Ausländische Ärzte: Voraussetzungen für Tätigkeit in Österreich Patientenrecht auf ärztliche Qualifikation

Der strukturelle Ärztemangel in Österreich werde nicht durch die Integration der nach Österreich zuziehenden oder hierher flüchtenden Ärzte zu beheben sein. Dessen ungeachtet sei es zweifellos wichtig und wünschenswert, dass die Qualifikationen der nach Österreich geflüchteten ausländischen Ärztinnen und Ärzte nicht unnötig lange brachliegen. Oberste Priorität habe jedoch die Patientensicherheit, das erklärten heute im Rahmen einer Pressekonferenz Vertreter der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und der Medizinischen Universität Wien.

„Der Arztberuf ist kein Selbstzweck, sondern ein Dienst am kranken Menschen. Jeder Patient muss sich darauf verlassen können, dass sein Arzt über die notwendigen medizinischen Qualifikationen verfügt und generell die gesetzlichen Anforderungen zur Ausübung seines Berufes erfüllt”, sagte ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer.

Weiters hänge eine erfolgreiche Behandlung wesentlich vom Gelingen des Arzt-Patienten-Gesprächs ab, betonte der Präsident des Wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte und Präsident der Ärztekammer Oberösterreich, Peter Niedermoser. Daraus ergebe sich, dass jede Person die in Österreich ärztlich tätig sein wolle, ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache und weitere Basisvoraussetzungen nachzuweisen habe. „Und zwar unabhängig davon, woher die Person stammt und ob sie ihr Medizinstudium und ihre postpromotionelle Ausbildung in Österreich oder im Ausland absolviert hat”, so Niedermoser.

Studium- und Ausbildungsabschluss im EWR-Raum oder in der Schweiz

Medizinische Qualifikation: Habe ein ausländischer Arzt sein Medizinstudium und die postpromotionelle Ausbildung in einem EWR-Staat (also EU-Länder sowie Liechtenstein, Norwegen und Island) oder in der Schweiz zur Gänze abgeschlossen, so müsse er weder das Studium an der Universität nostrifizieren lassen noch eine Detailprüfung seiner postpromotionellen Ausbildung bei der ÖÄK beantragen, da seine Ausbildung in der Regel automatisch anerkannt werden könne – gemäß der EU-Richtlinie, die die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen regelt (2005/36/EG).

Sprachliche Qualifikation: Was jedoch auch ein Arzt mit EU-konformer Ausbildung nachweisen müsse, seien ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Dazu diene die Sprachprüfung, mit deren Durchführung die Österreichische Akademie der Ärzte beauftragt sei. „Die Sprachprüfung kann unter bestimmten Voraussetzungen entfallen, z.B. wenn jemand ein deutschsprachiges Studium, eine deutschsprachige Matura oder drei Jahre Tätigkeit im Gesundheitswesen im deutschsprachigen Raum vorweisen kann. Auch wer die postpromotionelle Ausbildung sowie die Arztprüfung im deutschsprachigen Raum absolviert hat, muss nicht zur Sprachprüfung antreten”, sagte Niedermoser.

Weitere Voraussetzungen für Eintragung in die Ärzteliste: Sei die medizinische Ausbildung  der österreichischen gleichwertig und seien Deutschkenntnisse belegbar, könne die betreffende Person die Eintragung in die Ärzteliste beantragen, und zwar über die Landesärztekammer jenes Bundeslandes, in dem jemand ärztlich tätig sein möchte. Dafür seien dann noch Nachweise für folgende Kriterien zu erbringen: Volljährigkeit (Eigenberechtigung), Vertrauenswürdigkeit (also Strafregisterauszug bzw. „Certificate of Good Standing”) und gesundheitliche Eignung. Weiters müsse der Betreffende das Recht zum Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet sowie eine Arbeitserlaubnis haben – beides treffe nicht nur für EU-Bürger automatisch zu, sondern auch für jene Angehörigen von Drittstaaten, die als Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt seien.

Komplexer sei der Weg zur ärztlichen Tätigkeit für Ärzte, die ihre Ausbildung in einem Drittstaat absolviert haben. Sie müssten zuerst ihr Studium nostrifizieren lassen, bevor sie die Anerkennung ihrer postpromotionellen Ausbildung bei der Österreichischen Ärztekammer beantragen könnten.

Studium in Drittstaat: Nostrifikation durch Medizinische Universität

Die Nostrifizierung sei die Anerkennung eines an einer offiziell anerkannten ausländischen Bildungseinrichtung erworbenen Studienabschlusses. Durch die positive Absolvierung eines Nostrifizierungsverfahrens an einer der staatlichen Medizin-Universitäten/Fakultäten werde die Berechtigung zur Führung des inländischen akademischen Grades „Doktor/in der gesamten Heilkunde – Dr. med. univ.” erlangt, erklärte Univ.-Prof. Gerhard Zlabinger, Curriculumdirektor an der MedUni Wien.

Die Voraussetzungen dafür seien: i) Vorliegen eines ausländischen Studienabschlusses, der mit dem Studium der Humanmedizin der MedUni Wien grundsätzlich gleichwertig ist, ii) es wurde noch kein Antrag auf Nostrifizierung in Österreich gestellt und iii) der Nachweis, dass die Nostrifizierung zwingend für die Berufsausbildung oder die Fortsetzung der Ausbildung in Österreich erforderlich ist. „Die Nostrifizierung ist nicht mit der Verleihung der ärztlichen Berufsberechtigung in Österreich gleichzusetzen”, betonte Zlabinger.

Lägen alle erforderlichen Genehmigungen und Dokumente vor, komme es zum Ermittlungsverfahren, in dem Inhalt und Umfang des ausländischen mit dem Curriculum der MedUni Wien verglichen würden. Es müssten Stichprobentests in klinischen Fächern – insgesamt rund 250 Fragen aus Bereichen wie Chirurgie, Frauen- und Kinderheilkunde oder Psychiatrie – absolviert werden. „Beim Stichprobentest handelt es sich nicht um eine Prüfung, bei der man durchfallen kann, das Ergebnis hat jedoch Einfluss auf die Zahl der später noch abzulegenden Prüfungen”, erklärte Zlabinger.

Liege nach dem Ermittlungsverfahren ein grundsätzlich positiver Bescheid vor, werde festgelegt, welche Prüfungen zur Herstellung einer gänzlichen Gleichwertigkeit abzulegen und welche Studienleistungen noch zu erbringen seien. In diesem Bescheid werde dann die Frist zur Absolvierung dieser Prüfungen festgelegt. Vier Prüfungen seien in jedem Fall für Nostrifikantinnen und Nostrifikanten in Österreich vorgeschrieben: Rezeptierkunde,  Hygiene und Präventivmedizin, Epidemiologie und Sozialmedizin sowie Medizinrecht.

ÖÄK prüft in Drittstaaten absolvierte Ausbildung

Während die staatlichen Medizinuniversitäten prüften, ob ein im Ausland absolviertes Studium der gesamten Heilkunde dem österreichischen Curriculum entspreche, habe der Gesetzgeber die Ärztekammer mit der Anrechnung bzw. Prüfung der im Ausland absolvierten praktischen Ausbildung eines Arztes beauftragt, erklärten ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer und der Präsident des Wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte und Präsident der Ärztekammer Oberösterreich, Peter Niedermoser. Die ÖÄK habe die Anträge auf Anrechnung von Ausbildungszeiten all jener Personen zu prüfen, die ihre Arzt-Ausbildung in einem Drittstaat (also alle außer EWR und Schweiz) begonnen oder abgeschlossen hätten. Das betreffe z.B. einen seit Jahren in Kanada tätig gewesenen Psychiater, der erstmals in Europa arbeiten möchte, genauso wie einen aus Syrien geflohenen Chirurgen, der in seiner Heimat jahrelang in einem Spital Patienten versorgt habe.

Wer in einem Drittstaat eine Ausbildung abgeschlossen habe, müsse jedenfalls eine Arztprüfung ablegen, entweder zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zu einem medizinischen Sonderfach. Nach bestandener Prüfung und Nachweis aller erforderlichen Ausbildungszeiten stehe der Eintragung in die Ärzteliste als berufsberechtigter Arzt nichts mehr entgegen, sofern ausreichende Deutschkenntnisse und die weiteren formalen Voraussetzungen vorlägen.

Sehr oft allerdings seien Inhalt und/oder Dauer der im Ausland absolvierten praktischen Ausbildung nicht gleichwertig mit den Vorgaben der österreichischen Ärzte-Ausbildungsordnung. „Bei Drittstaaten-Angehörigen aus Ländern mit unsicherer politischer Lage liegt es zudem auf der Hand, dass die Beibringung offizieller Dokumente schwierig oder unmöglich sein kann: Oft gehen Unterlagen auf der Flucht verloren oder es ist z.B. aufgrund von Kriegswirren und zerstörten Behördenstrukturen schwierig oder unmöglich, beglaubigte Kopien verlorener Dokumente im Herkunftsland zu beschaffen”, sagte ÖÄK-Vizepräsident Mayer. Die Ausbildungskommission der ÖÄK prüfe jedenfalls die vorhandenen Dokumente und Ausbildungsnachweise auf ihre Anrechenbarkeit und nehme die Anrechnung dann mit Bescheid vor. Wenn Ausbildungsinhalte auf die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt fehlen, seien diese an einer anerkannten Ausbildungsstätte (Krankenhaus) ergänzend zu absolvieren.

„Bevor ein Arzt aber de facto ärztlich tätig werden darf, muss er die Eintragung in die Ärzteliste über die zuständige Landesärztekammer beantragen. Dafür sind – neben den formalen Kriterien wie z.B. Strafregisterauszug – auch ausreichende Sprachkenntnisse nachzuweisen. Schließlich muss der Betreffende in der Lage sein, sich auf Deutsch mit seinen Patienten, mit anderen Ärzten und mit Pflegekräften zu verständigen”, sagte Peter Niedermoser von der Österreichischen Akademie der Ärzte.

Sprachprüfung für Ärzte mit nicht-deutscher Muttersprache

„Mit dem verstärkten Zuzug ausländischer Ärzte wurde eine Prüfung der Sprachkenntnisse notwendig. Seit 2005 müssen daher Ärzte mit nicht-deutscher Muttersprache eine Sprachprüfung absolvieren, mit deren Durchführung die Österreichische Akademie der Ärzte als Tochter der ÖÄK betraut ist”, erklärte der Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte und Präsident der Ärztekammer Oberösterreich, Peter Niedermoser.

An der Prüfung könne teilnehmen, wer ein in Österreich oder im Ausland erworbenes Deutsch-Zertifikat der Schwierigkeitsstufe B2 vorlegen könne, entsprechend dem gemeinsamen Referenzrahmen für Sprachen des Europarates. Der Referenzrahmen sei ein einheitliches Raster für alle Sprachen im EU-Raum und solle die Vergleichbarkeit von Fremdsprachenkenntnissen sicherstellen. „Darüber hinaus soll diese Mindestanforderung den Kolleginnen und Kollegen schon vorab eine realistische Einschätzung des Prüfungsniveaus ermöglichen”, sagte Niedermoser.

Die Prüfung bestehe aus einem schriftlichen und zwei mündlichen Teilen, die alle praxisbezogen gestaltet sind. Der Inhalt orientiere sich am Fach des jeweiligen Prüflings. Eine dreiköpfige Prüfungskommission (zwei Ärzte und ein Sprachexperte) simuliere realistische Gesprächssituationen zwischen Arzt und Patient sowie zwischen Ärzten. „Der schriftliche Teil kann z.B. darin bestehen, einen Antrag auf Rehabilitation für die Krankenkasse zu verfassen. Jeder Prüfungsteilnehmer erhält eine detaillierte schriftliche Beurteilung, sodass er oder sie im Falle des Nichtbestehens genau weiß, in welchen Bereichen Nachholbedarf besteht. Wer es nicht geschafft hat, kann jederzeit wieder antreten, die meisten bestehen die Prüfung jedoch spätestens beim zweiten Versuch”, erklärte Niedermoser.

In den vergangenen fünf Jahren habe sich die Anzahl der Kandidaten versechsfacht: 2015 seien insgesamt 325 Personen zur Sprachprüfung angetreten. Mittlerweile fänden die Prüfungen monatlich statt, wenn nötig, würden Zusatztermine eingeschoben. Turnusärzte seien die mit Abstand größte Gruppe der Sprachprüfungsteilnehmer, das zeige sich auch im Altersdurchschnitt: 57 Prozent seien zwischen 25 und 35 Jahre alt.

Derzeit seien die meisten dieser Turnusärzte italienischer Herkunft. „Insgesamt stellen aber Ärztinnen und Ärzte aus Ungarn die größte Gruppe, gefolgt von Rumänen und Slowaken.
Aus Syrien hingegen kamen seit 2013 nur insgesamt fünf Teilnehmer, die die Sprachprüfung erfolgreich absolviert haben”, sagte Niedermoser. Auch an den Sprachprüfungen lasse sich erkennen, dass die Medizin weiblich werde oder schon sei: 54 Prozenten der Prüflinge seien Frauen. Betrachte man die Teilnehmer nach ihren Fachrichtungen, so stellten Allgemeinmediziner die größte Gruppe, gefolgt von Anästhesisten, Chirurgen, Internisten und Gynäkologen.

Quelle: Presseaussendung ÖÄK, 20.04.2016