen konnte bei gleicher Effektivität durch eine Ausdehnung des Therapieintervalls auf zwei Wochen um 10 % gesenkt werden.13 Auch gebrechliche Patient:innen profitieren bei nichterhöhten Nebenwirkungsraten von der Therapie.15

Talquetamab hat eine ähnliche Effektivität wie Teclistamab und Elranatamab, die Nebenwirkungen unterscheiden sich jedoch. Schleimhauttoxizitäten lassen sich durch Intervallverlängerung und Dosisreduktion verbessern.16

Die Kombination aus Teclistamab und Talquetamab wird momentan in der Phase-I-Studie RedirectTT-1 evaluiert. Erste Ergebnisse zeigen mit 96 % eine extrem hohe Ansprechrate bei guter Verträglichkeit und – verglichen mit CAR-T-Zell-Therapie – einfacher Anwendung. Besonders profitiert haben Patient:innen mit extramedullärer Erkrankung.17

Bezüglich der Therapie-Sequenz ist eine CAR-T-Zell-Therapie vor einer Behandlung mit einem bispezifischen Antikörper gegenüber der umgekehrten Reihenfolge zu bevorzugen, um keine Wirkungseinbußen zu erzielen.

CAR-T-Zell-Therapie: In der Phase-III-Studie KarMMa-3 wurden Triple-Class-exposed-­Patient:innen mit Idecabtagen Vicleucel (Ide-cel) behandelt. Das PFS im Studienarm betrug 14 vs. 4 Monate im Kontrollarm (SOC). Die OS-Daten zeigen den eindeutigen Benefit der CAR-T-Zell-Therapie, insbesondere wenn in einer Sensitivitätsanalyse für Cross-over adjustiert wurde. Es traten keine Langzeit-Toxizitäten im Sinne von Parkinsonismus oder Guillain-Barré-Symptomatik auf.18 Auch mit dieser Therapie verbesserte sich die Lebensqualität.19 Wichtig ist eine wirksame Bridging-Therapie, und je weniger extramedulläre Erkrankung vor der CAR-T-Zell-Verabreichung vorhanden ist, desto besser das Outcome.20

Ein klarer Vorteil gegenüber dem SOC (Pomalidomid/Bortezomib/Dexamethason oder Daratumumab/Pomalidomid/Dexamethason) konnte auch mit Ciltacabtagen Autoleucel (Cilta-cel) bei lenalidomidrefraktären Patien­t:innen in der CARTITUDE-4-Studie erreicht werden (medianes PFS: SOC-Arm 11,8 Monate versus noch nicht erreicht im Cilta-cel-Arm, Hazard Ratio: 0,26). Die eingeschlossenen Patient:innen waren im Vergleich zu jenen in der KarMMa-3-Studie etwas weniger stark vorbehandelt. Auch in dieser Studie kommt es bisher zu einer Verbesserung der Lebensqualität. Die Nebenwirkungen ähneln jenen mit einer Ide-cel-Therapie, mit etwas unterschiedlichen neurologischen Langzeittoxizitäten.21

Neuere CAR-T-Zell-Konstrukte sind kleiner und binden an BMCA oder GPRC5D, die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend.22, 23 Ganz neu ist der Ansatz, allogene CAR-Konstrukte mit Natural-Killer-Zellen herzustellen. Dabei würden unerwünschte Nebenwirkungen wie Abstoßungsreaktion (GvDH), CRS oder auch ICANS wegfallen, da diese T-Zell-Rezeptor-mediiert sind und dieser auf NK-Zellen nicht vorhanden ist. Momentan ist allerdings die Stabilität solcher Konstrukte im Blut noch sehr kurz und muss optimiert werden.24

Resümee/Ausblick

Mit Immuntherapien können wir RRMM-Patient:innen äußerst wirksame Optionen anbieten, die in Zukunft eine zunehmend wichtigere Rolle spielen und vermutlich in früheren Behandlungslinien als SOC zum Einsatz kommen werden.

Referenzen: (1) Sonneveld P et al., ASH 2023; Abstract LBA-1 (2) Gay F et al.,ASH 2023; Abstract #0004 (3) Leypoldt L et al., J Clin Oncol 2024; 42(1):26–37 (4) Touzeau C et al., ASH 2023; Abstract #0207 (5) Weisel K et al., EMN 2023; Abstract P09 (6) Facon T et al., EMN 2023; Abstract P16 (7) Richardson P et al., ASH 2023; Abstract #1013 (8) Quach H et al., ASH 2023; Abstract #1011 (9) Moreau P et al., N Engl J Med 2022; 387(6):495–505 (10) Van de Donk NWCJ et al., ASCO 2023; Abstract #8011 (11) Martin T et al., ASCO 2022; Abstract #8033 (12) Searle E er al., ASH 2022; Abstract #0160 (13) Mohty M et al., EHA 2023; Abstract #S196 (14) Tomasson et al., ASH 2023; Abstract #3385 (15) Leleu X et al., EHA 2023; Abstract #P880 (16) Tozeau C et al., EHA 2023; Abstract #S191 (17) Mateos M et al., EHA 2023; Abstract #S190 (18) Rodriguez-Otero P et al., ASH 2023; Abstract #1028 (19) Delforge M et al., ASH 2023; Abstract #1003 (20) Patel K et al., EHA 2023; Abstract #S195 (21) Mina R et al., ASH 2023; Abstract #1063 (22) Frigeault M et al., ASH 2023; Abstract #1013 (23) Bal S et al., ASH 2023; Abstract #0219 (24) Rezvani K et al., ASH 2023; E. Donnall Thomas Lecture