Kassenordination oder Wahlarztpraxis?

Bevor junge Mediziner den endgültigen Schritt in die Selbstständigkeit wagen, haben sie meist schon bei Kollegen Vertretungen übernommen und können so ihr künftiges Arbeitsfeld gut „beschnuppern“. Zu diesem Zeitpunkt stellen sich dann oft auch die Weichen, ob die Karriere in Richtung Kassenarzt oder Wahlarztpraxis weitergehen wird.

Grundsätzlich ist gemäß § 3 (1) des Ärztegesetztes die selbstständige Ausübung des ärztlichen Berufes Ärzten für Allgemeinmedizin und approbierten Ärzten sowie Fachärzten vorbehalten. Wer die Berufsbefugnis hat und über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, kann sich also in einer Ordination niederlassen. Wer vorhat, eine Kassenordination zu eröffnen, sollte sich rechtzeitig mit der Ärztekammer im betreffenden Bundesland in Verbindung setzen, denn für die Vergabe von Kassenverträgen gibt es Punktesysteme, nach denen Interessenten für eine Kassenpraxis gereiht und bewertet werden. Mediziner, die über Erfahrungen aus Praxisvertretungen verfügen oder eine Wahlarztordination geführt haben, können hier mit einem zusätzlichen Bonus aufwarten. Wer nicht gerade in die Bundeshauptstadt will, hat aktuell in ländlichen Regionen oft gute Chance, denn mehr als 60 % der Kassenärzte werden in den kommenden zehn Jahren das Pensionsalter erreichen.

Die Verträge zwischen Kassenärzten und Krankenkassen sind Einzelverträge im Rahmen eines Gesamtvertrages der jeweiligen Landesärztekammer mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Über diese Konstruktion gelingt es, mit den Ärzten und anderen Vertragspartnern günstigere Tarife auszuhandeln, als dies für den einzelnen Versicherten möglich ist. Im Gesamtvertrag werden die Leistungen der Ärzte und die entsprechende Honorierung geregelt. Derzeit werden Einzelverträge in der Regel nur als Gesamtpaket vergeben, also mit der jeweiligen Gebietskrankenkasse gemeinsam mit den sogenannten „Kleinen Kassen“ (BVA, SVA, VAEB, SVB). Mit den KFA sind auch Einzelverträge möglich. Die Verrechnung der Leistungen erfolgt direkt zwischen Kassenarzt und Sozialversicherungsträger. Der Patient „bezahlt“ mit der e-Card. Werden im Rahmen der Kassenordination Leistungen erbracht, die nicht Teil des Vertrages sind, so sind die Kosten für diese Leistung dem Patienten privat in Rechnung zu stellen.

Ordinationsmodell: Eine Frage des Lebenskonzeptes

Die Entscheidung, in einen Kassenvertrag einzusteigen, ist in den meisten Fällen eine Frage des individuellen Lebenskonzeptes und der damit verbundenen Risikofreudigkeit. Ärzte, die sich für eine Vertragspraxis entscheiden, erwarten sich davon meist eine gewisse Absicherung durch die Kassenpatienten. Die Verträge mit den Krankenkassen geben ihnen finanzielle Absicherung und garantieren auf der anderen Seite eine flächendeckende medizinische Versorgung für die Bevölkerung. „Die meisten Österreicher sind sozialversichert, das heißt der Markt ist gut einschätzbar und die Kassenverträge bieten eine gewisse Sicherheit“, ist beispielsweise Dr. Alireza Nouri, Arzt für Allgemeinmedizin in Wiener Neudorf (NÖ), überzeugt. Er hat Erfahrung durch Vertretungen gesammelt und schließlich seine Kassenordination im Süden Wiens eröffnet. Die Entscheidung würde er jederzeit wieder treffen, auch wenn es für Vertragsärzte naturgemäß ein engeres Auflagenkorsett gibt als für Wahlärzte. Seine Tipps an junge Kollegen, die planen einen Kassenvertrag zu übernehmen, sind einfach zusammengefasst: „Gehen Sie viel vertreten, sprechen Sie mit Kollegen und finden Sie einen guten Standort.“ Dennoch ist der Kassenvertrag auch dann noch lange kein Garant für ein „volles Haus“ bzw. eine florierende Ordination. Ein Kassenarzt, der seinen Beruf nicht mit Leib und Seele ausübt und für seine Patienten da ist, wird auch mit Kassenvertrag nicht unbedingt über ausreichend Patientenkontakte verfügen, um wirtschaftlich leistungsfähig zu bleiben.

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Der praktische Mittelweg

Eine gute Übergangslösung für viele Ärzte, die sich auf das Wagnis der Selbstständigkeit nicht sofort einlassen wollen, ist die Chance, im Spital auf 20 oder 30 Wochenstunden zu reduzieren und so ausreichend Zeit für den Aufbau einer eigenen Ordination zu haben. Zeigt sich im Laufe der Zeit, dass die Ordination wirtschaftlich gut läuft und sich eine ausreichend hohe Patientenfrequenz eingestellt hat, so bietet es sich an, die Öffnungszeiten auszuweiten. Hier gilt: Je höher der Grad der Spezialisierung, desto eher funktioniert dieses Modell, denn so lassen sich auch bei geringen Öffnungszeiten die passenden Patienten akquirieren und der Konnex zum Spital ist meist bei der Spezialisierung von großer Bedeutung. Das bestätigt auch Prim. Dr. Afshin Assadian: Der auf Gefäßchirurgie spezialisierte Mediziner ist Vorstand der Gefäßchirurgie im Wiener Wilhelminenspital und hat vor etwa einem Jahr in Wien mit mehreren Kollegen das Ärztezentrum „Gefäß-Medizin Tuchlauben“ eröffnet. „Die Frage nach einer Kassenordination stellte sich nicht, denn ich bin angestellt und darf nebenher keinen Kassenvertrag haben. Ich arbeite aber in einem Bereich, bei dem extrem komplizierte und aufwendige Operationen erforderlich sind, die meist in einem Privatkrankenhaus gar nicht möglich wären. Daher ist die Kombination, in einem öffentlichen Spital angestellt zu sein und eine Wahlarztordination zu führen, für mich ideal“, bestätigt Assadian.

Angebot trifft Nachfrage

Wahlarzt ist man automatisch, wenn man eine Ordination eröffnet und mit keiner Krankenkasse einen Vertrag erhält. Wahlärzte können den Standort der Ordination frei wählen, genauso wie das Leistungsspektrum oder die Ordinationszeiten. Der Standort der Ordination und der Beginn der Tätigkeit müssen der Ärztekammer gemeldet werden, aber von dieser nicht extra genehmigt werden.

In den letzten Jahren zeigt sich ein eindeutiger Trend hin zur Wahlarztpraxis. Die Gründe, warum sich immer mehr Ärzte für dieses Modell entscheiden, sind vielfältig: Kassenverträge sind nicht immer dort verfügbar, wo es für die Ärzte auch attraktiv ist zu arbeiten. Nach wie vor hat die Kassenordination den Ruf, nur eine 2-Minuten-Medizin bieten zu können, im Gegensatz dazu steht der Wahlarzt seinen Patienten für eine ausführliche Beratung auch mit größeren Zeitfenstern zur Verfügung. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfte mit ein guter Grund sein, dass nach Angaben einer aktuellen Studie der Österreichischen Ärztekammer deutlich mehr Spitalsärztinnen in den Wahlarztbereich tendieren als in den Kassenbereich.

Zahlreiche Umfragen belegen, dass Herr und Frau Österreicher durchaus bereit sind, für die Annehmlichkeiten, die sie in Wahlarztordinationen vorfinden, durchaus tiefer in die Tasche zu greifen. „Ich verstehe die Vorteile einer Kassenordination, aber ich wollte immer eine Wahlarztordination. Der wichtigste Grund ist, dass ich mehr Zeit mit den Patienten verbringen kann und das schätzen meine Patienten auch“, bestätigt Univ.-Doz. Dr. Patrick Weninger. Der Wiener Unfallchirurg hat bereits mehrfach Erfahrung in der Ordinationsgründung und seit Kurzem eine sportorthopädische Wahlarztordination mit Schwerpunkt „Knie“ im ersten Wiener Gemeindebezirk.

Redaktion: Renate Haiden

 

Kasse oder Wahlarzt?