Enquetekommission: Würde am Ende des Lebens

Im Juni 2014 wurde die Einsetzung einer parlamentarischen Enquetekommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ beschlossen. Die Kommissionsmitglieder setzten sich mit der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots der Tötung aus Verlangen und des sozialen Grundrechts auf würdevolles Sterben auseinander. Des Weiteren standen die Themen Hospiz- und Palliativversorgung sowie die Patientenverfügung zur Debatte. Auch einschlägige Regelungen und Praxis anderer EU-Staaten sowie die Empfehlung des Europarates Nr. 1418 (1999) wurden diskutiert. Der Kommission gehörten 18 stimmberechtigte Mitglieder aus allen im Parlament vertretenen politischen Parteien an, darüber hinaus nahmen verschiedenste Experten in beratender Funktion teil. Auch die Zivilgesellschaft war eingeladen, sich durch kurze Stellungnahmen am Diskussionsprozess zu beteiligen.

Die Empfehlungen

Anfang März 2015 schloss die Enquetekommission ihre Arbeiten mit einem 51 Empfehlungen umfassenden Positionspapier ab, das die Zustimmung aller sechs Fraktionen erhielt.

Hospiz- und Palliativversorgung: Laut dem Bericht der Enquetekommission ist die Hospiz- und Palliativversorgung österreichweit erst zu ca. 50% gedeckt. Es ist daher dringend erforderlich, die Versorgung für alle Österreicher in der Zukunft tatsächlich sicherzustellen und im Rahmen eines Hospiz- und Palliative-Care-Stufenplans bis 2020 unmittelbare Maßnahmen zu setzen. Kompetenzfragen und Finanzierungsstrukturen dürfen dabei kein Hindernis sein, so die Kommission. Im Erwachsenenbereich fehlen in Österreich 129 Palliativbetten, 192 stationäre Hospizbetten, 6 Tageshospize, 81 Palliativkonsiliardienste, 18 mobile Palliativteams und 138 Hospizteams. Im Kinder- und Jugendbereich soll es mindestens ein mobiles Kinderpalliativteam sowie ein Kinderhospizteam pro Bundesland geben, was aktuell in 5 bzw. 4 Bundesländern nicht der Fall ist. An 2–3 Standorten in Österreich soll ein stationäres Kinderhospiz eingerichtet werden, derzeit gibt es keine solche Einrichtung in Österreich. Jede Kinder-/Jugendabteilung (dzt. 43 Abteilungen in Österreich) sollte über pädiatrische Palliativbetten verfügen, dies ist derzeit nur an einem Standort in Niederösterreich der Fall. In der ersten Etappe des Stufenplans sind jeweils rund 18 Mio. Euro (8,9 Mio. für die Kinderund Jugendversorgung, 17,8 Mio. für stationäre und mobile Hospizversorgung und Palliativkonsiliardienste und 10 Mio. für Palliativbetten) in den Jahren 2016 und 2017 zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung zusätzlich zum Status quo einzusetzen. Die Umsetzung des Stufenplans soll von einem österreichweiten unabhängigen Hospiz- und Palliativkoordinator unterstützt werden, der einmal jährlich zusammen mit dem Dachverband Hospiz sowie den Bundeministerien für Gesundheit und Soziales dem Nationalrat über den Fortschritt berichtet. Die Förderung einer geeigneten Aus- und Weiterbildung, um die Hospizkultur und Palliative Care umfassend in der Grundversorgung zu integrieren, erachtet die Kommission ebenfalls als wichtig. „Kommunikative Kompetenz“ ist essenziell, um Fragen zu Sterben und Tod und die damit verbundenen Vorstellungen, Erfahrungen und Ängste einfühlsam und respektvoll ansprechen zu können. Eine spezifische palliativmedizinische Ausbildung bzw. Fort- und Weiterbildung für Ärzte, Vertreter der Gesundheits-, Betreuungs- und Pflegeberufe sowie ehrenamtliche Mitarbeiter ist zu unterstützen und budgetär abzusichern.

Patientenverfügung: In ca. 100 von 800 Alten- und Pflegeheimen wurde bereits mit der Etablierung der Hospiz- und Palliativkultur begonnen. Dieser Prozess der Organisationsentwicklung und Schulung sowie der nunmehr neu eingeführte Vorsorgedialog sind laut Kommission mit allen Kräften zu unterstützen und rasch und konsequent fortzuführen. Gemeinsam mit den Bundesministerien für Gesundheit und Justiz sollen Maßnahmen zur Vereinfachung und Attraktivierung der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht erarbeitet und umgesetzt werden. So sollen Texte und Formulare möglichst anwendungsorientiert gestaltet werden, in allen Bundesländern sind kostenlose Beratungsgespräche vorgesehen, um die Bevölkerung besser zu informieren. Die unterschiedlichen Register zur Patientenverfügung bei Anwälten und Notaren sollen bis 2016 zu einem einheitlichen Register zusammengeführt werden, des Weiteren soll in der elektronischen Gesundheitsakte ELGA bzw. auf der E-Card erkennbar sein, ob ein Patient eine Patientenverfügung errichtet hat. Wünschenswert ist auch die finanzielle Entlastung von Patienten bei der Errichtung einer Patientenverfügung, beispielsweise über die Patientenanwaltschaft, wie es bereits in Wien, Niederösterreich und Salzburg der Fall ist. Hier wird die Errichtung einer Patientenverfügung kostenlos angeboten. Auch die Krankenkassen könnten in Zukunft einen vertretbaren Kostenbeitrag im Zusammenhang mit der Errichtung einer Patientenverfügung übernehmen.

Sterbehilfe: Die Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung strafrechtlicher Normen, insbesondere des Verbots der Tötung auf Verlangen und eines sozialen Grundrechts auf würdevolles Sterben wurde in zahlreichen Impulsreferaten beleuchtet. Das Meinungsspektrum im Rahmen der Erörterung reichte von einer Staatszielbestimmung zur Gewährleistung der geltenden Rechtslage bis hin zur Diskussion über Fragen zur Suizidbeihilfe bzw. Suizidprävention. Die Enquetekommission kam in diesem Punkt zu dem Schluss, dass es sich um eine rein rechtspolitische Entscheidung handle.

 

Dr. Harald Retschitzegger, MSc

Enquete-Kommission – ist es ein gutes Ergebnis?

Die Kommission hat ihre Tätigkeit abgeschlossen, einen Endbericht erstellt, und der Nationalrat hat den Bericht einstimmig angenommen und beschlossen – also alles in Ordnung?

Ja – wenn den Worten nun auch endlich wirklich die richtigen Taten folgen! Wenn die redundanten und wechselseitigen Unzuständigkeitserklärungen von Bund, Ländern, diversen Ministerien und Sozialversicherungen ein Ende haben – und alle gemeinsam an einem Strang ziehen, die beschlossenen Erkenntnisse und Notwendigkeiten auch wirklich ins Leben umsetzen, und Österreich damit ein Land mit hochklassiger Palliativkultur wird! Wir brauchen nun in der Umsetzung konsequente und fachkundige Arbeit, Kooperation statt Konkurrenz, und die Aufstellung eines flächendeckend wirksamen Systems für die betroffenen Menschen – mit der gemeinsamen Begeisterung, dass jetzt das Richtige passiert!

Wir brauchen durchdringende Basiskompetenz aller beteiligten Berufsgruppen und von ärztlicher Seite darüber hinaus auch endlich eine fachärztliche Ausbildung, die den PalliativmedizinerInnen auch in der Berufslandschaft der Fachärztinnen und -ärzte einen gleichberechtigten Platz ermöglicht, damit die Inklusion der Palliativmedizin im Gesundheitssystem wirksam und kompetent vorangetrieben werden kann.

Kommentar von: Dr. Harald Retschitzegger, MSc

Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG)


AutorIn: Dr. Eva Maria Riedmann

Klinik 02|2015

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2015-05-07