Der Alltag eines niedergelassenen Urologen

 Fotos: privat

Spital oder Ordination? Jungmediziner stehen oft vor der Entscheidung, ob sie als niedergelassener Arzt selbständig werden sollen. Über diesen Entscheidungsprozess spricht Dr. Theresa Küpper, Urologische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, mit Dr. Karl Dorfinger, niedergelassener Facharzt für Urologie und Andrologie.

Dr. Theresa Küpper: Als Assistenzärztin am Ende der Ausbildung für Urologie beschäftige ich mich natürlich mit der Frage, wie ich als Fachärztin meinen zukünftigen Arbeitsalltag gestalten kann. Welche Argumente sprechen für die Niederlassung?

Dr. Karl Dorfinger: Es gibt viele Argumente, die für eine Niederlassung sprechen. Eines der wichtigsten ist meines Erachtens die freiere Berufsausübung. Weitere Vorteile sind die Gestaltungsmöglichkeit, die Möglichkeiten der Kooperation (z. B. Gruppen- oder Gemeinschaftspraxis), die Eigenverantwortlichkeit, die Planungssicherheit und die gute Vereinbarkeit mit Familie und Freizeit.

Wie kann sich ein Assistenzarzt oder junger Facharzt am besten auf den Alltag in der Ordination vorbereiten?

Es gibt die Möglichkeiten der Lehrarztpraxis, des Ausbildungsschwerpunkts im Krankenhaus und die Vertretung in Ordinationen. Besonders lehrreich sind meines Erachtens die Lehrarztpraxis und die Vertretung, weil innere Abläufe sichtbar werden. Ich habe zu meiner Anfangszeit drei oder vier Kollegen vertreten, was mir sehr geholfen hat. Vieles von dem Gelernten habe ich später auch selbst umgesetzt.

Welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein, welche Vorkenntnisse sind nützlich?

Die wichtigste Voraussetzung ist neben dem Facharztdiplom, den Beruf mit Herz und Seele auszuüben. Arzt zu sein ist Berufung, und dies besonders in der Niederlassung, wo man auf sich selbst gestellt ist und für den Patienten da sein muss. Als essenziell erachte ich einen gewissen Unternehmergeist, das heißt, sich selbstständig etwas Neues aufzubauen. Das ist spannend, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung. Förderlich sind eine möglichst breite Ausbildung wie zum Beispiel Urodynamik, Kinderurologie, Andrologie etc. sowie Teamfähigkeit, Entscheidungsfreude und Verantwortlichkeit.

Welche Fallstricke gibt es bei der Praxisgründung? Worauf muss man besonders achten?

Kommunikation ist alles, sowohl mit Fachkollegen als auch mit zuweisenden Kollegen. Kooperationen mit Kollegen erleichtern den Einstieg. Man sollte sich weder vor Investitionen fürchten noch auf das schnelle Geld hoffen. Praxisstandort und Ausstattung sollten auf das geplante Angebot abgestimmt werden. Es gibt gemäß den Vorschriften der Ärztekammer eine Mindestausstattung für eine Ordination. Auch rechtliche Aspekte sind zu beachten, zum Beispiel muss der Standort für eine Ordination zugelassen sein.

Wo kann man sich als junger Facharzt Beratung und Unterstützung holen?

Es gibt viele Möglichkeiten: bei der Landesärztekammer, bei Kollegen im Zuge von Vertretungen, beim Besuch von Fachgruppensitzungen (Abrechnungstraining!) und durch die Mitarbeit beim bvU.  Mitglieder des bvU genießen natürlich Unterstützung bei der Praxisgründung. Eine Reihe von Kursen wird angeboten, wie z. B. Praxisgründungs- und Gruppenpraxis-Seminare.

Was muss man beachten, um gewinnbringend zu arbeiten?

Geld ist nicht alles. Eine gute Ausbildung ist die Grundlage, aber wirklich entscheidend ist die Erfahrung. Gute Planung ist wichtig, eventuell mit der Hilfe von Beratern (Netzwerk an Fachleuten). Ich selbst hatte damals bei der Umsetzung meines Konzepts Unterstützung durch einen Wirtschaftsberater.

Was kann bei der Etablierung der Ordination hilfreich sein?

Neben der bereits erwähnten Kommunikation mit Fachkollegen und Zuweisern kann eine Spezialisierung von Vorteil sein. Ein Muss ist ein guter Internetauftritt, Social Media obliegt dem persönlichen Geschmack. Hilfreich sind der Besuch von Bezirksärztesitzungen sowie das Halten von Vorträgen. Ich habe mich damals im Zuge der Niederlassung mit meinem Konzept bei den praktischen Ärzten vorgestellt, mit der positiven Konsequenz, dass mir viele dieser Kollegen noch heute Patienten zuweisen. Seit Anbeginn habe ich ein EDV-System, das mir eine qualitativ hochwertige und schnelle Ausstellung des Arztbriefes ermöglicht.

Worin siehst du die Unterschiede bzw. Vorteile einer Kassenordination bzw. einer Wahlarztordination?

Kassenordination bedeutet mehr Patienten, aber weniger Zeit pro Patient. Es ist eine sehr gute Organisation erforderlich, beinhaltet mehr Bürokratie und heißt auch eine nicht ganz freie Berufsausübung im Sinn einer Gebundenheit an Kassenleistungen und Vorgaben der Medikamentenverordnung. Wahlarztordination bedeutet mehr Zeit pro Patient und freie Berufsausübung. Die persönliche Entfaltung ist leichter, aber wirtschaftlich ist eine Wahlarztordination eine größere Herausforderung. Wenn man weiß, was man will, ist aber alles machbar – wo ein Wille, da ein Weg. Das betrifft auch die Kombination von Krankenhaustätigkeit und Ordination, wenngleich sich mir persönlich die Frage stellt, ob man sich auf zwei so unterschiedliche Arbeitswelten jeweils zu 100 % konzentrieren kann. Für sich alleine betrachtet sind Nebenerwerbsordinationen oft nicht wirklich wirtschaftlich geführt.

Was hältst du von Gruppenordinationen bzw. Ärztezentren?

Gruppenordinationen stehe ich grundsätzlich sehr positiv gegenüber, allerdings sind die gesetzlichen Herausforderungen schwierig. Ein Thema aus mehrerlei Gründen ist auch die Anstellung von Ärzten bei Ärzten, da dies die Vertretungstätigkeit schwierig machen würde. Es könnte sein, dass dann möglicherweise auch – und dies ist das Hauptproblem – Dauervertretungsärzte wegen des fraglichen Dienstcharakters angestellt werden müssten. Derzeit können Ärzte nur dann andere Ärzte anstellen, wenn sie ein Institut oder ein Ambulatorium führen. Prinzipiell stehe ich jeglicher Form der Kooperation positiv gegenüber, schon allein wegen der Möglichkeit des fachlichen Austausches; sei es mittels Teilen des Kassenvertrags, des Beitritts einer Gemeinschaftspraxis oder der Mitarbeit als Wahlarzt etc.

Eine abschließende Frage: War dir immer klar, dass du niedergelassener Urologe sein willst?

Nein, eigentlich wollte ich mich habilitieren und wusste auch bereits mein Habilitationsthema. Es kam trotzdem alles ganz anders. Wir haben das Jahr 2017, und ich bin tatsächlich schon im 19. Jahr der Niederlassung.

 

 

Die Fragen stellte Dr. Theresa Küpper, Assistenzärztin in der Urologischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien.

Dr. Karl Dorfinger ist niedergelassener Facharzt für Urologie und Andrologie, FEBU und Präsident des Berufsverbands für Urologen (bvU).

Das Interview ist im Fachmedium “Spectrum Urologie” 4/2017 im Rahmen der Serie “ASK THE EXPERT” erschienen, in der der urologische Nachwuchs seine etablierte Kollegenschaft zu einer gewählten Thematik befragt.