Therapiestudien beim multiplen Myelom in Österreich

Der unglaubliche Fortschritt der letzten Jahre in der Myelomtherapie ist nicht zuletzt der aus innovativen Studienprotokollen ­gewonnenen Erfahrungen zu verdanken. Hier folgt ein Überblick über die in Österreich aktuell laufenden bzw. in naher Zukunft verfügbaren klinischen Studien. Die Studienzentren sind in Klammern und am Ende des Beitrags tabellarisch gelistet.

Rezidivierte bzw. refraktäre Erkrankung, > 3 Vortherapien

Der Bedarf an neuen Therapiestrategien ist nirgends so groß wie bei mehrfach vorbehandelten Patient:innen. Hier kündigt sich eine Renaissance von Interferon-(INF-) an, das vor 20 Jahren noch in der Erhaltungstherapie nach autologer Transplantation eingesetzt, aber bald von Thalidomid und später Lenalidomid verdrängt wurde. Modakafusp alfa ist ein mit IFN- beladener CD38-Antikörper, der die Substanz direkt an die Myelomzelle bringt und als i. v. Infusion alle 4 Wochen verabreicht wird. TAK-573-1502 (IINNOVATE-2) testet Modakafusp in der Phase Ib in 2er-Kombinationen bei schwer vorbehandelten Patient:innen (Zentren 7, 9, 11).

Rezidivierte bzw. refraktäre Erkrankung, > 1 Vortherapie

Der Schwerpunkt der Forschung in diesem Kollektiv liegt einerseits im frühzeitigen Einsatz bispezifischer Antikörper, andererseits in der Prüfung der neuen Generation an Immunmodulatoren (CELMoDs). Elranatamab ist ein bispezifischer BCMA×CD3-Antikörper, der als s. c. Injektion einmal wöchentlich verabreicht wird und in frühen Studien eine mit Teclistamab vergleichbare Wirksamkeit zeigt. In MagnetisMM-5 (Phase III, Zentren 1, 2, 6, 11, 15) wird die Substanz schon ab dem 1. Rezidiv als Monotherapie bzw. in Kombination mit Daratumumab eingesetzt. Der Kontroll­arm ist Daratumumab-Pomalidomid/Dexamethason, potenzielle Kandidat:innen sollten daher weder refraktär auf den CD38-Antikörper noch mit Pomalidomid vorbehandelt sein.
Die beiden neuen Cereblon-Modulatoren sind ebenso wie ihre Vorgänger Lenalidomid und Pomalidomid oral verfügbar und zeigen in frühen Untersuchungen bei exzellenter Wirksamkeit erfreulich wenig nichthämatologische Nebenwirkungen. Neutropenien bleiben ein Thema, weshalb die aktuellen Protokolle nochmals mit neuen Dosisstufen versehen wurden. Iberdomid wird in der Phase-III-Studie EXCALIBER-RRMM (Zentren 1, 2, 4, 7, 8, 11, 12, 15) gemeinsam mit Daratumumab und Dexamethason (Iber-Dd) angeboten, der Vergleichsarm ist Daratumumab-Bortezomib/De­xamethason wie in CASTOR. Patient:innen für dieses Protokoll dürfen mit Daratumumab vorbehandelt, aber natürlich auf die Substanz nicht refraktär sein. Das jüngste Mitglied der IMiDs-Familie Mezigdomid (ursprünglich CC-92480) wird aktuell in zwei großen Phase-­III-Studien geprüft, die beide in Kürze in Österreich verfügbar sein werden. SUCCESSOR-1 (geplante Zentren 2, 6, 7, 8, 10, 13) vergleicht Mezigdomid + Bortezomib/De­xa­methason mit der in OPTIMISMM geprüften und mittlerweile bewährten Kombination aus Pomalidomid-Bortezomib/Dexamethason. Erwartungsgemäß sind Patient:innen mit früherer Exposition gegenüber Pomalidomid nicht zugelassen; eine Vorbehandlung mit Bortezomib muss zumindest eine „minor remission“ induziert haben und nicht aus Gründen der Toxizität abgebrochen worden sein. Hier wird auch eine etwaige Polyneuropathie zu berücksichtigen sein, die für die Schwesternstudie SUCCESSOR-2 (nach unserem Informations­stand in Zentren 1, 4, 8 geplant) nicht im Vordergrund steht. Sie prüft Mezigdomid + Carfilzomib/Dexamethason im Vergleich zu Carfilzomib/Dexamethason allein wie in ENDEAVOR.

Erstlinie, transplantfähige Patient:innen

Aktuell (Stand: 1. Mai 2023) ist kein Induktionsprotokoll im Transplantsetting offen. In Vorbereitung befinden sich zwei Studien, die als Induktion ein Quadruplet mit einem CD38-Antikörper einsetzen. Die von beiden deutschen Studiengruppen gemeinsam geplante GMMG-HD8/DSMM XIX wird VRd + Isatuximab verwenden, wobei hier die s. c. Anwendung des Antikörpers gegenüber der etablierten i. v. Formulierung getestet wird. Die Studie endet vor der Hochdosis-Therapie, sodass Patient:innen nach der Transplantation in eine der Studien zur Erhaltungstherapie eingebracht werden können. In EMN33/TAURUS wird einheitlich Bortezomib/Lenalidomid/Dexamethason (VRd) + Daratumumab als Induktion und Konsolidierung (4 + 2 Zyklen) eingesetzt; der Fokus der Phase-II-Studie liegt auf der MRD-Diagnostik mit Vergleich von Durchflusszytometrie/NGF und Sequenzierung/NGS aus dem Knochenmark gegenüber Massenspektrometrie/MS aus dem Peripherblut.
Ein prominenter Schwerpunkt der internationalen Forschung liegt derzeit in der Optimierung der Erhaltungstherapie nach autologer Transplantation. Bereits angelaufen ist EMN30/MajesTEC-4, in welcher der bispezifische BCMA×CD3-Antikörper Teclistamab allein bzw. in Kombination mit Lenalidomid jeweils über 2 Jahre dem aktuellen Standard Lenalidomid (n = 500/Arm) gegenübergestellt wird. Die Einbringung ist nach der „Safety run-in“-Phase derzeit unterbrochen; eine erneute Eingangsphase mit verändertem Dosierungsschema wird voraussichtlich im Sommer 2023 beginnen, erst danach kann – so keine unerwarteten Toxizitäten auftreten – die Randomisierung in die 3 Studienarme geöffnet werden (Zentren 1, 2, 3, 6, 8, 11, 13, 15). Fast analog dazu wird auch Elranatamab in der Erhaltungstherapie gegen Lenalidomid randomisiert geprüft; MagnetisMM-7 ist mit 760 Patient:innen geplant und wird nach unserem Wissensstand in Kürze zumindest in Wien (Zentren 1, 3) verfügbar sein. Attraktiv erscheint aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils auch der Einsatz von Iberdomid anstelle von Lenalidomid in der Erhaltungstherapie in EXCALIBER-maintenance. Die Studie ist für > 1.200 Patient:innen international ausgelegt und soll schon im Mai 2023 (Zentren in Österreich: 1, 7, 8) starten. Zu erwähnen ist hier nochmals die TAK-573-1502-Studie, die auch einen Arm mit Modakafusp alfa (+Lenalidomid) in der Erhaltungstherapie für maximal 2 Jahre nach Transplantation beinhaltet.

Erstlinie, Patient:innen ohne sofortige Transplantation

Für ältere, fragile Patient:innen (Alter ≥ 70 Jahre) läuft derzeit unter der Schirmherrschaft der AGMT die von Prof. Heinz Ludwig konzipierte AGMT MM-4 an vielen Standorten in Österreich (Zentren 1–7, 9, 11–18). Die Phase-II-Studie randomisiert in Analogie zu MAIA zwischen Lenalidomid/Dexamethason und Lenalidomid/Dexamethason + Isatuximab, wobei aber nach 8 Zyklen einer „Induktion“ auf Dexamethason verzichtet und eine Erhaltungsphase mit Lenalidomid ± Isatuximab für 2 Jahre angeschlossen wird. In weiteren Protokollen werden bei fitteren Patient:innen, die dennoch nicht primär für eine autologe Transplantation in Frage kommen, bereits T-Zell-gerichtete Therapien in der Erstlinie geprüft. Spannend ist hier vor allem CARTITUDE-5 (n = 560; Zentren 1, 8, 11), deren Teilnehmer:innen nach 6-mal VRd entweder 2 weitere Kurse VRd, gefolgt von Lenalidomid/Dexamethason analog zu SWOG S0777, oder im experimentellen Arm eine CAR-T-Therapie (Cilta-cel) erhalten. Der aktuelle Standard Daratumumab-Rd wird in 2 spiegelbildlichen Studien von bispezifischen BCMA×CD3-Antikörpern herausgefordert. MajesTEC-7 bietet im experimentellen Arm Teclistamab-Daratumumab/Lenalidomid, wäh­rend in MagnetisMM-6 die Kombination aus Elranatamab-­Dara­tu­mumab/Lenalidomid eingesetzt wird. Beide Protokolle sind in Vorbereitung, die österreichischen Zentren noch nicht festgelegt.

AL-Amyloidose

Zuletzt sei noch auf zwei wichtige Protokolle zum Thema Leichtketten-Amyloidose mit schwerer kardialer Beteiligung hingewiesen. Hier kann die schnelle Beseitigung von bereits abgelagertem Amyloid durch den monoklonalen Antikörper CAEL-101 beschleunigt und die Erholung der Organfunktion begünstigt werden. Aktuell läuft die Phase-III-Studie CAEL-101-302 mit Patient:innen im Mayo-­Stadium IIIa (n = 267) mit CAEL-101 in einer Dosierung von 1.000 mg/m² oder Placebo (2:1-Randomisierung) in Kombination mit der Standardtherapie. In die Schwesternstudie CAEL-101-301 können Patient:innen im Mayo-Stadium IIIb (n = 124) eingeschlossen werden (beide Studien in Zentren 1, 8).

Fazit

Studienangebote für unterschiedliche Erkrankungsphasen des multiplen Myeloms stehen quer durch das Land zur Verfügung – es seien hier alle Kolleg:innen ermutigt, geeignete Patient:innen an die durchführenden Zentren zu überweisen.