Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pohl
Karl Landsteiner Institut für experimentelle und klinische Pneumologie, Sigmund Freud PrivatUniversität, Wien
In der VESTIGE-Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass asthmabedingte strukturelle Veränderungen in der Lunge nicht nur gebremst, sondern teilweise auch rückgängig gemacht werden können. IM FOKUS sprach mit Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pohl über die Bedeutung dieser Ergebnisse für die klinische Praxis.
IM FOKUS: Herr Prof. Pohl, die VESTIGE-Studie1 bei Typ-2-Asthma hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt – was macht diese Untersuchung aus Ihrer Sicht so besonders im Vergleich zu bisherigen Asthma-Studien?
Pohl: Die dem Typ-2-Asthma zugrunde liegende Typ-2-Inflammation wird maßgeblich durch die Zytokine Interleukin-(IL-)4, -5 und -13 gesteuert. Diese Botenstoffe fördern Umbauprozesse in den Atemwegen (= Airway Remodelling), darunter Fibrosierung und Basalmembranverdickung, Hypertrophie der glatten Muskulatur und vermehrte Schleimproduktion. Die Umbauprozesse führen zu einer Verengung und Steifigkeit der Bronchien, was die Lungenfunktion einschränkt und die Asthmakontrolle erschwert. Die VESTIGE-Studie ging der Frage nach, ob eine effektive Therapie – in diesem Fall mit dem Interleukin-4/13-Inhibitor Dupilumab – die asthmatypischen strukturellen Veränderungen in der Lunge günstig beeinflussen oder sogar rückgängig machen kann.
Können Sie Art und Aufbau der Studie kurz erklären?
Bei der VESTIGE-Studie handelt es sich um eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-IV-Studie, an der 72 Zentren aus 14 Ländern teilnahmen. Eingeschlossen wurden 109 erwachsene Patient:innen mit nichtkontrolliertem moderatem bis schwerem Typ-2-Asthma trotz Standardtherapie mit inhalativen Kortikosteroiden und anderen Controller-Medikamenten (Einschlusskriterien: Lungenfunktion ≤ 80 %, Bluteosinophile ≥ 300 Zellen/µl, FeNO ≥ 25 ppb, ≥ 1 Exazerbation im vergangenen Jahr und eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität gemäß ACQ-5). Die Patient:innen wurden im Verhältnis 2 : 1 zu Dupilumab oder Placebo randomisiert (jeweils zusätzlich zur Standardtherapie). Nach 24 Wochen erfolgte die Beurteilung verschiedener struktureller Veränderungen (z. B. Mucus Plugs) und funktioneller Parameter (z. B. Atemwegswiderstand) mittels Functional Respiratory Imaging (FRI) – einer modernen Methode, die auf hochauflösenden Computertomografie-Scans basiert. Mithilfe von 3D-Computermodellen werden dabei die Atemwege virtuell rekonstruiert und strömungsdynamisch analysiert.
Was waren die wichtigsten Ergebnisse der Studie?
Zunächst konnte die günstige Wirkung von Dupilumab auf die Entzündung bestätigt werden: Patient:innen unter Dupilumab-Therapie erreichten deutlich häufiger einen FeNO-Wert < 25 ppb als jene in der Placebogruppe (zur Woche 24: 57 % vs. 11 %). Die strukturellen Veränderungen betreffend zeigte sich unter Dupilumab bereits nach wenigen Wochen eine deutliche Abnahme des Mukusvolumens; das ist umso bemerkenswerter, als man bisher angenommen hatte, dass sich die Mucus Plugs hartnäckig in den mittleren und kleinen Atemwegen halten und sogar irreversibel sind. Im Mucus Score, der beschreibt, wie viele Bronchialsegmente einer Lunge komplett durch Schleimpfropfen verstopft sind, erreichte ein Drittel der mit Dupilumab behandelten Patient:innen eine klinisch relevante Verbesserung um 3 Punkte. Mit der Reduktion der Mucus Plugs kam es auch zu einer deutlichen Verbesserung des Air Trapping. In der Oszillometrie zeigte sich der Lungenwiderstand reduziert und die Lungenfunktion insgesamt verbessert. Das vielleicht wichtigste Endergebnis war eine bessere Lebensqualität für die Patient:innen.
Welche Bedeutung haben die Studienergebnisse für die Praxis?
Wenngleich es sich um eine nicht sehr große Studie handelt, liefert sie doch erste Hinweise darauf, dass die asthmabedingten strukturellen Veränderungen der Lunge bis zu einem gewissen Grad reversibel sind. So bewirkte die Blockade von IL-4 und IL-13 nicht nur eine Reduktion der Atemwegsentzündung, sondern auch eine deutliche Verringerung der „mucus burden“ – mit spürbarer Verbesserung von Lungenfunktion, Asthmakontrolle und Lebensqualität. Die Studienergebnisse verdeutlichen zudem das Potenzial moderner Bildgebung wie FRI zur präzisen Beurteilung von Krankheitslast, Krankheitsverlauf und Therapieansprechen. Damit stehen uns heute Werkzeuge zur Verfügung, mit denen wir in das Airway Remodelling eingreifen können – ein Ansatz, den Erstautor Mario Castro treffend als möglichen Schritt hin zur „disease modification“ bezeichnet.
„Die Studienergebnisse zeigen, dass wir heute über Werkzeuge verfügen, mit denen wir in das Airway Remodelling eingreifen können – vielleicht ein erster Schritt in Richtung Disease Modification.“