Klinische Forschung bei chronischer Rhinosinusitis

Die Chronische Rhinosinusitis ist eine mittlerweile oft gut behandelbare aber noch vielfach unverstandene Erkrankung. IM FOKUS durfte sich mit PD DDr. Sven Schneider, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Leiter der Spezialambulanz für chronische Rhinosinusitis am AKH Wien, über die Herausforderungen der klinischen Forschung bei chronischer Rhinosinusitis unterhalten.

IM FOKUS: Herr Doz. Schneider, die meisten Personen, die ein Medizinstudium beginnen, planen nicht in der Forschung zu landen. Haben Sie immer schon gewusst, dass Sie neben Ihrer Tätigkeit als Arzt auch in die Forschung involviert sein wollen, oder wie hat sich das in Ihrem Fall ergeben?

Während des Studiums wurde mein Interesse an der Forschung früh geweckt und ich bin schon vor meinem Abschluss in die Forschung eingestiegen. Mich hat der intensive Kontakt mit einem Forschungsschwerpunkt fasziniert, denn das bedeutet nicht nur oberflächlich einen breiten Bereich lernen zu müssen, sondern ganz tief in ein Thema eintauchen zu können. Durch die Forschungsarbeit bleibt man am Puls der Zeit und erhält einen ganz anderen Zugang zu diesen Gebieten. Der HNO bin ich seit damals verbunden, es hat sich eigentlich nur mehr die genaue Spezialisierung verändert.

Hat man in der medizinischen Forschung als Kliniker:in einen Vorteil verglichen mit rein wissenschaftlich tätigen Personen?

Der Vorteil als wissenschaftlich tätiger Arzt liegt meiner Meinung nach im Bereich der translationalen Forschung. In der Medizin hat die Grundlagenforschung einen hohen Stellenwert, ihr fehlt aber meist der Zugang zu Patient:innen. Die Ärzt:innen haben viele Patient:innen, aber der Zugang zu Laboren und Grundlagenforschung ist meist nicht gegeben. Die translationale Forschung ist der Brückenbauer zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung und daher unverzichtbar. Allerdings ist sie auch sehr komplex und aufwendig, da eben beide Bereiche abgedeckt werden müssen. Heutzutage schafft man sowas nur mehr in einem spezialisierten Team.

Das Fach HNO deckt verschiedenste Bereiche ab. In welches Forschungsfeld stecken Sie und Ihr Team zurzeit ihre Ressourcen?

Wir forschen im Bereich der Rhinologie zur chronischen Rhinosinusitis und allergologischen Forschung. Dabei ist ein Teil Grundlagenforschung, da gerade bei der chronischen Sinusitis noch viele Fragen offen sind, und ein weiterer Teil beschäftigt sich mit der Anwendung von Medikamenten und den Wirkungen und Nebenwirkungen bei den Patient:innen.

Was ist eigentlich die chronische Rhinosinusitis und welche Ursachen sind bekannt?

Da gilt es einmal zu beachten, dass die chronische Rhinosinusitis eigentlich nur ein Überbegriff ist. Die Hauptsymptome einer Rhinosinusitis sind behinderte Nasenatmung, Riechminderung, überschießende Nasensekretion, Abfließen von dickem Sekret in den Rachen oder Druckgefühl und Schmerzen im Bereich der Nebenhöhlen. Wenn man diese oder ähnliche Symptome über 12 Wochen hinaus hat, spricht man von einer chronischen Rhinosinusitis. Dafür können verschiedene Ursachen in Frage kommen. Spezielle Formen sind beispielsweise die chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) oder die chronische Rhinosinusitis ohne Nasenpolypen. Wie die Bezeichnung erahnen lässt, sind das Einteilungen, die ursprünglich rein endoskopisch getroffen wurden. Wir wissen heute, dass diesen unterschiedlichen Formen spezifische Entzündungsmuster zugrunde liegen. Bei der CRSwNP ist meist eine Typ-2-Inflammation die Ursache. Und da gibt es einen Teil der Patient:innen, bei denen eine chirurgische Entfernung der Polypen nur kurz eine Verbesserung bringt, weil schnell Rezidive wachsen. Seit einigen Jahren gibt es endlich Medikamente, die an der zugrundeliegenden Entzündungsreaktion gezielt ansetzen, mit denen aber auch wieder neue Fragestellungen für die klinische Forschung aufgetaucht sind.

Was versteht man unter einer Typ-2-Inflammation?

Der Begriff an sich beschreibt ein Entzündungsmuster, das mit einem speziellen Zytokinbild einhergeht. Wir finden bei einer Typ-2-Inflammation vermehrt die Entzündungsprodukte von Th2-Zellen, also Interleukin 4, 5 und 13, sowie IgE und eosinophile Granulozyten. Die genaue Krankheitsentwicklung ist noch nicht vollständig erforscht. Es wird allgemein angenommen, dass durch verschiedene Ursachen die Schleimhautoberfläche geschädigt wird und diese daher eine erhöhte Durchlässigkeit gegenüber Pathogenen hat. Diese könnten dann zu einer weiteren Verstärkung der Entzündung führen. Jedenfalls muss ein multifaktorieller Entstehungsprozess angenommen werden. Spannend ist, dass die Typ-2-Inflammation mehrere Symptombilder auslösen kann. Neben der CRSwNP ist das beispielsweise auch eine Form der allergischen Rhinitis, Asthma, atopische Dermatitis und die eosinophile Ösophagitis. In manchen Fällen kommt dazu noch eine Stoffwechselerkrankung, bei der Patient:innen eine Schmerzmittelunverträglichkeit entwickeln. Insgesamt macht diese Vielfalt die Forschung nicht leichter, aber interessanter.

Wie wird die CRSwNP behandelt?

Für die CRSwNP hat sich ein mehrstufiges Behandlungskonzept etabliert. Der erste Schritt ist eine konservative Behandlung mit topischen intranasalen Kortikosteroiden und Salzwasserspülungen. Sollte sich unter dieser Behandlung keine zufriedenstellende Symptomlinderung ergeben, wird als nächste Stufe eine endoskopische Nebenhöhlensanierung angeboten. Nach meiner Erfahrung sind zirka 2/3 der Patient:innen nach konservativer und/oder chirurgischer Therapie zufriedenstellend versorgt. Bei Rezidiven gibt es seit 2019 verschiedene Biologika, die gezielt gegen einen oder mehrere der zugrunde liegenden Entzündungsmediatoren gerichtet sind. Diese Therapie ist sehr effektiv, aber auch teuer, daher wird sie zur Zeit meist erst in der Rezidivsituation verwendet. Wie sich das in der Zukunft entwickelt, wenn die Therapiepreise nach unten gehen, wird interessant zu beobachten sein.

Was sind aktuelle Forschungsprojekte und Themenbereiche, die gerade untersucht werden?

Bei uns liegt der Schwerpunkt aktuell auf den Ursachen und Hintergründen der chronischen Rhinosinusitis. Wir schauen uns die einzelnen Patient:innen an und versuchen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen zu verstehen. Das Spannende ist ja eben die unterschiedliche Ausprägung der Erkrankungen: manche Patient:innen haben neben CRSwNP auch Asthma, andere nicht, manche entwickeln Rezidive, andere nicht, manche sprechen auf die Antikörpertherapie perfekt an, andere nur wenig. Da wäre es natürlich schön, einen prädiktiven Marker zu finden. Wenn wir weiter in Richtung personalisierte Medizin gehen wollen, müssen wir diese Fragen beantworten können. Dadurch könnten wir vorher schon abschätzen, was wirken wird, und was nicht.
Ein weiterer Fokus sind Quality of Life (QoL)-Studien. Ich sehe im Schnitt pro Woche 2 bis 3 neue Patient:innen mit CRSwNP und insgesamt betreuen wir zirka 250 Patient:innen unter Biologikatherapie. Dadurch haben wir die Möglichkeit, neue Nebenwirkungen zu finden und in QoL-Studien Patientenbeobachtungen durchzuführen. Insgesamt sehen wir auch, dass die meisten Patient:innen sehr gut auf die Antikörpertherapie ansprechen und großteils auch keine Nebenwirkungen entwickeln. Umso spannender ist es dann auch wieder diejenigen zu untersuchen, die dann eben nicht auf die Therapie ansprechen oder Nebenwirkungen bis zum Therapieabbruch zeigen. Über die Hintergründe zu diesen Fragen ist noch fast gar nichts bekannt.

Welche neuen Forschungsideen haben Sie für die Zukunft?

Jetzt ganz aktuell wollen wir eine App einer belgischen Firma in die Anwendung bringen, die uns bei QoL-Studien unterstützt und höhere Qualität im Feedback von den Patient:innen garantiert. So kann man eine große europaweite Datenbank erstellen mit welcher klinische Fragen schneller und leichter beantwortet werden können.
Ein weiteres Projekt ist eine Studie, die Patient:innen mit chronischer Sinusitis und Asthma bezüglich Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Therapieansprechen untersucht.
Wir planen auch eine interessante prospektive Studie, bei der wir uns das Epithel von Patient:innen mit CRS anschauen. Würde man ein Vorab-Screening machen und dann während der Behandlung immer wieder Untersuchungen durchführen, könnte man ein genaues Bild des Verlaufes von den Entzündungsmustern in den verschiedenen Patientengruppen erhalten. Diese Art von Studie ist aber sehr ressourcenintensiv und mit einem langen Zeithorizont anzulegen – und dementsprechend nicht so leicht auf die Beine zu stellen und zu finanzieren.